Nach einer Studie der Organisation HateAid sind 91 Prozent der jungen Erwachsenen in Europa bereits mehrmals Zeuge von Hass und Hetze im Internet geworden. Jede zweite Person im Alter von 18 bis 35 Jahren war sogar schon persönlich von digitaler Gewalt betroffen. Das geplante europäische Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA), das diese Woche im Europäischen Parlament beraten wird, soll helfen, so etwas künftig zu verhindern oder schnell einschreiten zu können. Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach begrüßt das Vorhaben, stellt aber ergänzend klare Forderungen: „Wir müssen die Internetriesen bändigen! Die geplante Regulierung ist ein wichtiger und überfälliger Schritt. Wir haben uns frühzeitig aktiv in die Ausgestaltung des Gesetzentwurfes eingebracht und schon viel erreicht. So sieht der Gesetzentwurf nun etwa Schutzmaßnahmen für die Entfernung illegaler Inhalte, die Pflicht für Plattformen zur benutzerfreundlichen Kommunikation sowie die Verpflichtung für Online-Plattformen vor, die Funktionsweise ihrer Algorithmen transparent zu machen. Das Gesetz muss aber von Anfang an auch schlagkräftig sein, sonst läuft es Gefahr, zu einem Papiertiger zu werden.“
Konkret fordert Gerlach hier die Festschreibung klar definierter Löschfristen für Inhalte mit Hass oder Hetze im Netz. Ähnlich wie beim deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) müsse auch beim DSA klar geregelt sein, innerhalb welcher Zeit die Internetkonzerne verpflichtet sind, rechtswidrige Inhalte aus dem Netz zu nehmen. Zudem sollten die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, über nationale Beschwerdestelle ihr Anliegen in deutscher Sprache dem jeweiligen Internetkonzern mitzuteilen. Um die Jugendschutzbestimmungen stärker zu berücksichtigen, schlägt die Digitalministerin die verpflichtende Einführung eines Jugendschutz-Cockpits für Eltern vor. Damit könnten über Einstellungen in der Zugangssoftware der Online-Plattformen bestimmte Filtereinstellungen gesetzt werden. Dazu erklärt Gerlach: „Eltern möchten wissen, mit welchen Inhalten ihre Kinder im Netz konfrontiert werden. Und sie möchten entsprechende Vorkehrungen treffen. Squid Game hat auf dem Schulhof nichts verloren und sollte Kindern auch nicht auf sozialen Netzwerken begegnen.“ Um gefährliche Echokammern offenzulegen, fordert Gerlach, jedem Plattformnutzer transparent zu machen, was mit den über ihn generierten Daten passiert.
Mit Blick auf die Vorkommnisse beim Messenger-Dienst Telegram hält die Ministerin einen weiteren Punkt für entscheidend: „Wir sehen derzeit, dass wir nicht in erster Linie ein Regelungs-, sondern ein Vollzugsdefizit haben. Obwohl der in Dubai ansässige Messenger-Dienst Telegram rechtlich in den Anwendungsbereich des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes fällt, sind wir nicht einmal in der Lage, bei Verstoß einen Bußgeldbescheid zuzustellen. Die besten Regelungen bringen uns also nichts, wenn wir sie nicht durchsetzen können.“ Diese Erfahrungen müssten bei der Ausgestaltung des DSA unbedingt berücksichtigt werden. Bislang sei noch nicht einmal klar, welcher Mitgliedsstaat für den Vollzug zuständig sein wird.
Titel Bilder: Symbolbilder Bayern by Pixabay.com