München (ots)
- Deutschlands Lithiumimporte aus China haben sich seit 2013 vervielfacht.
- Stabile Lieferketten bei Silizium – unsichere Importländer bei Halbleitern
- Zahlreiche Möglichkeiten zur Diversifizierung bleiben ungenutzt.
Die Unternehmen des produzierenden Gewerbes stehen in einer teilweise riskanten Abhängigkeit von China und südostasiatischen Ländern wie Taiwan und Malaysia. Denn die Rohstoffe Lithium, Silizium und Kobalt sowie damit verbundene Vorprodukte (Lithium-Ionen-Akkumulatoren, Halbleiter, Kobaltmatten) sind eine essenzielle Voraussetzung für die industrielle Wertschöpfung hierzulande; sie werden jedoch vollständig oder in sehr großem Umfang aus wenigen, teilweise risikobehafteten Ländern importiert.
So deckt die deutsche Industrie trotz wachsender geopolitischer Risiken einen erheblichen Teil ihres Lithiumbedarfs durch Einfuhren aus China. Von einem Prozent im Jahr 2013 ist der Import von chinesischem Lithium auf heute 24 Prozent gestiegen, wie eine aktuelle Analyse von Deloitte zeigt. Mit diesem rasanten Wachstum ist China im Begriff, Chile als wichtigstem Importeur der deutschen Industrieunternehmen den Rang abzulaufen. Noch ist das südamerikanische Land mit 47 Prozent zwar der wichtigste Lieferant. Doch der Anteil ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken: 2013 lieferte Chile noch 76 Prozent des deutschen Bedarfs. Argentinien, der weltweit zweitgrößte Lithiumexporteur, spielt bei den deutschen Importen bislang praktisch keine Rolle. Lithium ist ein zentraler Rohstoff für wiederaufladbare Batterien, unter anderem in Laptops und Smartphones, aber auch in Elektroautos. Es wird außerdem in Schmiermitteln, Keramik und Glas verwendet.
Lithium: Von Decoupling keine Spur
Noch größer ist die Abhängigkeit bei dem zentralen Vorprodukt. Nahezu jeder zweite Lithium-Ionen-Akku (41%) kam im vergangenen Jahr aus China. Auch hier hat der Anteil der chinesischen Importe zugenommen (2013: 27%), so dass das Land inzwischen der wichtigste Importeur für die deutsche Industrie ist. „Es ist höchste Zeit, hier einen Kurswechsel vorzunehmen“, sagt Dr. Jürgen Sandau, Partner und Supply Chain Lead bei Deloitte. „Die Unternehmen sind gut beraten, ihre Lieferketten individuell zu betrachten und breiter aufzustellen, sonst drohen der deutschen Wirtschaft zum Beispiel im Fall eines eskalierenden Taiwankonflikts erhebliche Abschreibungen und Verluste.“
Die Alternativen liegen auf der Hand: „Deutschland könnte zum Beispiel seine Lithiumimporte aus Argentinien deutlich steigern“, empfiehlt Sandau. Entsprechende Handelsabkommen, aber auch eine Prüfung des Lithiumabbaus in Deutschland und Importe aus Europa sind weitere Möglichkeiten, um die starke Abhängigkeit bei diesem Rohstoff zu reduzieren.
Silizium: Gute Voraussetzungen für die Halbleiter-Produktion in Deutschland
Silizium ist vor allem für die Herstellung von Dichtungsmaterialien, Lacken und Farben sowie in der Herstellung von Solarzellen und Halbleitern notwendig. Die Silizium-Importe der deutschen Industrie weisen zwar ebenfalls eine hohe Länderkonzentration auf, allerdings stammen sie aus Regionen mit einem geringen politischen Risiko. 58 Prozent der Silizium-Einfuhren kommen aus Norwegen; noch vor zehn Jahren lag der Anteil des norwegischen Siliziums an den deutschen Importen bei 22 Prozent. Weitere 15 Prozent stammten 2023 aus Frankreich. „Bei diesem für die Halbleiter-Industrie wichtigen Rohstoff sind die Lieferketten nach Deutschland kürzer und sicherer. Mit Blick auf den Aufbau der Halbleiter-Produktion in Deutschland sind das aktuell gute Voraussetzungen“, so Sandau.
Derzeit importiert die deutsche Industrie jedoch einen Großteil der benötigten Halbleiter aus fünf asiatischen Ländern: 62 Prozent stammen aus Taiwan, Malaysia, China, den Philippinen und Thailand. Taiwan liefert mit 23 Prozent der deutschen Importe den größten Anteil, Malaysia (13%) und China (10%) folgen auf den Plätzen zwei und drei der Top-Importländer. Halbleiter gehören zu den wichtigsten auf Silizium basierenden Vorprodukten.
Kobalt: Großteil der Importe aus Finnland
Bei Kobalt, das in der Akkutechnologie sowie in Legierungen und Beschichtungen der Metallindustrie gebraucht wird, ist die Risikoexposition der deutschen Industrie deutlich geringer. Denn mit 84 Prozent kommt der Großteil der deutschen Einfuhren aus dem risikoarmen Finnland. Eine Diversifizierung durch Importe aus den USA, dem weltweit größten Kobalt-Exporteur, ist möglich, findet bislang jedoch nicht statt.
Mit rund 20 Prozent des BIP leistet die Industrie einen wesentlichen Beitrag zum deutschen Bruttoinlandsprodukt. „Der Großteil davon – knapp 80 Prozent der industriellen Wertschöpfung – entstehen im Fahrzeug- und Maschinenbau, in der Metall-, Chemie- und Kunststoffindustrie sowie in der Produktion von elektrischen Geräten“, sagt Oliver Bendig, Partner und Leiter des Industriegeschäfts bei Deloitte. „Angesichts dieser Bedeutung ist ein Umsteuern dringend notwendig.“
Die Analyse von Deloitte, eine Vertiefung der Reihe „Supply Chain Pulse Check“, betrachtet Abhängigkeiten und Risiken von Rohstoffen und ermittelt eine Gesamtexponierung von Deutschland. Die Abhängigkeit ergibt sich aus dem Importanteil im Jahr 2023 und seiner Veränderung seit 2013 (Quelle: Destatis). Betrachtet wurde außerdem das Wachstum der Importwerte. Für die Ermittlung der Länderrisiken wurden politische und regulatorische Gegebenheiten ebenso betrachtet wie Lieferketten- und Umweltrisiken. Als Grundlage dienten unter anderem das Political Risk Rating der Economist Intelligence Unit, der FM Global Resilience Index 2023 und der Global Trade Alert.
Die Analyse finden Sie hier.
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