O-Ton (Audio) vom 15. August 2022
Audio | Pilze – schmackhafte Leckerbissen und wichtige Lebensspender
BUND Expertin für Pilze Tamara Pilz-Hunter im Gespräch mit BUND-Redakteur Noah Wankner über die Rolle von Pilzen für unser Ökosystem und was wir beim Sammeln von Pilzen beachten sollten (Interview: 6:45 Minuten):
Anmoderationsvorschlag: Sie machen sich wunderbar in Sahnesoße mit Klößen, finden sich manchmal auch unerwünscht auf Lebensmitteln, die zu lange in einer dunklen Ecke im Kühlschrank lagen und manche können sogar Halluzinationen auslösen. Ich spreche natürlich von Pilzen. Außer dass sie gut schmecken und manchmal eben auch giftig sind, können Pilze aber noch viel mehr. Was genau, darüber sprechen wir heute mit Pilzexpertin und Mitarbeiterin des Bund für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND, mit dem sehr passenden Namen Tamara Pilz-Hunter.
Sprecher: Frau Pilz Hunter, Hand aufs Herz: Welche Rolle hat Ihr Nachname bei der Wahl Ihres Fachgebiets gespielt?
O-Ton 1 (Tamara Pilz-Hunter, 0:15 min): Das ist eine gute Frage. Ich bin eine geborene Hunter. Mein Vater war Engländer und habe dann Herrn Pilz geheiratet. Ohne den Namen wäre ich wahrscheinlich nie zu den Pilzen gekommen. Und ich freue mich total, dass das so passiert ist.
Sprecher: Pilze gehören ja offiziell nicht zu den Pflanzen, was man vielleicht spontan denken würde. Was genau ist denn ein Pilz?
O-Ton 2 (Tamara Pilz-Hunter, 0:26 min): Also die Pilze bilden ein eigenes Reich neben den Pflanzen und Tieren. Sie sind zwar stationäre Lebewesen, also wie die Pflanzen eigentlich, aber sie beherrschen die Photosynthese nicht. Der Pilz ist wie Tiere oder wie wir auch auf organische Nahrung angewiesen. Außerdem sind die Pilze aus Protein aufgebaut, also aus Eiweiß, während die Pflanzen aus Zellulose und Lignin sind.
Sprecher: Interessant. Deshalb sind Pilze dann also als Nahrung für den Menschen auch eine gute Eiweißquelle?
O-Ton 3 (Tamara Pilz-Hunter, 3 Sek.): Genau. Ein guter Fleischersatz.
Sprecher: Also, Pilze sind keine Tiere. Sie sind keine Pflanzen. Was esse ich dann da, wenn ich einen Pilz verspeiste?
O-Ton 4 (Tamara Pilz-Hunter, 0:30 min): Also, was wir den Pilz nennen, ist eigentlich nur der Fruchtkörper. Das eigentliche Lebewesen lebt im Verborgenen, und zwar im Holz oder im Boden. Und es ist ein ganz fein verzweigtes Geflecht aus Fäden. Die nennen wir Hyphen und die ganzen Hyphen zusammen nennen wir Myzel. Den Fruchtkörper bildet er nur, wenn die Bedingungen stimmen, und zwar zur Verbreitung, zur sexuellen Verbreitung.
Sprecher: Und das ist dann das, was wir so gemeinhin als Pilze bezeichnen und dann eben auch essen.
O-Ton 5 (Tamara Pilz-Hunter, 0:16 min): Genau. Also eigentlich ist es auch so, wie wenn wir einen Apfel vom Baum pflücken. Das tut dem Baum nicht weh. Man kann das auch so sehen, dass wir, wenn wir die Pilze sammeln und sie weiter transportieren, sind wir eigentlich die Sporenverbreiter.
Sprecher: Welche Aufgabe haben Pilze im Ökosystem?
O-Ton 6 (Tamara Pilz-Hunter, 47 Sek.):
Pilze haben sehr wichtige und verschiedene Aufgaben im Ökosystem. Einige bilden Symbiosen mit Pflanzen und wir nennen sie Mykorrhiza-Pilze. Der Pilz liefert der Pflanze lebenswichtige Mineralien und Wasser. Und das ist natürlich besonders wichtig, wenn der Boden trocken und nährstoffarm ist. Auch kommunizieren die Bäume durch das netzartige Myzel, das von Baum zu Baum leitet. Und man spricht sogar über das Wood Wide Web.
Sie können sich so auf Gefahren besser vorbereiten, zum Beispiel wenn Schädlinge kommen. Andere Pilze funktionieren als Zersetzer von Totholz und wir nennen die Destruenten. Ohne jene Pilze könnten wir den Wald nicht betreten. Das wäre eigentlich ein totales Holzlager.
Sprecher: Bei diesen wichtigen Rollen, die Pilze für unsere Natur haben, ist es natürlich umso kritischer, dass einige Pilzarten in Deutschland teilweise sogar vom Aussterben bedroht sind. Woran liegt das?
O-Ton 7 (Tamara Pilz-Hunter, 1:05 min):
Das stimmt. Ein Drittel der untersuchten Pilzarten sind entweder extrem selten oder gefährdet. Was schlimm ist, ist die Verdichtung der Böden durch zum Beispiel Großmaschineneinsatz. Der Eintrag von Stickstoffdünger aus der Landwirtschaft und Abgase vom Verkehr. Sie erhöhen den Nährstoffgehalt im Waldboden. Und wo vorher die Bäume auf die Pilze angewiesen waren, um für sie Nährstoff zu sammeln, ist jetzt der Nährstoff im Überschuss und es findet keine Symbiose mehr statt und der Pilz verschwindet. Noch schädlich sind die Pestizide. Pestizide werden in der Landwirtschaft benutzt, aber auch in der Forstwirtschaft. Und sie töten nicht nur spezifische Schädlinge, gegen welche sie eingesetzt werden, sondern auch andere Lebewesen, wie zum Beispiel Pilze. Also zum Abschluss ist mir noch wichtig zu betonen, es ist natürlich in Ordnung, Pilze zu sammeln und zu essen. Man sollte jedoch einige Exemplare stehen lassen, damit sich die Pilze weiter vermehren können.
Sprecher: Wann und wo ist denn die beste Zeit und der beste Ort, um Pilze zu sammeln? Fährt man da einfach auf gut Glück in irgendein nahe gelegenes Waldstück oder wie macht man das?
O-Ton 8 (Tamara Pilz-Hunter, 0:36 min):
Eigentlich gibt es in jeder Jahreszeit Pilze, aber die meisten Pilze lieben es feucht und warm und daher ist Frühjahr und Herbst die gute Saison. Zum Sammeln gehen wir natürlich in den naturbelassenen Mischwald, wo viel Totholz ist, da finden wir die Zersetzer. Und für die Symbiose-Pilze würden wir eher einen nährstoffarmen Wald anstreben. Dort finden wir viele beliebte Speisepilze, die Symbiose machen, Pfifferlinge, Röhrenpilze, Steinpilze, Maronen, Täublinge.
Aber auch im Stadtpark oder im eigenen Garten können Sie Speisepilze entdecken.
Sprecher: Wie leicht passiert einem das, einen giftigen Pilz für einen essbaren Pilz zu halten?
O-Ton 9 (Tamara Pilz-Hunter, 1:17 min):
Das kann sehr leicht passieren. Um Pilze zu bestimmen, müssen wir mehrere verschiedene Merkmale erkennen und teils sind es sehr feine Unterschiede und manchmal nicht so eindeutig leider. Ein Mikroskop braucht man dazu nicht, aber es ist wichtig, dass wir unsere Speisepilze genau kennen und wenn ein Zweifel besteht, dann Finger weg. Um seine Artenkenntnisse zu vergrößern, empfiehlt es sich, an Exkursionen oder an Pilzkursen teilzunehmen oder sich mit einem Pilzsachverständigen zu beraten.
Beim BUND Berlin zum Beispiel bietet unser Arbeitskreis für Pilze und Ökologie in jeder Pilzsaison einmal wöchentlich eine kostenlose Pilzberatung an und sortiert Ihnen die giftigen und die essbaren Pilze aus. Benutzen Sie gerne eine App zur Pilzbestimmung, aber verzehren Sie den Pilz nicht aufgrund dieser Bestimmung. Vor dem Verzehr sollte man das einem Pilz Sachverständigen vorlegen. Wir benutzen oft den Geruch, manchmal den Geschmack, also viele Sachen, die eine App oder solche Fragen nicht beantworten können. Das ist schön zum Lernen, aber ich würde mich da jetzt nicht verlassen, das zu essen.
Sprecher: Das war im Gespräch Tamara Pilz-Hunter vom BUND. Vielen Dank, Frau Pilz-Hunter, für das Gespräch.
O-Ton 10 (Tamara Pilz-Hunter, 3 Sek.):
Ja, sehr gerne. Ich danke Ihnen.
Der O-Ton (Audio) mit Transkript als Download:
www.bund.net/pilze-audiointerview
Gesamtdauer Interview: 6:45 Minuten.
Alle O-Töne des BUND können Sie als mp3-Datei herunterladen, bearbeiten und lizenzfrei für Medienberichte verwenden: www.bund.net/service/presse/pressebilder
Unseren Ökotipp zum Thema Pilze finden Sie unter: www.bund.net/bund-tipps/oekotipps/
Das BUND-Magazin zum Thema Pilze: https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/bund/bundmagazin/bundmagazin_3_22.pdf
Pressekontakt: Tamara Pilz-Hunter, BUND-Pilzexpertin und Sprecherin Arbeitskreis Pilze und Ökologie BUND-Berlin, Mobil: +49 1726317610, pilzhunter@gmail.com
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