Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.
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Lebensmittel schon vor dem Container retten
Wie viel bringt es, das Containern nicht mehr zu bestrafen? Effektiver wäre es, am Anfang des Lebensmittelsystems anzusetzen und nicht am Ende, sagt Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale NRW anlässlich der Grünen Woche in Berlin.
Das „Retten“ noch verzehrbarer Lebensmittel aus Abfallbehältern zum Eigenbedarf, das sogenannte Containern, soll in den meisten Fällen nicht mehr bestraft werden. Diese Initiative der Bundesminister für Landwirtschaft und für Justiz macht Schlagzeilen. Nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW kann das aber nur ein erster Schritt sein: „Insgesamt brauchen wir ein ressourcensparendes Lebensmittelsystem, also weniger Überproduktion und Überangebot“, unterstreicht Bernhard Burdick, Lebensmittelexperte und Leiter der Gruppe Markt und Konsum bei der Verbraucherzentrale NRW. Im Interview erläutert er, was sich ändern müsste.
Was würde Lebensmittelabfälle am besten reduzieren?
Die von Supermärkten entsorgten Lebensmittel stehen am Ende der Kette – viel sinnvoller wäre es, die Lebensmittelabfälle würden gar nicht erst entstehen. Stattdessen sollte der Handel Lebensmittel rechtzeitig spenden und die Tafeln stärken. Zudem hat Deutschland noch kein ressourcensparendes Lebensmittelsystem: Erhebliche Überproduktion und Überangebot sind an der Tagesordnung. Sehen Obst oder Gemüse mal nicht super aus, kommen sie gar nicht erst in den Handel, sondern werden gleich in der Landwirtschaft aussortiert oder untergepflügt. Das sind viele vergeudete Ressourcen, die wir uns in Zeiten des Klimawandels und hoher Energiepreise nicht leisten können.
Welche Rolle spielt das Mindesthaltbarkeitsdatum?
Wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist, möchte der Handel Lebensmittel entsorgen, da mit Erreichen des Datums die Haftung für die Lebensmittel vom Hersteller auf den Handel übergeht. Grundsätzlich können Lebensmittel auch nach Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums verkauft werden. Dafür müssten die Lebensmittel geprüft und entsprechend für die Verbraucher:innen kennzeichnen werden. Es wäre wünschenswert, wenn mehr Läden Lebensmittel preisreduziert sowohl kurz vor wie auch nach Ablauf des MHD anbieten würden.
Wie groß ist der Anteil der Supermärkte an weggeworfenen Lebensmitteln?
Auf den ersten Blick sind die Abfallmengen des Handels mit 800.000 Tonnen pro Jahr relativ gering, denn der größere Teil der Lebensmittelabfälle entsteht mit gut sechs Millionen Tonnen in privaten Haushalten. Aber man muss berücksichtigen, dass der Handel aussortierte und übrig gebliebene Lebensmitteln an die Tafeln abgibt. Das sind bundesweit weitere ca. 200.000 Tonnen pro Jahr. Wegen hoher Qualitätsanforderungen des Handels – wenn die Möhre nicht ganz gerade oder der Apfel einen Fleck hat – wird in der Landwirtschaft viel Obst und Gemüse aussortiert. Wenn Lebensmittel an Hersteller zurückgegeben werden oder bei der Anlieferung gar nicht erst angenommen werden, tauchen diese nicht in der Statistik des Handels auf.
Welche konkrete Folge hätte der Vorschlag der beiden Minister?
Wenn man ins Detail schaut, bezieht sich die Straffreiheit nur auf die Entnahme der entsorgten Lebensmittel aus den Mülltonnen oder Containern. Also was bisher als Diebstahl galt, soll nun straffrei gestellt werden. Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung kann jedoch weiterhin bestraft werden, wenn man sich Zugang zu abgeschlossenen Geländen, Toren und Tonnen verschafft und beispielsweise Schlösser aufbricht. Die Gerichte haben es bei Anzeigen wegen Diebstahls jetzt schon überwiegend bei Geldstrafen oder Sozialstunden belassen. Die Initiative könnte sogar kontraproduktiv wirken, denn der Handel lehnt die Legalisierung des Containerns ab und hat angekündigt, seine Container und Grundstücke noch besser zu sichern oder gar Presscontainer zu verwenden, um den Zugang zu entsorgten Lebensmitteln zu verhindern.
Weiterführende Infos und Links:
Mehr auf unserer Themenseite „Genießen statt Wegwerfen:
Lebensmittelverschwendung stoppen“ unter: www.verbraucherzentrale.nrw/node/58985
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