Berlin / Stuttgart, 19. Juli 2023 – PETA Deutschland e.V. und die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. (DJGT) fordern als verbandsklageberechtigte Tierschutzorganisationen im Land Berlin mehr Handhabe im Genehmigungsverfahren für Tierversuche. Jüngste Recherchen zeigen, dass hier große Lücken klaffen. Obwohl der Gesetzgeber Tierversuche nur als genehmigungsfähig einstuft, wenn es für die Beantwortung der Forschungsfrage keine Alternativmethoden gibt, zeigt sich immer wieder, dass Tierversuche in der Praxis weiter als „Goldstandard“ gelten. Forschende setzen sich teilweise vor der Beantragung eines Versuchs nur alibimäßig mit alternativer Forschung auseinander und missachten so die Vorgaben des Gesetzes weitgehend. Diese Versuche dennoch zu genehmigen, ist rechtswidrig.
„Wir sind uns bewusst, dass der Ausstieg aus Tierversuchen nicht über Nacht passieren kann, aber verkrustete Strukturen wie im Landesamt für Gesundheit und Soziales zeigen deutlich, dass mehr getan werden muss als bisher. PETA hat mit dem Research Modernisation Deal (RMD) einen Ausstiegsplan aus Tierversuchen erarbeitet, der detailliert darlegt, wie grausame und veraltete Tierversuche durch moderne, tierfreie Methoden ersetzt werden können“, so Dr. Vera Christopeit, Justiziarin bei PETA. „Bis Tierversuche endgültig abgeschafft sein werden, muss mindestens auch das Verbandsklagerecht in Berlin erlauben, dass die Tierschutzorganisationen wirkliche Handhabe gegen diese Praxis erhalten und die Genehmigungen mit Rechtsbehelfen wie Widerspruch und Anfechtungsklage stoppen können.“
Tierversuche sollten laut Gesetzgeber Ultima Ratio sein
PETA drängt seit Jahren auf einen Ausstieg aus allen Tierversuchen und einen kompletten Paradigmenwechsel hin zu alternativer, tierversuchsfreier Forschung. Der Blick ins Gesetz zeigt, dass dies eigentlich der vom Gesetzgeber intendierte Regelfall ist: Tierversuche sind in der modernen Forschung Ultima Ratio. Für eine Genehmigung ist unter anderem erforderlich, dass die Tierversuche unerlässlich und ethisch vertretbar sind. Diese Voraussetzungen sind sowohl von der jeweils genehmigenden Behörde zu prüfen als auch von den Forschenden, die den Antrag stellen.
Reell sind Tierversuche oft die erste Wahl, wie die gängige Genehmigungspraxis zeigt
Die Rechercheergebnisse der Berliner Zeitung zeigen, wie schwer es ist, Strukturen, die Tierversuche begünstigen, aufzubrechen. Der Autor Martin Rüther kommt darin unter anderem zu dem Ergebnis, dass die derzeitige Genehmigungspraxis weitestgehend rechtswidrig ist. Deutlich werden Mängel im Umgang mit der nach Paragrafen 15 des Tierschutzgesetzes einzurichtenden Tierversuchskommission. Diese erhält nach der Stellung des Antrags an das LAGESO Einsicht in die Anträge, erteilt Empfehlungen, stellt Nachfragen oder äußert ihre Ablehnung des Antrags – wird aber vom LAGESO sehr selten damit angehört. Für die über 300.000 Tiere, die allein in Berlin im Jahr 2021 für Versuche missbraucht und getötet wurden, ist dies fatal. Denn die Berliner Tierversuchskommission lehnt selbst ab, was in Berlin seit Jahren gängige Praxis ist und von PETA und der DJGT wiederholt in Stellungnahmen bemängelt wurde: die Erteilung von sogenannten Rahmengenehmigungen.
Im Antrag dieser Genehmigungen ist meist eine Vielzahl von Tieren benannt, welche für die „Erforschung von Krankheiten“ zunächst gezüchtet werden sollen. In den Anträgen werden jedoch weder das genaue Forschungsziel noch die Hypothesen noch ethische Vertretbarkeit und Unerlässlichkeit der Versuche dargestellt. Die Kommission muss somit über Anträge entscheiden, über die sie mangels genauen Wissens nicht entscheiden kann. Dies ist nach deutschem und EU-Recht eklatant rechtswidrig. Zudem wird die Kommission umgangen, wenn es zu den Teilanträgen für die eigentlichen Versuche kommen soll. Ebenso die Tierschutzorganisationen, die eigentlich von Amts wegen bei jedem Tierversuchsantrag beteiligt werden müssten.
Für PETA und die DJGT zeigen diese Befunde einmal mehr, wie wichtig es ist und bleibt, dass Tierschutzorganisationen über das Verbandsklagerecht in Berlin Einblick in diese Verfahren erhalten und Stellungnahmen abgeben, um das LAGESO an die gesetzlichen Vorgaben zu erinnern. Die Organisationen schließen sich der Landestierschutzbeauftragten Dr. Kathrin Herrmann an und ermahnen die Senatsverwaltung, das Vorgehen im LAGESO – vor allem mit Blick auf sogenannte Rahmenanträge – umfassend zu untersuchen und umgehend eine rechtskonforme Verwaltungspraxis sicherzustellen.
PETAs Motto lautet in Teilen: Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren oder sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten. Die Organisation setzt sich gegen Speziesismus ein – eine Form von Diskriminierung, bei der Tiere aufgrund ihrer Artzugehörigkeit abgewertet werden.
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