Pressemitteilung Nr. 091 vom 9. März 2023
- Zahl der als staatenlos registrierten Menschen in Deutschland hat sich seit 2014 verdoppelt
- Knapp die Hälfte der staatenlosen Personen wurde in Syrien geboren
- Ein Viertel der Staatenlosen sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren
WIESBADEN – Zum Jahresende 2022 waren in Deutschland 29 455 Menschen als Staatenlose im Ausländerzentralregister (AZR) erfasst. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, erreichte die Zahl der in Deutschland als staatenlos registrierten Personen damit ihren bisherigen Höchststand. In den Jahren 2005 bis 2013 hatte sich die Zahl der Personen mit anerkannter Staatenlosigkeit in Deutschland stets zwischen 13 000 und 14 000 bewegt. Mit dem Einsetzen der starken Fluchtmigration ab 2014 verdoppelte sie sich dann bis zum Jahresende 2022.
Mehrheit der Staatenlosen ist männlich, ein Viertel der Staatenlosen ist minderjährig
Personen werden nach dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1954 als staatenlos bezeichnet, wenn kein Staat diese Personen als Staatsangehörige ansieht. Festgestellt wird die Staatenlosigkeit meist im Rahmen der Beantragung eines Aufenthaltstitels oder eines Asylverfahrens. Die Mehrheit der Ende 2022 in Deutschland registrierten Staatenlosen war männlich (58 % beziehungsweise 17 025). Ein Viertel (25 % beziehungsweise 7 455) der Staatenlosen waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
Knapp die Hälfte der registrierten Staatenlosen wurde in Syrien geboren
Knapp die Hälfte (48 % oder 14 055) der Ende 2022 registrierten Staatenlosen wurden in Syrien geboren. Zu den häufigsten Geburtsstaaten zählen auch Deutschland mit 16 % und der Libanon mit 5 %. Die Zahl der in Deutschland geborenen Staatenlosen stieg seit 2014 von 3 550 auf 4 860, während die Zahl der im Ausland geborenen Staatenlosen sich seit 2014 von 11 100 auf 24 595 mehr als verdoppelte. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern erhalten nicht die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn nicht mindestens ein Elternteil seit 8 Jahren in Deutschland lebt und einen unbefristetes Aufenthaltsrecht hat (siehe dazu Informationen der Bundesregierung).
Ursachen für Staatenlosigkeit: Häufig fehlen offizielle Dokumente
Die Ursachen für Staatenlosigkeit sind vielfältig. Der Nachweis einer Staatsangehörigkeit ist mit dem Besitz eines offiziellen Dokuments in Form eines Ausweises oder einer Geburtsurkunde verbunden. Fehlen einer Person solche offiziellen Dokumente, kann dies ein Grund für Staatenlosigkeit sein. Hierzu kann es beispielsweise kommen, wenn Geburten nicht registriert werden. Schätzungsweise besitzen weltweit 237 Millionen Kinder unter 5 Jahren keine Geburtsurkunde (siehe dazu den Report des UN-Kinderhilfswerks UNICEF zur Registrierung von Geburten von 2019).
Ein weiterer Grund kann in Gesetzen liegen, die beispielsweise aufgrund ethnischer Zugehörigkeit oder Religion diskriminieren. Aber auch Geschlechterdiskriminierung kann Staatenlosigkeit begründen. In einigen Ländern der Welt können beispielsweise Frauen ihre Staatsangehörigkeit nicht an ihr Kind weitergeben. Das Recht der Weitergabe der Nationalität ist Männern vorbehalten. Erkennt der Vater die Vaterschaft nicht an oder ist der Vater unbekannt, wird das Kind staatenlos (siehe dazu den Bericht der Menschenrechtsorganisation Institute on Statelessness and Inclusion (ISI) von 2020). Personen können ihre Staatsbürgerschaft auch durch Staatsauflösung verlieren, wenn es ihnen nicht gelingt, die Staatsbürgerschaft des Nachfolgestaats zu erwerben. So gerieten in Europa in den 1990er Jahren viele Menschen im Zuge der Auflösung der Sowjetunion und des ehemaligen Jugoslawiens in die Staatenlosigkeit (siehe dazu den Bericht des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR von 2018).
Expertengruppe macht Empfehlungen für eine bessere Datenbasis zur Staatenlosigkeit
Weltweit waren Ende 2021 laut Angaben des UNHCR 4,3 Millionen Menschen staatenlos (siehe dazu den Globalen Trendbericht des UNHCR von 2021). Da von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist, lag die tatsächliche Zahl staatenloser Personen vermutlich noch deutlich höher. Um Staatenlosigkeit zu bekämpfen, ist eine belastbare Datengrundlage wichtig. Eine Expertengruppe der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen (UNSD) hat dazu Empfehlungen zur Verbesserung der statistischen Erfassung von staatenlosen Personen erarbeitet, die International Recommendations on Statelessness Statistics (IROSS), die in der 54. Tagung der Statistischen Kommission vom 28. Februar bis zum 3. März 2023 in New York diskutiert wurden. Diese sehen vor, ein international vereinbartes statistisches Standardkonzept der Staatenlosigkeit einschließlich relevanter Definitionen und Klassifikationen zu schaffen. Ein solches Konzept soll allen Staaten zur einheitlichen statistischen Erfassung staatenloser Menschen zur Verfügung gestellt werden, um die Datenbasis zu verbessern und das Phänomen Staatenlosigkeit sichtbar zu machen.
Methodische Hinweise:
Die Feststellung der Staatenlosigkeit ist in Deutschland an die abschließende Klärung der Identität einer Person geknüpft, wobei Betroffene dazu verpflichtet sind, an der Aufklärung mitzuwirken. Die Prüfung der Staatenlosigkeit erfolgt in der Regel im Zusammenhang mit einer aufenthalts- oder passrechtlichen Maßnahme durch die zuständige Ausländerbehörde. Ein formalisiertes Feststellungsverfahren für die Staatenlosigkeit gibt es in Deutschland – anders als mit dem Asylverfahren für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft – nicht.
Neben anerkannt Staatenlosen waren Ende 2022 im Ausländerzentralregister 97 150 Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit oder ohne Angabe zur Staatsangehörigkeit erfasst. Hierzu zählen Personen, die ihre Staatsangehörigkeit nicht eindeutig mit amtlichen Dokumenten belegen konnten und deren Staatsangehörigkeit nicht final geprüft beziehungsweise deren Staatenlosigkeit nicht festgestellt wurde.
Angaben aus dem Ausländerzentralregister zu einzelnen Geburtsstaaten von Ausländerinnen und Ausländern liegen dem Statistischen Bundesamt ab dem Stichtag 31.12.2020 vor. Die Angaben werden zwar standardisiert erfasst, sind aber stellenweise unvollständig, da es sich um eine freiwillige Angabe handelt. Im Rahmen der Datenaufbereitung ersetzt das Statistische Bundesamt fehlende Angaben teilweise (siehe dazu den Aufsatz „Geburtsstaat und Geburtsort im Ausländerzentralregister – Nutzungsmöglichkeiten für die amtliche Statistik“ in der Zeitschrift „WISTA – Wirtschaft und Statistik“, Ausgabe 2/2020). Für das Jahr 2022 wurden 7 % der Angaben auf diese Weise vervollständigt, bei insgesamt 7 % der im AZR erfassten Staatenlosen blieb der Geburtsstaat unbekannt. Für die Jahre vor 2020 liegen lediglich Angaben dazu vor, ob eine Person in Deutschland oder im Ausland geboren wurde. Die Ergebnisse der Auswertungen des AZR unterliegen nach § 16 Bundesstatistikgesetz (BStatG) einer Geheimhaltungspflicht, um Rückschlüsse auf persönliche und sachliche Verhältnisse der Betroffenen zu vermeiden. Nähere Informationen zum verwendeten Geheimhaltungsverfahren in der Ausländerstatistik können dem Qualitätsbericht entnommen werden. Aufgrund des Geheimhaltungsverfahrens kann es zu Abweichungen zwischen den ausgewiesenen Summen und der Summe der einzelnen gerundeten Summanden kommen.
Die Ergebnisse zur Staatenlosigkeit in Deutschland basieren auf einer Sonderauswertung im Rahmen der Ausländerstatistik. Die vollständigen Ergebnisse der Ausländerstatistik werden voraussichtlich Ende April 2023 veröffentlicht.
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