Bauingenieurin Hanna Kuznetsova – Aus dem Kriegsgebiet in eine neue Zukunft
„Das waren die ersten Türen, an die ich geklopft habe und die sich geöffnet haben“, erzählt Hanna Kuznetsova über den Beginn ihrer Karriere beim Landratsamt Main-Tauber-Kreis. Nachdem sich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine immer weiter verschärfte, entschied sie sich im Frühjahr 2022 dafür, aus ihrem Heimatland zu fliehen und sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Anfang dieses Jahres begann sie ihre Tätigkeit als Bauingenieurin beim Straßenbauamt Main-Tauber-Kreis und hat als Ziel, sich beruflich noch weiterentwickeln zu können.
Von heute auf morgen wurde ihr Leben auf den Kopf gestellt: Sie musste sowohl lernen, ihren Alltag völlig neu zu gestalten als auch die bestehende Sprachbarriere zu überwinden. Trotz dieser großen Herausforderungen schaffte sie es schließlich, sich vollständig in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Amtsleiter Markus Metz bezeichnet sie als große Bereicherung für das Straßenbauamt in Tauberbischofsheim.
Schon immer sei sie ein großer Fan von Berufen in der Baubranche gewesen, berichtet Hanna Kuznetsova. Angefangen hat dies bereits damit, dass ihre Mutter als Architektin arbeitete, was ihr Interesse an dieser Berufsrichtung nochmals verstärkte. „Es hat mir immer gefallen, was sie macht. Ich bin aber eher technisch begabt, weshalb ich mich damals für das Ingenieurwesen entschieden habe“, erinnert sich Hanna Kuznetsova. Im Jahr 2006 absolvierte sie schließlich erfolgreich ihr Studium zur Diplom-Bauingenieurin mit der Fachrichtung „Industrie- und Zivilbauwesen“ in der Ukraine. Bis 2015 übte sie ihren Beruf beim Institut für den Bau von Eisenbahnen und Straßen, Wohnungen und zivilen Einrichtungen aus, bevor sie noch einige Jahre im Finanzbereich tätig war.
Nachdem die Ukrainerin ihr Leben in ihrer Heimat aufgeben musste und nach Deutschland geflohen ist, stand für sie fest, dass sie hier ihrer Leidenschaft als Bauingenieurin so bald wie möglich wieder nachkommen wollte. Deshalb besuchte sie im Sommer 2022 einen Berufsinformationstag und stieß dabei auf den Stand des Landratsamtes. Nach einem Gespräch mit den zuständigen Personen bekam sie die Möglichkeit, ein freiwilliges Praktikum machen zu können, um erste Einblicke zu erhalten.
Eine Hürde, die es erst noch zu bewältigen galt, war die Anerkennung ihrer Studienabschlüsse aus der Ukraine. Schlussendlich wurde ihr Bachelor im Oktober 2023 von der Ingenieurkammer Baden-Württemberg anerkannt und die Kosten dafür übernommen, was sie ihrer beruflichen Zukunft ein großes Stück näherbrachte. Einziges Hindernis, was bis jetzt nicht überwindbar war, ist die Anerkennung ihres auf den Bachelor aufbauenden Spezialisten-Diploms. Nach einem gelungenen Praktikum reichte glücklicherweise die Beglaubigung ihres Bachelor-Diploms aus, um sich auf die ausgeschriebene Stelle zu bewerben. Diese war allerdings zunächst bis Dezember 2024 befristet, da das Straßenbauamt ursprünglich lediglich eine Krankheitsvertretung suchte. Dennoch hatte Hanna Kuznetsova ab diesem Zeitpunkt wieder eine neue Perspektive und konnte hoffnungsvoll in die Zukunft schauen.
„Ich schätze die Chance sehr, hier in Deutschland neu anfangen zu können. Jeder Mensch will doch ein sicheres und normales Leben haben, und genau diese Möglichkeit, habe ich hier bekommen“, sagt die 41-Jährige dankbar über ihren bisherigen Weg. Um sich noch besser in die Gesellschaft und die Arbeitswelt hier integrieren zu können, nimmt sie an einem geförderten Deutschkurs teil, um die Sprache möglichst schnell zu lernen. Markus Metz, Leiter des Straßenbauamtes, merkt an, dass es bewundernswert ist, wie schnell sie neue Dinge aufnimmt und sofort versucht, mit ihrem Umfeld in einer für sie völlig neuen Sprache zu kommunizieren. „Ihre Lernbereitschaft ist riesig, sie macht ihre Arbeit wirklich gut, eine nennenswerte Einarbeitung war gar nicht erst notwendig“, fährt ihr Vorgesetzter fort. Für ihren Ehrgeiz und ihr Talent als Bauingenieurin wurde sie letztlich mit einer unbefristeten Festanstellung ab Januar 2025 belohnt, als sich im Straßenbauamt entsprechender Personalbedarf ergab.
„Es freut uns sehr, dass wir Hanna Kuznetsova jetzt mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag an Bord haben. Das zeigt auch, dass Frauen in technischen Berufen bei uns eine Zukunft und eine hervorragende Perspektive haben“, erklärt Landrat Christoph Schauder. Obwohl die Berufswelt sich aktuell in einem großen Wandel befinde, sei das Bauingenieurwesen immer noch ein stark männerdominierter Sektor. Für Hanna Kuznetsova spielt das jedoch keine große Rolle. „Wenn du verantwortungsbewusst und kommunikativ bist, wenn du versuchst, dein Bestes zu geben, wenn du versuchst, gut zusammenzuarbeiten, dann wird alles gut“, sagt sie. Weiter erklärt sie, dass die Arbeit ihr großen Spaß mache, weil sie immer abwechslungsreich und interessant sei.
Dass sie Freude an ihrer Arbeit hat, merkt man an den Projekten, an denen sie bereits mitgewirkt hat. Laut Markus Metz hat sie in dieser kurzen Zeit schon fünf Deckenmaßnahmen zur großen Zufriedenheit ihrer Kollegen abgewickelt, weshalb es ihn umso mehr freut, sie ab Januar als festen Bestandteil im Team zu wissen. Hanna Kuznetsova ist selbst sehr glücklich darüber, dass sie diese Gelegenheit bekommen hat und von Anfang an so gut in ihr neues Team, beziehungsweise in ihr gesamtes neues Umfeld und die Arbeitswelt, integriert wurde. Sie gibt ehrlich zu, dass es kein leichter Weg war, dorthin zu kommen, wo sie jetzt steht. „Es ist kein Vergnügen, alles zurückzulassen und zu fliehen, das war eine große Herausforderung“, schildert Hanna Kuznetsova. Auch wenn das Grundprinzip ihrer Tätigkeit in der Ukraine das gleiche sei wie hier, sei dennoch vieles nur durch die gute Unterstützung ihrer Kollegen möglich gewesen, wofür sie sehr dankbar ist. Diese Anerkennung und Zusammenarbeit schätzt sie sehr.
Aktuell wohnt die Bauingenieurin mit ihrer Familie in Wertheim. Auch wenn sie jetzt geschafft hat, sich ein neues Leben in Deutschland aufzubauen, beeinflussen sie die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine dennoch sehr. Doch Wut oder Verzweiflung helfe in dieser Situation nicht weiter. Ihrer Meinung nach ist es ungewiss, wie die Zukunft in ihrem Heimatland aussehen wird. Bemerkenswert ist ihr Optimismus und ihr Mut, den sie auch in schweren Zeiten nie verloren hat. So gibt sie allen Menschen, die sich auch mal in solch einer Situation wie ihrer befinden sollten oder dies aktuell sogar sind, mit auf den Weg, dass man mutig und zielorientiert sein muss. „Man muss in Kauf nehmen, dass es beängstigend ist oder es sprachlich einige Hindernisse gibt, aber da ist die einzige Option durchzuhalten und diese zu überwinden. Aus meiner Sicht gibt es keinen anderen Weg“, erzählt sie aus ihrer eigenen Erfahrung und möchte somit andere darin bestärken, ihre Ziele zu verfolgen.
Insgesamt hat Hanna Kuznetsova es geschafft, sich nach kurzer Zeit schnell in einem ganz neuen und für sie fremden Land zurecht zu finden. Der Ehrgeiz, den sie mitgebracht hat, hat sie dort hingebracht, wo sie heute steht. Außerdem betont sie auch, wie dankbar sie Deutschland ist, und nimmt die Unterstützung, die sie bekommen hat, nicht als selbstverständlich wahr. „Ich bin Deutschland dankbar, dass mir in den schweren Zeiten geholfen wurde und sehr froh darüber, die Möglichkeit zu haben, jetzt etwas für die Allgemeinheit zurückgeben zu können“, fasst Hanna Kuznetsova zusammen und zeigt damit, dass sie zukünftig noch viele große Projekte planen und umsetzen möchte.
Hinweis:
Die Autorin, Luisa Merz, hat ein Praktikum zur Berufsorientierung im Landratsamt Main-Tauber-Kreis absolviert.
https://blaulicht-deutschland.de/vermisst-rebecca-reusch-wer-hat-die-15-jaehrige-zuletzt-gesehen-oder-kann-hinweise-geben/