
Die Schaffung einer Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) für Flüchtlinge in Wertheim stellt die Kreisverwaltung des Main-Tauber-Kreises abermals vor neue Herausforderungen: Da das Land Baden-Württemberg auf dem Gelände der bisherigen Polizeiakademie eine größere Einrichtung für die Erstaufnahme von Flüchtlingen eröffnet, wird der Landkreis auf die Schaffung von Gemeinschaftsunterkünften für die vorläufige Unterbringung von Flüchtlingen in Wertheim komplett verzichten. Die vorläufige Unterbringung durch die Kreise ist für jeden Flüchtling der zweite Schritt nach der Erstaufnahme durch das Land.
„Die Schaffung der Erstaufnahmeeinrichtung in der bisherigen Polizeiakademie in Wertheim ist eine große Herausforderung für die Stadt. Damit leistet Wertheim einen ganz wichtigen und erheblichen Beitrag zur Bewältigung des aktuellen Flüchtlingsstromes“, sagt Landrat Reinhard Frank. Damit sei jedoch auch klar, dass der Landkreis nicht noch zusätzliche Einrichtungen der vorläufigen Unterbringung in Wertheim schaffen könne. Jedoch sei die Landkreisverwaltung von der Entscheidung der Landesregierung, eine LEA in Wertheim anzusiedeln, vollkommen überrascht worden. „Wir respektieren diese Entscheidung des Landes, aber sie wirft uns in unserer Planung abermals zurück. Immerhin standen wir kurz davor, in Wertheim mehrere Gemeinschaftsunterkünfte zu schaffen, unter anderem im ehemaligen Eichamt und in einer Containeranlage.“ Auch das Vorhaben, die kreiseigene Sporthalle II am Beruflichen Schulzentrum in Wertheim-Bestenheid als vorübergehende Notfallunterkunft bereitzustellen, werde nicht weiter verfolgt.
Mittelfristig könnte die Einrichtung der LEA dazu führen, dass das Land Baden-Württemberg dem Main-Tauber-Kreis weniger Flüchtlinge zur vorläufigen Unterbringung zuweist, weil die Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung in Wertheim im Verteilungsschlüssel teilweise berücksichtigt werden. Kurzfristig verschärft sich dagegen die Lage im Main-Tauber-Kreis, weil der Standort Wertheim für die vorläufige Unterbringung nunmehr ausscheidet und der Kreis mindestens bis zur Eröffnung der LEA trotzdem unvermindert Flüchtlinge nach dem gesetzlichen Verteilungsschlüssel aufnehmen muss. Es wird damit gerechnet, dass bis zum Jahresende 1200 Plätze zur Verfügung stehen müssen, aktuell sind es rund 500. Damit fehlen aktuell noch rund 700 Plätze.
Daher hat die Kreisverwaltung ihren Notfallplan zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern nochmals neu ausgerichtet. Konkret sollen die geplante Errichtung von Wohncontainern für Flüchtlinge und Asylbewerber in Assamstadt und Weikersheim vorgezogen und so schnell wie möglich umgesetzt werden. Darüber hinaus will die Landkreisverwaltung an zwei Standorten in Lauda-Königshofen weitere Wohncontainer aufstellen. Schnellstmöglich fertig gestellt werden sollen auch die neuen Gemeinschaftsunterkünfte in der Alten Schule in Boxberg-Wölchingen und im ehemaligen Gasthaus „Linde“ in Lauda-Königshofen-Gerlachsheim. Mehrere Mietangebote für weitere Bestandsobjekte in verschiedenen Städte und Gemeinden werden mit Hochdruck geprüft und ggf. umgesetzt. Vorangetrieben wird auch das Neubauvorhaben auf dem ehemaligen Gärtnereigelände an der Wertheimer Straße in Tauberbischofsheim.
Jedoch werden auch diese Aktivitäten nicht ausreichen, um im Jahresverlauf die notwendigen Plätze im Kreisgebiet zu schaffen. Mittlerweile ist klar, so Landrat Reinhard Frank, dass in allen Städte und Gemeinden im Main-Tauber-Kreis – ausgenommen Wertheim als Standort einer Landeserstaufnahmeeinrichtung – Gemeinschaftsunterkünfte geschaffen werden müssen. „Wir sind dringend auf die Solidarität der Kommunen angewiesen.“ Daher hat der Landrat am Montag zu einer Bürgermeisterdienstversammlung eingeladen. Konkret wurden die Bürgermeister aufgefordert, kurzfristig weitere Standorte zu benennen, an denen schnellstmöglich Wohncontainer aufgestellt werden können. Diese wurden durch die Landkreisverwaltung bereits jetzt bestellt, um Zeit zu gewinnen. Auch Grundstücke für die Errichtung fester Grundstücke oder geeignete vorhandene Immobilien sollen gemeldet werden. Tenor im Kreis der Bürgermeister war, dass die Städte und Gemeinden dem Landkreis in der aktuellen Situation bestmöglich helfen und sich entsprechend der jeweiligen Gemeindegrößen einbringen möchten. In einer weiteren Besprechung am Mittwochnachmittag hat Landrat Frank die katholischen und evangelischen Dekane im Kreis sowie weitere hochrangige Kirchenvertreter um Unterstützung bei der Beschaffung geeigneter Immobilien gebeten, sowohl für mittel- und längerfristig nutzbare Gemeinschaftsunterkünfte als auch für kurzfristig zu betreibende Notfallunterbringungen. Auch die Kirchen sagten Unterstützung und Solidarität zu.
Zudem arbeitet die Landkreisverwaltung daran, geeignete Hallen und Räume zu akquirieren, in denen für wenige Wochen eine vorübergehende Notfallunterkunft eingerichtet werden kann. Diese würde nur dann genutzt werden, wenn die Flüchtlingszuweisungen durch das Land in nicht vorhersehbarer Weise nochmal sprunghaft steigen und reguläre Unterkünfte nicht schnell genug geschaffen werden können. Die Landkreisverwaltung hat bereits alle organisatorischen Vorkehrungen getroffen, um im Notfall innerhalb weniger Tage eine Halle belegen zu können. Zum Beispiel wurden entsprechende Betten bestellt, die eingelagert werden. Auch das Integrationsministerium hat ganz aktuell die Vorbereitung von Notunterkünften in allen Kreisen erbeten, um Zugangsspitzen aufnehmen zu können.
Ein weiteres Thema ist die so genannte kommunale Anschlussunterbringung. Nach der Erstaufnahme durch das Land und der vorläufigen Unterbringung durch die Kreise ist dies die dritte Stufe. Die kommunale Anschlussunterbringung folgt nach Abschluss des Asylverfahrens, spätestens aber nach 24 Monaten in der vorläufigen Unterbringung. Es handelt sich um eine gesetzliche Pflichtaufgabe der Städte und Gemeinden. Die Flüchtlinge werden den Städten und Gemeinden hierbei nach einem Einwohnerschlüssel durch die Kreisverwaltung zugewiesen. „Die stark gestiegenen Flüchtlingszahlen stellen aktuell vor allem die Landkreise vor die Herausforderung, Gemeinschaftsunterkünfte zu schaffen. Es ist absehbar, dass bald verstärkt Flüchtlinge in die kommunale Anschlussunterbringung wechseln werden. Die Städte und Gemeinden müssen daher jetzt die Zeit nutzen und rechtzeitig geeigneten Wohnraum schaffen. Unter anderem hat das Land hierzu ein Förderprogramm aufgelegt“, erklärt Landrat Reinhard Frank. Das Landratsamt in seiner Eigenschaft als Rechtsaufsichtsbehörde über die Städte und Gemeinden (außer die beiden Großen Kreisstädte) und als Kreispolizeibehörde hat die Bürgermeister gebeten, der Kreisverwaltung darzulegen, wo sie Kapazitäten für die Anschlussunterbringung schaffen. Als grobe Richtschnur wurde hierzu eine Prognose vorgestellt, mit wie vielen kommunalen Anschlussunterbringungen jede Gemeinde in den nächsten beiden Jahren aufgrund ihrer Einwohnerzahl zu rechnen hat. Insgesamt wird hier mit einem Bedarf von 1200 Plätzen von 2015 bis Ende 2017 gerechnet.
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