Wertheim wird Standort einer Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (LEA). Sie soll Mitte Oktober im Areal der Polizeiakademie im Stadtteil Reinhardshof in Betrieb gehen. Träger der Einrichtung wird das Regierungspräsidium Stuttgart sein, es arbeitet mit Hochdruck an der Schaffung der notwendigen Infrastruktur. Zur Information von Gemeinderat und Bürgerschaft hat Oberbürgermeister Stefan Mikulicz für Donnerstag, 3. September, um 17 Uhr in der Aula Alte Steige eine Gemeinderatssitzung anberaumt. Vertreter des Regierungspräsidiums und des Integrationsministeriums werden über den Stand der Vorbereitungen und den geplanten Betrieb der LEA berichten. Die Gemeinderatssitzung ist mit einer Bürgerfragestunde verbunden.
Zu den vielen Aspekten, die die Aufnahme von Flüchtlingen umfasst, hat die Stadt Wertheim folgende Basisinformationen zusammen gestellt:
Was ist eine LEA?
Die künftige Einrichtung in Wertheim ist die erste Stufe des dreigliedrigen baden-württembergischen Systems der Flüchtlingsunterbringung. In den Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA), die von den Regierungspräsidien betrieben werden, registrieren die Mitarbeiter die Flüchtlinge und untersuchen sie auf Krankheiten. Eine Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), auch in Wertheim Teil der LEA, nimmt die Asylanträge entgegen und hört die Flüchtlinge an. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der LEA liegt nach Angaben des Integrationsministeriums derzeit bei etwa sechs Wochen. Sie soll durch Erhöhung der Zahl der LEA-Standorte und durch Beschleunigung der Verfahren verkürzt werden.
Derzeit gibt es in Baden-Württemberg 9.000 Erstaufnahmeplätze. Die Kapazität soll landesweit durch zusätzliche Standorte auf rund 20.000 Plätze im nächsten Jahr hochgefahren werden. Die zentrale Landeserstaufnahmeeinrichtung ist in Karlsruhe. Seit Oktober 2014 ist die LEA Meßstetten in Betrieb, seit April 2015 die LEA Ellwangen. Mitte Oktober soll Wertheim starten. Weitere Standorte werden derzeit vorbereitet oder geprüft.
Welche Leistungen erhalten die Flüchtlinge?
Wer als Flüchtling in einer LEA untergebracht ist, erhält hier Sachleistungen in Form von Essen, Kleidung und Artikeln des täglichen Bedarfs. Daneben gibt es 143 Euro im Monat Taschengeld für eine Einzelperson. Für Partner sind es 126 Euro, für Kinder je nach Alter 82 bis 90 Euro. Geregelt werden diese Leistungen durch das Asylbewerberleistungsgesetz. Sach- und Geldleistungen zusammen gerechnet ergeben einen Gesamtbetrag, der nur leicht unter dem Hartz-IV-Satz liegt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung 2012 so festgelegt.
Wie geht das Verfahren nach der LEA weiter?
Wenn die Flüchtlinge das Aufnahme- und Anhörungsverfahren in der LEA durchlaufen haben, folgt Stufe 2: Die Behörden teilen die Flüchtlinge den Städten und Landkreisen zur vorläufigen Unterbringung zu. Maßgeblich ist ein Bevölkerungsschlüssel. In der vorläufigen Unterbringung – in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften – bleiben die Flüchtlinge bis zum Ende des Asylverfahrens – längstens zwei Jahre. In Wertheim wird es keine vorläufige Unterbringung geben. „Als LEA-Standort bleibt die Stadt außen vor,“ so die Zusicherung von Landrat Frank.
In Stufe 3 werden die Flüchtlinge innerhalb des Landkreises in die sogenannte Anschlussunterbringung auf die Städte und Gemeinden im Landkreis verteilt.
Aus welchen Ländern kommen die Flüchtlinge?
Die Bundesregierung geht in ihrer aktuellen Prognose von bis zu 800.000 Flüchtlingen in diesem Jahr aus. Statistisch erfasst wurden von Januar bis Juli bundesweit 195.723 Erstanträge, so die Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Unter den Hauptherkunftsländern steht an erster Stelle Syrien mit einem Anteil von 21,5 Prozent. Den zweiten Platz nimmt der Kosovo mit einem Anteil von 15,3 Prozent ein, den dritten Platz Albanien mit 15 Prozent. Es folgen Serbien (5,9), Irak (5,4), Afghanistan (5,2), Mazedonien (2,8), Eritrea (2,5), Nigeria und Pakistan (jeweils 1,7). Diese Nationalitäten spiegeln sich auch in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen wieder.
Auf politischer Ebene werden verschiedene Modelle diskutiert, die auf die künftige Besetzung der Landeserstaufnahmeeinrichtungen Einfluss haben werden. Dazu gehören zum Beispiel die Ausweitung der sogenannten sicheren Herkunftsländer, die Beschleunigung der Verfahren für Flüchtlinge vom Balkan oder auch die sofortige Verteilung syrischer Flüchtlinge in die vorläufige Unterbringung der Landkreise und Kommunen.
Wieviele Plätze wird die LEA Wertheim haben?
Dazu hat das Regierungspräsidium Stuttgart als künftiger Betreiber der LEA Wertheim noch keine Festlegung getroffen. Regierungspräsident Johannes Schmalzl sprach bei einem Pressetermin am 3. August in Wertheim von 500 bis 1.000 Menschen. Die genaue Größe hängt aber von vielen Faktoren ab: Was ist baulich machbar? Was ist für die Stadt und das Umfeld angemessen? Welche „Überlaufventile“ gibt es im Notfall? Diese und andere Faktoren behält das Regierungspräsidium in der weiteren Vorbereitung der LEA Wertheim im Blick.
Wie wird der LEA-Betrieb vorbereitet?
Die Nutzung der Polizeiakademie Wertheim als Landeserstaufnahmeeinrichtung wird von einer Arbeitsgruppe (AG) unter Federführung des Regierungspräsidiums Stuttgart vorbereitet. Die AG hat am 19. August erstmals getagt und kommt in kurzem Takt – etwa alle zehn Tage – zusammen. In der AG arbeiten alle Behörden und Dienststellen zusammen, die Aufgaben in der künftigen LEA übernehmen: Regierungspräsidium und Integrationsministerium, Vermögen- und Bauamt Heilbronn, Polizei, Landkreis (Gesundheitsamt), Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Stadt Wertheim, Freie Wohlfahrtsverbände, private Dienstleister.
Aufgabe der AG ist es, eine gut funktionierende Infrastruktur für die LEA Wertheim aufzubauen. Dazu gehören unter anderem: Belegungsplan und Raumkonzept, Verwaltung, Unterbringung und Verpflegung, Sozial- und Verfahrensberatung, Sicherheitskonzept, Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung. Für die unterschiedlichen Aufgabenbereiche wurden bereits zahlreiche Stellenausschreibungen veröffentlicht. In der LEA Wertheim werden voraussichtlich rund 130 Personen tätig sein.
Stadtverwaltung Wertheim