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Verfahrensinformation
Die Beteiligten streiten darum, ob eine begonnene oder bereits abgeschlossene Berufsausbildung und während dieser erworbene Kenntnisse der deutschen Sprache bei der Bemessung der Geltungsdauer eines abschiebungsbezogenen Einreise- und Aufenthaltsverbots zu Gunsten des ausreisepflichtigen Ausländers zu berücksichtigen sind.
Die Kläger, eigenen Angaben zufolge guineische beziehungsweise irakische Staatsangehörige, betrieben erfolglos im Bundesgebiet ein Asylverfahren. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) befristete das für den Fall einer Abschiebung der Kläger vorgesehene Einreise- und Aufenthaltsverbot auf die Dauer von 30 Monaten. Während des asylgerichtlichen Verfahrens nahmen die Kläger jeweils eine qualifizierte Berufungsausbildung auf, ohne dass das Bundesamt die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots daraufhin verkürzt hätte.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Befristung der Einreise- und Aufenthaltsverbote als ermessensfehlerhaft erachtet. Das Bundesamt habe von dem ihm in Bezug auf die Bestimmung der Sperrfrist durch § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Regelung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Bei der Bemessung der Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots seien eine begonnene und erst Recht eine abgeschlossene Berufsausbildung ebenso zu berücksichtigen wie während der Ausbildung erworbene Kenntnisse der deutschen Sprache. Hierfür komme es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Ausländer im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Zusage habe, diese nach Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots fortführen oder wiederaufnehmen zu dürfen, oder ob er nach dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung über ein konkretes, die Wiedereinreise ermöglichendes Stellenangebot verfüge. Die insoweit erbrachten Integrationsleistungen stellten einen gewichtigen Bestandteil der sozialen Identität des Ausländers im Bundesgebiet dar. Das Aufenthalts- und Einreiseverbot treffe die Kläger härter als andere Ausländer, die ebenfalls erfolglos ein Asylverfahren durchliefen, aber während der Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland keine vergleichbaren Bindungen aufbauten.
Zur Begründung ihrer durch das Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revisionen trägt die Beklagte vor, mit Blick auf die Zielrichtung des abschiebungsbedingten Einreise- und Aufenthaltsverbots seien nur solche persönlichen Belange des Ausländers in die Ermessensentscheidung über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots einzustellen, die nach Verlassen des Bundesgebietes eine Wiedereinreise erforderlich machten oder die Beendigung des Aufenthalts überdauerten und damit Bedeutung für eine möglichst baldige Wiedereinreise hätten. Persönliche Aspekte, die sich auf Integrationsleistungen bezögen, welche infolge und nach einer Abschiebung nicht fortwirkten, müssten nicht in die Ermessenserwägungen eingestellt werden. Ein nach diesen Grundsätzen bei der Befristung abschiebungsbedingter Einreise- und Aufenthaltsverbote allein einzustellendes fortdauerndes Rückkehrinteresse ergebe sich nicht bereits deshalb, weil im Bundesgebiet eine Ausbildung begonnen oder abgeschlossen worden sei und Sprachkenntnisse erworben worden seien.
Pressemitteilung Nr. 56/2021 vom 07.09.2021
Befristung eines abschiebungsbedingten Einreise- und Aufenthaltsverbots bei Berufsausbildung während des asylgerichtlichen Verfahrens
Bei der Bemessung der Dauer eines abschiebungsbedingten Einreise- und Aufenthaltsverbots ist (erst) der erfolgreiche Abschluss einer qualifizierten Berufsausbildung im Bundesgebiet durch den Ausländer während des asylgerichtlichen Verfahrens fristverkürzend zu berücksichtigen, nicht schon deren Aufnahme. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Kläger wenden sich nach Ablehnung ihres Asylantrages nur noch gegen die Befristung des jeweils unter der aufschiebenden Bedingung ihrer Abschiebung ergangenen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Während des asylgerichtlichen Verfahrens haben sie eine qualifizierte Berufsausbildung aufgenommen, die bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch nicht abgeschlossen war. Das Verwaltungsgericht hat die Einreise- und Aufenthaltsverbote aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Aufhebung bestätigt. In die Ermessensentscheidung über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots seien grundsätzlich auch besondere Integrationsleistungen des Ausländers einzubeziehen, wie z.B. eine im Inland begonnene oder abgeschlossene Ausbildung und gute Sprachkenntnisse.
Auf die Revisionen der beklagten Bundesrepublik Deutschland hat der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts die Klagen auch gegen die Einreise- und Aufenthaltsverbote abgewiesen. Die Entscheidung über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots steht gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde, hier des Bundesamts. Dieses hat bei der Bestimmung der Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots einerseits dessen auf die Durchsetzung des Vorrangs der freiwilligen Ausreise vor der Abschiebung zielendes Gewicht und andererseits ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen an einer Perspektive für eine Rückkehr in das Bundesgebiet angemessen auszugleichen. Trägt der Ausländer keine ihm günstigen Umstände vor, die geeignet sind, das Gewicht seines Rückkehrinteresses schutzwürdig zu verstärken, und sind solche für die zuständige Behörde auch nicht anderweitig erkennbar, so begegnet es in einer Situation, in der auch keine das gefahrenabwehrrechtlich geprägte öffentliche Fernhalteinteresse erhöhende Besonderheiten ersichtlich sind, keinen Bedenken, das abschiebungsbedingte Einreise- und Aufenthaltsverbot regelmäßig auf die Dauer von 30 Monaten zu befristen.
Derartige Besonderheiten sind nicht schon dann gegeben, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung begonnen, aber noch nicht abgeschlossen und die dafür erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache im Bundesgebiet erworben hat. Erst der erfolgreiche Abschluss einer qualifizierten Berufsausbildung im Bundesgebiet vermittelt dem Ausländer eine aufenthaltsrechtlich beachtliche Rückkehrperspektive, welche es angezeigt erscheinen lässt, vorbehaltlich etwaiger Besonderheiten des Einzelfalles die auf 30 Monate bestimmte Dauer um regelmäßig die Hälfte zu verkürzen. Wird die qualifizierte Berufsausbildung erst nach dem für die Beurteilung der Sachlage im asylgerichtlichen Verfahren maßgeblichen Zeitpunkt (§ 83c i.V.m. § 77 Abs. 1 AsylG und § 75 Nr. 12 AufenthG) abgeschlossen, ist der Ausländer darauf verwiesen, nach Maßgabe des § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG die Verkürzung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots bei der dann zuständigen Ausländerbehörde zu beantragen. Soweit die Voraussetzungen für eine Ausbildungsduldung (§ 60c AufenthG) erfüllt (gewesen) sein mögen, ist dies allein bei deren Erteilung zu berücksichtigen, die bereits das Entstehen des Einreise- und Aufenthaltsverbots verhindert, nicht (auch) bei der Befristungsentscheidung.
BVerwG 1 C 46.20 – Urteil vom 07. September 2021
Vorinstanzen:
OVG Berlin-Brandenburg, OVG 3 B 3.20 – Urteil vom 06. Juli 2020 –
VG Berlin, VG 31 K 462.17 A – Urteil vom 11. Juli 2019 –
BVerwG 1 C 47.20 – Urteil vom 07. September 2021
Vorinstanzen:
OVG Berlin-Brandenburg, OVG 3 B 2.20 – Urteil vom 06. Juli 2020 –
VG Berlin, VG 31 K 81.17 A – Urteil vom 11. Juli 2019 –
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