Düsseldorf (ots)
- 57 Prozent der Bürger:innen zählen das deutsche Gesundheitswesen zu den drei besten der Welt – Wert zum ersten Pandemiejahr 2020 um 15 Prozentpunkte gesunken
- Krankenkassen erreichen konstant hohe Zustimmungswerte: 87 Prozent sind mit deren Arbeit zufrieden
- Der elektronischen Datenspeicherung steht die Bevölkerung aufgeschlossen gegenüber, sofern sie einen Nutzen erkennen kann
- Finanzinvestoren werden akzeptiert, wenn sie die Gesundheitsversorgung erkennbar verbessern
- Nachhaltigkeit wird im deutschen Gesundheitssektor fundamental unterschätzt
Die Pandemie war eine enorme Herausforderung, aber auch eine Chance für das deutsche Gesundheitswesen, sich zu transformieren und seine digitale Infrastruktur auszubauen. Doch der deutsche Gesundheitssektor hat diese Chance weitgehend ungenutzt verstreichen lassen. Die Zustimmungswerte zum deutschen Gesundheitswesen sind nach 2020 wieder spürbar gesunken: Aktuell zählen nur noch 57 Prozent der Deutschen ihr Gesundheitswesen zu den Top-3-Systemen der Welt, während es im ersten Pandemiejahr 2020 noch 72 Prozent waren. In bestimmten Bevölkerungsgruppen, die sich auch gegen das Impfen aussprechen, ist die Skepsis besonders ausgeprägt. Das sind zentrale Ergebnisse des „Healthcare-Barometers 2023“, einer repräsentativen Befragung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland unter 1.000 Bürger:innen. PwC veröffentlicht die Befragung bereits zum neunten Mal in Folge.
Hohes Vertrauen in die Arbeit der Krankenversicherer
Fast alle Bereiche des Gesundheitssektors müssen Verluste hinnehmen, es gibt nur eine Ausnahme: Die Krankenversicherungen können konstant hohe Zustimmungswerte verzeichnen – und das über den gesamten Erhebungszeitraum seit 2014 hinweg: Derzeit bezeichnen sich 87 Prozent der Studienteilnehmer:innen als „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ mit der Arbeit der Krankenversicherer. Dabei gibt es kaum Unterschiede zwischen den privat und den gesetzlich Versicherten. Lediglich in der Frage, ob die Krankenversicherung alle wichtigen Leistungen gewährt, schneiden die gesetzlichen Krankenkassen etwas schlechter ab (84 versus 90 Prozent). „Ich halte es für bemerkenswert, dass die Krankenkassen kontinuierlich ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießen. Umso unverständlicher ist es für mich, dass sie in die aktuellen Reformdebatten kaum eingebunden werden“, sagt Michael Burkhart, Leiter des Bereichs Gesundheitswirtschaft bei PwC Deutschland. „Ich plädiere dafür, dass sie zum Partner der Gesundheitspolitik werden.“
Krankenhäuser verlieren an Zustimmung
Auch in der anstehenden Reform der Krankenhausversorgung und -finanzierung können die Krankenkassen eine wichtige Rolle spielen. Die Kliniken verlieren derzeit deutlich an Zustimmung: Die Zufriedenheit mit der Versorgung im Krankenhaus ist gegenüber dem Vorjahr um zwölf Prozentpunkte auf 51 Prozent gesunken. Zum Vergleich: Im ersten Pandemiejahr konnten die Kliniken noch Spitzenwerte von 72 Prozent erzielen. „Die Bewertung hat sich wieder auf das Niveau der Vor-Pandemie-Zeit eingependelt. Offenbar kommen die Debatten um Insolvenzen und Schließungen von Krankenhäusern allmählich auch in der Bevölkerung an“, kommentiert Michael Burkhart. Wenn es um die Wahl der richtigen Klinik geht, spielt nach wie vor die Hausärztin, der Hausarzt die wichtigste Rolle.
Ähnlich wie der stationäre muss auch der ambulante Sektor Einbußen verkraften, allerdings in geringerem Maße. Während sich im Jahr 2021 noch 43 Prozent als zufrieden mit der ärztlichen Versorgung in Praxen bezeichneten, sind es aktuell nur noch 37 Prozent. Hauptkritikpunkte sind der Zeitdruck unter Ärzt:innen (36 Prozent), das Gefühl, vom medizinischen Personal nicht ernst genommen zu werden (22 Prozent), und die Öffnungszeiten der Praxen (21 Prozent).
Der Pharmasektor liegt klar über dem Vor-Pandemie-Niveau
Durch die Pandemie ist die Pharmabranche stärker in den Fokus der Bevölkerung gerückt. Dank der Erfolge in der Impfstoff-Entwicklung konnte die Branche einen klaren Image-Gewinn verzeichnen. Allerdings ist der momentan wieder leicht rückläufig: Aktuell bezeichnen 31 Prozent Pharmakonzerne als innovative Unternehmen, die mit ihren Produkten Krankheiten heilen. Zum Vergleich: Im ersten Pandemiejahr 2020 lag dieser Wert bei 35 Prozent. Gleichzeitig gelten für 55 Prozent Pharmaunternehmen als Gewinnmaximierer, die zu Lasten der Sozialkassen wirtschaften. „Wir stellen fest, dass die Werte noch immer über dem Vor-Pandemie-Niveau liegen. Allerdings hat die Pharmabranche die Chancen der Pandemie ebenso wenig genutzt, um Vertrauen aufzubauen und die eigene Innovationskraft herauszustellen, wie die übrigen Bereiche des Gesundheitssektors“, so Michael Burkhart.
Datenspeicherung unter bestimmten Voraussetzungen akzeptiert
Auch die elektronische Datenspeicherung kann einen wesentlichen Beitrag zur Innovation im Gesundheitswesen leisten und die Versorgung voranbringen. Diese Chance sehen die Bürger:innen durchaus. Unter bestimmten Bedingungen stimmen sie daher der Speicherung ihrer persönlichen Daten zu, etwa dann, wenn sich dadurch Beitragssätze reduzieren lassen (85 Prozent), die durchschnittliche Lebenserwartung durch eine bessere Versorgung steigt (84 Prozent) oder die Schließung eines Krankenhauses sich vermeiden lässt (80 Prozent). „Ich finde es ermutigend, dass die Bevölkerung der Datenspeicherung aufgeschlossen gegenübersteht. „Die Ergebnisse zeigen aber, dass die Politik noch weit stärker als bisher über den Nutzen der Digitalisierung aufklären muss“, sagt Michael Burkhart.
Finanzinvestoren sollen das Gesundheitswesen voranbringen
Ebenso vorsichtig aufgeschlossen zeigen sich die Deutschen, wenn es um Gelder von Finanzinvestor:innen geht. Während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erklärt hat, den Aufkauf von Praxen durch private Investor:innen untersagen zu wollen, können sich drei Viertel der Bürger:innen eine Beteiligung durchaus vorstellen. Damit sind allerdings Erwartungen verbunden: Private Finanzinvestor:innen sollen dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu verbessern. „Das ist aus meiner Sicht kein Freifahrtschein, sondern die klare Aufforderung an die Politik, die Beteiligung aktiv zu steuern“, kommentiert Michael Burkhart.
Die Bedeutung von Nachhaltigkeit wird stark unterschätzt
Anders als die Debatten in der deutschen Gesundheitspolitik scheint die Bedeutung von Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen bei der Bevölkerung noch nicht angekommen zu sein. Der Gesundheitssektor ist mit rund fünf Prozent für einen erheblichen Anteil der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich, doch nur rund ein Drittel der Befragten kann das richtig einschätzen. Vom Krankenhaussektor, der zu den größten Produzenten von Treibhausgasen gehört, verlangen lediglich vier Prozent, dass dieser mehr in Nachhaltigkeit investiert. „Diese Zahlen haben mich sehr überrascht. Sie zeigen mir, dass die Gesundheitspolitik beim Thema ESG (Environmental Social Governance) noch mehr Aufklärungsarbeit leisten muss. Auch die anstehende Krankenhausreform ist ohne eine nachhaltige Ausrichtung nicht denkbar“, bilanziert Michael Burkhart.
Die gesamte Studie finden Sie hier.
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