Um ein Lagebild über die Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst zu erhalten, hat das Land eine digitale Meldeplattform entwickelt. Mit der Plattform können künftig differenziert Gewaltvorfälle erhoben und zielgerichtete Präventionsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden.
„Rund 600.000 Menschen leisten in Baden-Württemberg im öffentlichen Dienst täglich einen wichtigen Beitrag für unser Gemeinwesen. Sie sorgen für unsere Sicherheit, pflegen die Kranken und Hilfsbedürftigen, betreuen unsere Kinder und Jugendlichen, helfen in Notfällen und schaffen Rahmenbedingungen für Arbeitsplätze und Wohlstand. Dem steht seit einiger Zeit eine andere, negative Entwicklung entgegen: Den Beschäftigten im öffentlichen Dienst schlagen viel zu oft Aggressionen, Hass, Hetze und schlimmstenfalls sogar Gewalt entgegen. Dem müssen wir uns mit aller Konsequenz entgegenstellen, mit allem, was wir haben. Deshalb haben wir mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erstmals ein ‚Lagebildinstrument zu Gewalterfahrungen von Beschäftigten im öffentlichen Dienst‘ (InGe), entwickelt. Damit können wir künftig differenziert Gewaltvorfälle erheben und zielgerichtete Präventionsmaßnahmen entwickeln und umsetzen“, so Innenminister Thomas Strobl in seiner Rede anlässlich der Ergebnisvorstellung zum Forschungsprojekt InGe im Innenministerium in Stuttgart.
Umfassendes Lagebild zu physischer und psychischer Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst
Mit der Entwicklung von InGe können wir erstmals ein umfassendes Lagebild zu physischer und psychischer Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst erstellen. Strafbare Handlungen konnten zwar bisher durch die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) quantitativ erhoben werden, darüberhinausgehende Details zu den Fallzahlen wurden jedoch bislang nicht erfasst. Dieses neue, softwaregestützte Instrument macht es möglich, Gewaltvorfälle im öffentlichen Dienst schnell und unkompliziert zu erfassen, zu analysieren und Problemschwerpunkte als solche präventiv zu identifizieren.
Das im November 2022 gebildete wissenschaftliche Verbundprojekt InGe hat nun eine einheitliche und nutzerfreundliche elektronische Meldeplattform entwickelt. Der Prototyp wurde während einer achtwöchigen Feldphase von Mai bis Juli 2024 in zwei Kommunen Baden-Württembergs (Offenburg, Ostalbkreis) auf Anwenderfreundlichkeit und Praktikabilität erfolgreich getestet. Im nächsten Schritt soll der Rollout und damit die Umsetzung in der Fläche erfolgen.
Flankierend dazu wurde auch eine Präventionsdatenbank für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst entwickelt. Sie enthält über 80 Maßnahmen, die Anwenderinnen und Anwender nach verschiedenen Aspekten filtern können, darunter Gewaltform, Beruf, Zielrichtung und Wirkung. Die Datenbank wird mit Projektende (30. September 2024) öffentlich über die Projekthomepage zugänglich sein. Langfristig soll sie um weitere Maßnahmen ergänzt und mit dem Meldeinstrument verknüpft werden.
„Mit dem Forschungsprojekt haben wir Pionierarbeit geleistet – das zeigen bereits erste Anfragen aus anderen Ländern, die sich an unserem Lagebildinstrument orientieren wollen. Ziel aller beteiligten Partner war dabei immer, diejenigen zu schützen, die uns schützen. Deshalb geht die Arbeit auch weiter, das ist eine Daueraufgabe, hier sind wir noch lange nicht am Ziel. Das werden und müssen wir alle weiter entschlossen anpacken“, unterstrich der Innenminister den Wert des Projektes.
Polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet weiteren Anstieg der Gewalt
Die veränderte Haltung gegenüber Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und die daraus resultierende zunehmende Gewaltbereitschaft spiegelt sich in den Zahlen der PKS wider. Die PKS weist für Baden-Württemberg in den letzten fünf Jahren einen deutlichen Anstieg bei der Anzahl der Opfer von Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte aus. Im vergangenen Jahr wurden 13.581 (2022: 12.614) Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte und 328 (2022: 289) Angehörige aus dem Bereich Feuerwehr und des Rettungsdienstes Opfer von Gewalt – jeweils ein neuer Höchstwert. Gleiches gilt für die Anzahl der Opfer von Gewalt unter den sonstigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die im Jahr 2023 auf einen Höchstwert von 1.525 (2022: 1.352) Opfer angestiegen ist. Hierunter fallen beispielsweise Lehrerinnen und Lehrer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Krankenhäusern, Jobcentern, Bürgerämtern oder Führerscheinstellen sowie kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung förderte das auf zwei Jahre angelegte Projekt im Rahmen der Richtlinie „Anwender-Innovativ: Forschung für die zivile Sicherheit II“ mit insgesamt rund 700.000 Euro. Geleitet wurde der Forschungsverbund von der im Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg angesiedelten Gemeinsamen Zentralstelle Kommunale Kriminalprävention. Weitere Verbundpartner sind das Centre for Security and Society der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und die Disy Informationssysteme GmbH.
Bundesministerium für Bildung und Forschung: Sicherheitsforschungsprogramm
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