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Verfahrensinformation
Die Klägerinnen, kreisangehörige Kommunen im Gebiet des jeweiligen Beklagten, wenden sich gegen die Festsetzung der Kreisumlage für das Jahr 2017.
Im Verfahren BVerwG 8 C 29.20 beschloss der Kreistag des Beklagten im Jahr 2015, den Umlagesatz wegen Haushaltsdefiziten zum nächsten Haushaltsjahr auf 47,06 % zu erhöhen. Eine weitere Erhöhung im Rahmen des Nachtragshaushalts für 2016 lehnte er aufgrund von Übersichten zur Haushaltssituation der umlagepflichtigen Gemeinden ab. Den Kreisumlagesatz für 2017 setzte er in einer späteren Sitzung auf 47,06 % fest.
Im Verfahren BVerwG 8 C 30.20 ermittelte der Fachdienst des Beklagten zur Vorbereitung des Entwurfs der Haushaltssatzung für 2017 den Finanzbedarf des Kreises. Außerdem erörterte er mit der Kommunalaufsichtsbehörde die Auswirkungen einer Senkung des Umlagesatzes auf 40,1 % für die einzelnen kreisangehörigen Gemeinden. Dem Beschlussvorschlag an den Kreistag waren eine Begründung, die auf Orientierungsdaten des Statistischen Landesamtes verwies, sowie Unterlagen zur Veränderung der Umlagegrundlagen und zur Umlageentwicklung nebst einer Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes beigefügt. Nach Erörterung der Vorlage in mehreren Ausschüssen beschloss der Kreistag den vorgeschlagenen Umlagesatz.
In jedem der beiden Verfahren hat das Verwaltungsgericht der Klage gegen die Erhebung der Kreisumlage für 2017 stattgegeben. Daraufhin hat der Kreistag des Beklagten im zweiten Verfahren (BVerwG 8 C 30.20) im Februar 2020 den angegriffenen Umlagesatz durch Beschluss bestätigt. Die Beschlussvorlage enthielt unter anderem eine Aufstellung der Finanzgrundlagen der umlagepflichtigen Kommunen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen beider Beklagten zurückgewiesen. Die Festsetzung des Kreisumlagesatzes verletze jeweils das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Kommunen. Danach müssten die Daten zum Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden den Kreistagsmitgliedern vor der Beschlussfassung über die Haushaltssatzung in geeigneter Weise – etwa tabellarisch – aufbereitet zur Kenntnis gegeben werden. Das sei in beiden Fällen nicht geschehen. Dabei könne offenbleiben, ob die im Verfahren BVerwG 8 C 29.20 zum Entwurf des Nachtragshaushalts vorgelegten Unterlagen den Anforderungen genügt hätten. Sie seien nämlich nicht in die Beschlussvorlage zur Haushaltssatzung 2017 aufgenommen worden. Die verwaltungsinterne Ermittlung und Bewertung des Finanzbedarfs genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Im Verfahren BVerwG 8 C 30.20 sei der Verfassungsverstoß auch nicht mit dem Beschluss zur Bestätigung des Umlagesatzes geheilt worden. Eine ergebnisoffene Abwägung habe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr stattfinden können, weil die Haushaltssatzung nach Ablauf des Haushaltsjahres nicht mehr geändert werden dürfe.
Dagegen wenden sich die jeweiligen Beklagten mit ihren vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revisionen.
Während des Revisionsverfahrens hat der Landesgesetzgeber eine Regelung erlassen, die eine Änderung der Haushaltssatzung zur Behebung von Fehlern auch nach Ablauf des Haushaltsjahres zulässt. Daraufhin hat der Kreistag des Beklagten im Verfahren BVerwG 8 C 29.20 den Kreisumlagesatz für 2017 vorsorglich – unverändert – neu beschlossen.
Pressemitteilung Nr. 59/2021 vom 28.09.2021
Kreistag darf Kreisumlage nicht ohne Information über gemeindlichen Finanzbedarf festsetzen
Die verfassungsrechtliche Pflicht des Landkreises, bei der Erhebung der Kreisumlage den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und gleichrangig mit dem eigenen zu berücksichtigen, ist verletzt, wenn der Kreistag über einen von der Kreisverwaltung vorgeschlagenen Umlagesatz beschließt, ohne dass ihm zumindest die zugrunde gelegten Bedarfsansätze der betroffenen Gemeinden vorlagen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gestern entschieden.
Die Klägerinnen, kreisangehörige Kommunen im Gebiet des jeweils beklagten Landkreises, wenden sich gegen die Festsetzung der Kreisumlage für das Jahr 2017. In beiden Verfahren hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen. Die Umlagefestsetzung verletze jeweils das Selbstverwaltungsrecht der betroffenen Kommunen. Danach müssten die Daten zum Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden den Kreistagsmitgliedern vor der Beschlussfassung über die Haushaltssatzung in geeigneter Weise – etwa tabellarisch – aufbereitet zur Kenntnis gegeben werden. Das sei jeweils nicht geschehen. Die ausschließlich verwaltungsinterne Ermittlung und Bewertung des Finanzbedarfs genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.
Während des Revisionsverfahrens hat der Landesgesetzgeber eine Regelung erlassen, die eine Änderung der Haushaltssatzung zur Behebung von Fehlern – mit bestimmten Ausnahmen – auch nach Ablauf des Haushaltsjahres zulässt. Daraufhin haben die Kreistage beider Beklagten den Kreisumlagesatz für 2017 jeweils vorsorglich – unverändert – neu beschlossen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Revisionen der Beklagten stattgegeben, die Berufungsurteile aufgehoben und beide Verfahren an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die ursprünglichen Haushaltssatzungen das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht wegen Verstößen gegen daraus abzuleitende Verfahrenspflichten verletzen. Nach Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) muss der Landkreis bei der Festsetzung der Kreisumlage den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden ermitteln und ihn gleichrangig mit dem eigenen berücksichtigen. Außerdem muss er seine Entscheidung offenlegen, damit sie von den Gemeinden und den Gerichten überprüft werden kann. Zwar obliegt die nähere Ausgestaltung des Verfahrens dem Landesgesetzgeber und, soweit gesetzliche Regelungen fehlen, den Landkreisen selbst. Dabei müssen jedoch die verfassungsrechtlichen Grenzen beachtet werden. Sie sind überschritten, wenn der nach Landesrecht für die Umlagefestsetzung zuständige Kreistag nur über einen von der Kreisverwaltung vorgeschlagenen Umlagesatz beschließt, ohne dass ihm zumindest die ermittelten Bedarfsansätze vorlagen. Bei einem solchen Vorgehen wird auch die Offenlegungspflicht nicht gewahrt.
Bei der Entscheidung im Revisionsverfahren sind jedoch die Rechtsänderungen nach Ergehen der Berufungsurteile zu berücksichtigen. Ob die angegriffenen Bescheide von den vorsorglich erlassenen neuen, rückwirkenden Satzungsbestimmungen gedeckt werden, kann das Bundesverwaltungsgericht nicht abschließend beurteilen. Eine Rechtfertigung durch die neuen Satzungsbeschlüsse scheitert nicht schon daran, dass eine landesgesetzliche Ermächtigung zur rückwirkenden Heilung mit Bundesverfassungsrecht unvereinbar wäre. Die Ermächtigung enthält aber eine mehrdeutige Ausnahmeregelung, deren Auslegung das Oberverwaltungsgericht zu klären hat.
BVerwG 8 C 29.20 – Urteil vom 27. September 2021
Vorinstanzen:
OVG Magdeburg, 4 L 184/18 – Urteil vom 04. Mai 2020 –
VG Magdeburg, 9 A 117/17 MD – Urteil vom 11. September 2018 –
BVerwG 8 C 30.20 – Urteil vom 27. September 2021
Vorinstanzen:
OVG Magdeburg, 4 L 14/19 – Urteil vom 30. April 2020 –
VG Magdeburg, 9 A 135/17 MD – Urteil vom 21. November 2018 –
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