Berlin (ots)
- PFAS stecken in unzähligen Produkten trotz sicherer Alternativen
- Die Belastung der Umwelt und des Menschen mit PFAS nimmt stetig zu
- EU-PFAS-Beschränkung muss zügig umgesetzt werden
Die regelmäßige Verwendung von Zahnseide wird als ergänzende Hygienemaßnahme von den meisten Zahnärzt*innen empfohlen. Zahnseide soll reißfest sein und zugleich geschmeidig durch die Zahnzwischenräume gleiten. Ein sensibles Terrain, wo nur Materialien in Frage kommen, die für Gesundheit und Natur unbedenklich sind, sollte man meinen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wollte es genauer wissen und hat im vergangenen Sommer ein unabhängiges Labor mit einem Test beauftragt.
Insgesamt fällt dieser aktuell veröffentlichte ToxFox-Produktcheck recht erfreulich aus: Fünf von den sieben untersuchten Zahnseide-Produkten bestehen aus unbedenklichen Materialien. Zwei weitere Produkte wurden jedoch aus per- und polyfluorierten Alkylverbindungen, kurz PFAS, hergestellt. PFAS sind eine Gruppe von mittlerweile über 10.000 synthetischen und extrem langlebigen „Ewigkeits-Chemikalien“, die Jahrhunderte in der Umwelt überdauern und bereits jetzt auf der ganzen Welt und im menschlichen Körper gefunden werden.
Antje von Broock, BUND-Geschäftsführerin: „Bei Produkten wie Zahnseide setzt jede und jeder von uns eigentlich voraus, dass unbedenkliche Materialien verwendet werden. Die meisten Hersteller tun das, das ist sehr gut. Damit zeigen sie, dass es sichere Alternativen gibt. Umso unverständlicher ist es, dass zwei von sieben Produzenten PFAS einsetzen. Ohne Not und anscheinend ohne Bedenken werden hoch problematische Chemikalien eingesetzt. Das gilt auch für andere Produktsparten. Für uns Menschen und die Natur sind sie ein schwerwiegendes Umwelt- und Gesundheitsproblem.“
Der BUND ließ stichprobenartig sieben verschiedene Zahnseide-Produkte auf insgesamt 61 PFAS testen und befragte gleichzeitig die Hersteller zu den verwendeten Inhaltsstoffen. Fünf der sieben getesteten Produkte enthielten laut Labortest und Herstellerangaben keine PFAS. Die beiden anderen hingegen, bestehen aus dem Polymer Polytetrafluorethylen (PTFE), einer kunststoffartigen PFAS-Verbindung, bekannt unter Markennamen wie „Teflon“. Auch wenn von PTFE kein direktes Gesundheitsrisiko ausgeht, kann es Rückstände von giftigen PFAS wie PFOA enthalten, die auch schon bei der Herstellung von PTFE Wasser und Böden kontaminieren.
Besorgniserregend ist, dass im Zahnband der Eigenmarke der Drogeriemarktkette Budni dem PFAS-Polymer PTFE die giftige Perfluoroctansäure (PFOA) nachgewiesen wurde. PFOA ist in der EU wegen seiner gesundheitsschädlichen Eigenschaften bereits weitgehend verboten. Der Stoff wurde lange Zeit unter anderem zur Herstellung von PTFE eingesetzt. Die allermeisten der rund 10.000 PFAS-Einzelverbindungen auf dem Markt, sind jedoch wenig untersucht und nicht reguliert.
Die gemessene PFOA-Konzentration liegt zwar deutlich unter dem gesetzlichen Grenzwert, zeigt aber, dass Rückstände von gefährlichen PFAS, die zur Herstellung von Polymeren eingesetzt werden, im Endprodukt landen und die Umwelt weiter belasten können. Am zweiten Zahnband aus PTFE, einer Eigenmarke der Drogeriemarktkette dm, wurden keine Rückstände von PFOA oder anderen kurzkettigen PFAS gefunden. Sie gelangen aber bei der Herstellung von PTFE und später bei der Müllverbrennung in die Umwelt.
Von Broock: „Dass verbrauchernahe Produkte wie Zahnseide noch PFAS enthalten, hat uns alarmiert. Die Drogeriemarktkette dm hat eine Umstellung in der Produktion in Aussicht gestellt. Das macht uns Hoffnung und sollte der Weg sein, den die gesamte Branche einschlägt. Und auch die Politik muss reagieren. PFAS sind nicht nur irgendwelche Chemikalien, die wir so nutzen. Sie sind ein ernstes und langfristiges Problem. Der BUND fordert bis 2025 für die gesamte PFAS-Chemikaliengruppe ein Verbot in sensiblen Alltagsprodukten wie Textilien, Lebensmittelverpackungen und Kosmetika. Bis 2030 muss der weitgehende Ausstieg aus Produktion und Verwendung dieser gefährlichen Stoffe per Gesetz auf den Weg gebracht werden. Der PFAS-Beschränkungsvorschlag* von Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Schweden ist hierzu eine gute Richtschnur.“
* https://echa.europa.eu/de/-/echa-publishes-pfas-restriction-proposal
Hinweis:
Zu dieser Presseaussendung haben wir umfangreiches Audio-Material produziert, das wir Ihnen gerne zur Verfügung stellen.
Hintergrund:
PFAS haben eine gemeinsame Eigenschaft: Sie sind extrem langlebig und verbleiben über Jahrhunderte in der Umwelt. Sie reichern sich im Grundwasser, im Boden, in Pflanzen, Tieren und in unserem Körper an. Einige PFAS sind extrem mobil und finden sich inzwischen in der Arktis ebenso wie in den Hochlagen des Himalaja-Gebirges.
Schätzungsweise über 10.000 PFAS-Verbindungen sind aktuell auf dem Markt, die meisten davon sind wenig bis gar nicht auf ihre umwelt- und gesundheitsschädlichen Eigenschaften untersucht und somit nicht gesetzlich reguliert. Sie werden wegen ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften und Hitzebeständigkeit in unzähligen Alltagsprodukten eingesetzt. Die bekanntesten sind wetterfeste Kleidung und antihaftbeschichtetes Küchengeschirr (Teflon). Aber auch in vielen anderen Produkten, wie Kosmetika, Zahnseide, Kletterseile oder Skiwachs werden PFAS unnötigerweise eingesetzt.
Bereits bei ihrer Herstellung, während des Gebrauchs und bei der Entsorgung behandelter Produkte, können PFAS abgegeben werden. Dadurch steigen die Konzentrationen in der Umwelt stetig an. Studien wiesen sie im Blut aller Kinder nach, die sie bereits als Säuglinge mit der Muttermilch aufnehmen. Eine Studie des Bundesumweltamtes ermittelte bei 20 Prozent der untersuchten Kinder und Jugendlichen Blutwerte, die ernste gesundheitliche Folgen haben können. Dazu gehören Schilddrüsenerkrankungen, Leberschäden, Diabetes, Brust-, Nieren- und Hodenkrebs sowie eine verringerte Reaktion auf Routineimpfungen.
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