Referentin: Dr. des. Kerstin Stubenvoll, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, FU Berlin
Wann und Wo: Dienstag, 08.02.2022, 18:00 Uhr, Schwartzsche Villa
Bis 1945 beherbergte das Gebäude des heutigen Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft in der Ihnestraße 22 das „Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik“ (KWI-A). Das 1927 gegründete Institut führte Forschungen zur Erblichkeit bestimmter Körper-, Krankheits- oder auch Verhaltensmerkmale durch und trug mit seiner Arbeit zur Einteilung von Menschen in vermeintliche „Rassen“ und deren Bewertung als höher- oder minderwertig bei. Mitarbeitende des KWI-A waren in staatliche Politiken der Ausgrenzung und in medizinische Verbrechen in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern involviert.
Zahlreiche Forschungen des KWI-A wiesen dabei Bezüge zur deutschen und europäischen Kolonialgeschichte auf.
Mitarbeitende des KWI-A führten ab 1940 Vermessungen und Untersuchungen an Schwarzen Soldaten durch, die in Europa für die alliierten Truppen kämpften und in Lagern interniert waren. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg erstellten Forschende des Instituts Gutachten, die die Zwangssterilisation von mehreren hundert afrodeutschen Kindern und Jugendlichen befürworteten, die im Zuge der alliierten Rheinlandbesetzung aus Beziehungen afrikanischer Soldaten und europäischer Zivilistinnen hervorgegangen waren. Auch eine Schädelsammlung lagerte von 1928 bis 1943 im Dachgeschoss des Instituts. Deren Gebeine hatten europäische Sammelnde zu Beginn des 20. Jahrhunderts oftmals ohne Einverständnis der betroffenen Gesellschaften und unter Störung der Totenruhe u.a. in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) an sich gebracht. Nur ein kleiner Teil dieser Schädel und Skelette wurde bislang an die Herkunftsgesellschaften zurückgegeben.
In ihrem Vortrag zeichnet Kerstin Stubenvoll diese Spuren des Kolonialismus in Dahlem nach und informiert über die Arbeiten zur Einrichtung eines Informations- und Erinnerungsortes in der Ihnestraße 22, der voraussichtlich Ende 2022 eröffnen wird.
Der Vortrag ist Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung „Spuren des Kolonialismus – Der private Nachlass des Wandervogels Karl Fischer“, die bis zum 15.05.2022 in der Schwartzschen Villa gezeigt wird. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung unter: https://pretix.eu/Fachbereich-Kultur-Steglitz/ erforderlich. Es gelten die dann aktuellen Regelungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie.
Bilder: Titel Symbolbilder Berlin by Pixabay.com / Berlin.de