Buchen. Aufgrund der schwer abzuschätzenden Entwicklung der pandemischen Lage, aber auch vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen mit der Kombination von Präsenz- und Onlineformat fand der OFIRTA – Odenwälder First Responder Tag – auch in diesem Jahr wieder als Hybridveranstaltung statt. Etwa 360 Einsatzkräfte aus mehreren Bundesländern waren für die Fortbildungsveranstaltung angemeldet, davon fast 100 vor Ort. „Gerade das gegenseitige Kennenlernen und der Austausch untereinander sind zentrales Element unserer Veranstaltung, und das geht nur eingeschränkt über die Bildschirme. Andererseits können so lange Anfahrten vermieden werden“, so Priv.-Doz. Dr. Harald Genzwürker, Sprecher der Gruppe Leitender Notärzte und Organisator des OFIRTA.
Rund um die Uhr sind First Responder, also qualifizierte Ersthelfer oder „Helfer vor Ort“ (HvO), in ihren Gemeinden einsatzbereit, um die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu überbrücken. Für diese unentbehrlichen Ersthelfer organisieren die Leitenden Notärzte in Kooperation mit dem Förderverein psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) im Neckar-Odenwald-Kreis die jährliche Fortbildung. Vorrangige Zielsetzung der Veranstaltung ist es, durch gemeinsames Lernen und den Austausch zwischen verschiedenen Fachdiensten die Zusammenarbeit bei der Notfallversorgung immer weiter zu optimieren. Dank der Unterstützung von Sponsoren kann diese Veranstaltung seit der ersten Auflage im Jahr 2011 kostenlos angeboten werden.
Landrat Dr. Achim Brötel dankte als Schirmherr der Veranstaltung den engagierten Helfern für ihren ehrenamtlichen Einsatz bei zahlreichen Notfällen, aber auch im Rahmen der Pandemiebewältigung. „Auf die Blaulichtfamilie ist Verlass!“, würdigte er die Einsatzbereitschaft der verschiedenen Organisationen rund um die Uhr. Auch Bürgermeister Roland Burger freute sich über das ehrenamtliche Engagement. Als Präsident des DRK-Kreisverbandes Buchen ging er auf aktuell beschlossene Investitionen der Landesregierung in den Bevölkerungsschutz ein.
Genau um diese Thematik ging es beim ersten Vortrag von Nabila Munz, stellvertretende Abteilungsleiterin Rotkreuzdienste beim DRK Landesverband Baden-Württemberg. Unter dem Titel „Gewappnet für Katastrophen?“ stellte sie die Planungen für kritische Infrastrukturen (KRITIS) am Beispiel ihres Verbandes dar. Neben der Vorhaltung für die Versorgung der Bevölkerung hätten Risikoanalysen gezeigt, dass der Sicherstellung der eigenen Einsatzbereitschaft besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Technische Ausstattung und Spezialgeräte sind insbesondere für die Bewältigung länger andauernder Lagen notwendig, das seien auch Lehren aus dem Einsatz im Ahrtal. Die Ausbildung der Einsatzkräfte und die Vorbereitung auf die Besonderheiten des Katastropheneinsatzes spielten aber ebenfalls eine ganz besondere Rolle. Speziell für diese Situationen ausgerüstet sind die Helfer des Technischen Hilfswerks, deren Leistungsspektrum Christian Kranz als Ortsbeauftragter des THW Haßmersheim eindrücklich vorstellte. „Die fürs Grobe“, so der augenzwinkernde Titel des Beitrags, treten seit der Gründung im Jahre 1950 in erster Linie bei Großschadenslagen im In- und Ausland in Erscheinung. Bahnunglücke, Erdbeben oder Überschwemmungen sind typische Einsatzfelder der Einsatzkräfte der Bundesanstalt, die an das Innenministerium angegliedert ist und über bundeseinheitliche Strukturen verfügt. 668 Ortsverbände mit etwa 65.000 Helferinnen und Helfer, sowie annähernd 2.000 hauptamtlichen Mitarbeiter und über 8400 Fahrzeuge – die Zahlen beeindruckten die Zuhörer ebenso wie das breitgefächerte Leistungsspektrum: vom Sichern von Gebäuden über den Steg-, Gerüst- und Brückenbau, dem Räumen in Schadensgebieten, Strom- und Wasserversorgung bis hin zu Sprengungen und Unterwassererkundung hat das THW für (fast) jede Herausforderung eine Antwort.
Der zweite Themenblock widmete sich schwerpunktmäßig Themen aus dem Bereich der Rettungsdienste und Helfer vor Ort-Gruppen. Henning Waschitschek, Notfallsanitäter und Organisatorischer Leiter Rettungsdienst beim DRK-Kreisverband Mosbach gab wichtige Tipps für ersteintreffende Einsatzkräfte beim Ereignis mit mehreren Verletzten. Vor der Versorgung der Betroffenen gelte es hier vorrangig, wichtige Weichen zu stellen, damit die Leitstelle weitere notwendige Einsatzkräfte alarmieren könne. Besonderes Anliegen war ihm dabei die Positionierung der Fahrzeuge, denn ohne eine Grundordnung könne der Abtransport von Patienten erschwert oder gar verhindert werden. Anhand einer Amoklage schilderte er die große Bedeutung einer aufmerksamen Herangehensweise und einer sorgfältigen Abstimmung der verschiedenen Einsatzdienste. Über die Umsetzung eines Beschlusses aus dem Landesausschuss Rettungsdienst im Jahre 2014 berichtete anschließend Matthias Klein, Notfallsanitäter und Praxisanleiter im DRK-Kreisverband Mosbach. Die Beschaffung eines speziell für Schwerlasttransporte ausgestatteten Rettungswagens war eigentlich für jeden Rettungsdienstbereich vorgesehen, doch deckt das im Neckar-Odenwald-Kreis stationierte Fahrzeug auch Nachbarbereiche mit ab. Eine elektrische Fahrtrage mit breiterer Liegefläche erlaubt den sicheren Transport von Patienten, die in regulären Einsatzfahrzeugen überhaupt nicht oder nur unsicher transportiert werden können. Zusätzlich wurde das Fahrzeug mit einer medizinischen Zusatzausstattung für Intensivtransporte ertüchtigt, um auch hier rasch und unter Beachtung der notwendigen Standards Hilfe leisten zu können, wenn beispielsweise beatmete Patienten verlegt werden müssen.
Der dritte Vortragsblock geriet dann zur „Familienangelegenheit“ mit Vorträgen von Priv.-Doz. Dr. Harald Genzwürker, Sprecher der Leitenden Notärzte im Neckar-Odenwald-Kreis und Michael Genzwürker, Vorsitzender des Fördervereins der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) im Landkreis und seit Kurzem auch Kreisfeuerwehrverbandsvorsitzender. Notarzt Genzwürker griff ein „Herzensthema“ auf und berichtete über die zahlreichen Aktivitäten zur Verbesserung der Überlebenschancen beim Herzkreislaufstillstand. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen brauche es auf dem Weg zum herzsicheren Landkreis, wobei viele im Einklang mit internationalen Empfehlungen bereits umgesetzt seien: das Bewusstsein bei Laien schärfen durch Trainingsangebote unter anderem im Rahmen der Woche der Wiederbelebung, die Alarmierung von qualifizierten Ersthelfern über Smartphone mit der App „Mobile Retter“ sowie die Helfer vor Ort-Gruppen, die Verbreitung von Laien-Defibrillatoren (AEDs) und die Information über deren inzwischen fast 300 Standorte, die telefonische Anleitung von Ersthelfern durch die Leitstelle sind Beispiele für die vielfältigen Aktivitäten. „Das Bild der Rettungskette müsste eigentlich durch das eines Rettungsnetzes ersetzt werden“, so Genzwürker. Wichtigster Ansatzpunkt für die weitere Verbesserung der schnellen Hilfe im Notfall sei die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen durch Integration von Schulungen in den Unterricht ab Klasse 7, die bisher nur in zwei Bundesländern erfolgt sei. Die Psychosoziale Notfallversorgung im Landkreis ist ein Beispiel für die organisationsübergreifende Zusammenarbeit und wird getragen von den beiden DRK-Kreisverbänden, dem Kreisfeuerwehrverband, den evangelischen und katholischen Dekanaten und dem Landratsamt sowie dem Förderverein. Ausgehend von einem Tag, der den ehrenamtlichen Einsatzkräften der PSNV überdurchschnittlich viel abverlangte, schilderte Michael Genzwürker das Leistungsspektrum der engagierten Gruppe. Ein schwerer Verkehrsunfall mit mehreren Todesopfern, mit verletzten Ersthelfern und zahlreichen betroffenen Einsatzkräften sowie der Unterstützung der Polizei bei der Überbringung von Todesnachrichten brachte die PSNV-Kräfte an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Die Aufnahme in die Ausbildung der Führungskräfte der verschiedenen Blaulichtorganisationen wertete er als wichtigen Schritt, um Einsatzkräfte über das Hilfsangebot nach belastenden Einsätzen zu informieren. Um auch weiter leistungsfähig zu bleiben, findet im kommenden Jahr wieder eine PSNV-Grundausbildung statt, für die er abschließend warb.
Dr. Harald Genzwürker dankte allen, die in irgendeiner Weise zum Gelingen des 12. OFIRTA beigetragen haben und ermunterte die ehren- und hauptamtlichen Rettungskräfte, ihr wichtiges Engagement für die Allgemeinheit fortzusetzen. Die Mitglieder des DRK-Kreisauskunftsbüros stellten sicher, dass die Teilnehmer vor Ort und im Livestream registriert wurden und ihre Teilnahmebescheinigungen erhielten. Der Termin für den OFIRTA 2023 steht bereits fest, am 25. November wird es wieder eine Hybridveranstaltung mit Liveübertragung aus der Buchener Stadthalle geben. Eine Aufzeichnung des diesjährigen Odenwälder First Responder Tages steht unter www.ofirta.com/live zur Verfügung.
Weitere Informationen: www.ofirta.de
Quelle :neckar-odenwald-kreis.de
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