Zukunft der Rotkreuzklinik
Die Zukunft des Krankenhauses ist derzeit das beherrschende Thema in Wertheim. Die Rotkreuzklinik ist seit Anfang September im Insolvenzverfahren. Stadtverwaltung, Gemeinderat, Ärzteschaft und Bürgerschaft kämpfen gemeinsam für den Erhalt der Grund- und Regelversorgung und der Notfallversorgung in Wertheim. An der Kundgebung „Rettet das Wertheimer Krankenhaus“ am 24. Februar nahmen rund 2.000 Menschen teil. Am 6. März folgte eine Demonstrationsfahrt mit 600 Teilnehmern nach Stuttgart und Tauberbischofsheim.
Fragen und Antworten
Letzte Aktualisierung: 7. März
Wer ist Eigentümer der Rotkreuzklinik?
Träger ist die Rotkreuzklinik Wertheim gGmbH. Alleinige Gesellschafterin und Eigentümerin ist die Schwesternschaft München vom Bayerischen Roten Kreuz e.V..
Das Krankenhaus war früher in städtischer Trägerschaft. Warum wurde es verkauft?
Bis 2008 war das Krankenhaus ein kommunaler Eigenbetrieb in Trägerschaft der Stadt. 2009 wurde es an die Schwesternschaft München vom Bayerischen Roten Kreuz e.V. verkauft. Dazu hat man sich entschieden, weil ein Neubau des Krankenhauses erforderlich war und die Stadt diese Investition nicht stemmen konnte. Hinzu kamen schon damals jährliche Verluste (im Jahr 2008 waren es 800.000 Euro) aus dem Krankenhausbetrieb, die aus dem städtischen Haushalt zu finanzieren waren.
Der Neubau der Rotkreuzklinik wurde unter Regie der Schwesternschaft am Standort Reinhardshof realisiert und im Mai 2016 eröffnet. Er hat rund 46 Mio. Euro gekostet. Das Land Baden-Württemberg hat den Neubau mit rund 34 Mio. Euro gefördert.
Warum ist die Rotkreuzklinik insolvent?
Die Klinik hat in den letzten Jahren Defizite von über 30 Mio. Euro erwirtschaftet. Die Schwesternschaft als Eigentümerin sieht sich nicht mehr imstande, die jährlich hohen Verluste weiter auszugleichen; sie will die Trägerschaft abgeben.
Bundesweit leiden gerade kleinere Krankenhäuser unter der nicht auskömmlichen Krankenhausfinanzierung. Die Situation hat sich durch die Corona-Pandemie noch verschärft. Eine Reform der Krankenhausfinanzierung ist angekündigt, aber vom Bundestag noch nicht beschlossen. Wann sie mit welchen finanziellen Effekten greift, ist derzeit nicht absehbar.
Hätte die Stadt Wertheim nicht schon früher etwas tun können?
Die Rotkreuzklink gGmbH ist ein privates Unternehmen, auf dessen Geschäftspolitik die Stadt Wertheim keinen Einfluss hat. Leider hat die Eigentümerin die Stadt Wertheim auch lange im Unklaren gelassen über die schwierige wirtschaftliche Situation der Rotkreuzklinik. Die Stadt hat davon erst durch Einleitung des Insolvenzverfahrens am 6. September erfahren.
Welche Bedeutung hat die Rotkreuzklinik Wertheim für die Gesundheitsversorgung?
In der Rotkreuzklinik werden jährlich etwa 6.000 Patienten stationär und 11.000 Patienten ambulant behandelt. Als Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung hat sie ein Einzugsgebiet von rund 70.000 Menschen. Etwa 35 % der Patienten stammen aus Wertheim, 11 % aus dem weiteren Landkreis Main-Tauber und jeweils 20 % aus den bayerischen Nachbarlandkreisen Main-Spessart und Miltenberg.
Eine Simulation des GKV (Spitzenverband des Bunds der Krankenkassen) zeigt, dass im Fall einer Schließung der Rotkreuzklinik für etwa 50.000 Menschen das nächste Krankenhaus über 30 Minuten Fahrzeit entfernt liegt.
Essenziell für die Menschen in Wertheim und in der Region ist auch die Zentrale Notaufnahme (ZNA). 2023 wurden hier über 11.500 Menschen behandelt, davon waren 70 % zeitkritisch (bedurften einer Behandlung innerhalb von 30 Minuten). Die nächstgelegene Notfallaufnahme, die wie Wertheim auch eine Schlaganfalleinheit (Stroke-Unit) und akute kardiologische Notfallversorgung sowie Herzinfarktversorgung hat, liegt 38 Fahrminuten entfernt.
Wer hat welche Zuständigkeiten bei der Krankenhausversorgung?
Die Zuständigkeiten sind im Landeskrankenhausgesetz geregelt. Sie liegen beim Land und beim Landkreis. Das Land Baden-Württemberg weist im Rahmen des Krankenhausplans einzelnen Krankenhäusern einen Versorgungsauftrag zu (Fachabteilungen, medizinische Schwerpunkte, Notfallversorgung).
Bisher ist die Rotkreuzklinik Wertheim im Krankenhausplan als Haus der Grund- und Regelversorgung mit 170 Betten und mit einer Zentralen Notaufnahme aufgenommen. Die Stadt Wertheim hat das zuständige Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration mehrfach um Klarstellung und Bestätigung der Bedarfsnotwendigkeit auch für die Zukunft gebeten. Bisher liegt dazu keine verbindliche Aussage vor.
Für die Sicherstellung der Krankenhausversorgung sind die Stadt- und Landkreise zuständig (sogenannter Sicherstellungsauftrag). Ist die bedarfsgerechte Krankenhausversorgung nicht durch andere Träger sichergestellt, so sind die Stadt- und Landkreise verpflichtet, die nach dem Krankenhausplan notwendigen Krankenhäuser zu betreiben (sogenannte Pflichtträgerschaft). Da Wertheim eine kreisangehörige Stadt ist, würde diese Pflicht auf den Landkreis Main-Tauber entfallen.
Wie läuft das Insolvenzverfahren ab?
Auf Antrag der Schwesternschaft wurde am 6. September die Insolvenz mit dem Schutzschirmverfahren eröffnet. Das heißt: Drei Monate lang wurden die Gehälter der Krankenhausbeschäftigten vom Staat finanziert. Das sollte dem von der Schwesternschaft beauftragten Generalhandlungsbevollmächtigten und Insolvenzverwalter Zeit geben, ein Sanierungskonzept und eine Nachfolgelösung zu entwickeln.
Nach Ablauf der drei Monate wurde zum 1. Dezember das Insolvenzverfahren eröffnet. Seitdem muss das Krankenhaus die Personalkosten wieder selbst finanzieren. Für die Dauer des Insolvenzverfahrens gibt es keine festgelegten Fristen.
Ist die Rotkreuzklinik währenddessen in Betrieb?
Ja, der Krankenhausbetrieb läuft während des Insolvenzverfahrens weiter. Patienten werden aufgenommen und behandelt. Die Ärzte und Pflegekräfte leisten weiterhin ihren wichtigen Dienst. Insgesamt sind in der Rotkreuzklinik rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt (entspricht 210 Vollzeitstellen).
Was hat die Stadt Wertheim seit Beginn des Insolvenzverfahrens getan?
Auf allen politischen Ebenen bemüht sich die Stadt seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens um Unterstützung für den Erhalt des Krankenhauses.
Zudem hat sie am 27. November mit einem Letter of Intent (LoI) die Bereitschaft zur Übernahme des Krankenhauses erklärt. Damit hat sie vermieden, dass der Insolvenzverwalter das Haus zum 1. Dezember schließen muss, nachdem es ihm innerhalb der drei Monate des Schutzschirmverfahrens nicht gelungen war, einen Käufer für das Krankenhaus zu finden.
Seitdem ist die Stadtverwaltung mit dem Insolvenzverwalter und weiteren Beteiligten in Gesprächen und Verhandlungen über die Rahmenbedingungen und finanziellen Konditionen einer Übernahme. Gleichzeitig hat die Stadt Wertheim externe Experten beauftragt, ein vom Insolvenzverwalter vorgeschlagenes Zukunftskonzept für das Krankenhaus unter medizinischen, betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Aspekten zu prüfen und zu bewerten.
Kurzum: Mit dem Thema Krankenhaus befasst sich die Verwaltung seit Anfang September jeden Tag und der Gemeinderat in jeder turnusmäßigen Sitzung und zusätzlichen Sondersitzungen.
Wer entscheidet über die Zukunft der Rotkreuzklinik?
Die Entscheidung liegt zunächst in den Händen des Insolvenzverwalters. Gibt es mehrere Interessenten, ist er nach dem Insolvenzrecht verpflichtet, dem aus Sicht der Gläubiger besseren Angebot den Zuschlag zu geben. Eine Übernahme des Krankenhauses in Trägerschaft der Stadt Wertheim setzt also voraus, dass der Insolvenzverwalter sich für diese Lösung entscheidet. Erst dann ist der Weg für eine Grundsatzentscheidung des Gemeinderats frei.
Bis wann muss eine Entscheidung getroffen sein?
Der Insolvenzverwalter hat bisher keine Frist genannt, bis zu der eine Entscheidung getroffen werden muss. Das Insolvenzverfahren läuft weiter, solange berechtigte Aussicht auf eine Nachfolgelösung besteht.
Welche Position nimmt die Stadt Wertheim ein?
Der Oberbürgermeister und die Fraktionsvorsitzenden haben die Position der Stadt am 21. Februar in einem Offenen Brief (PDF | 182 KB) ausführlich dargelegt: Die Stadt Wertheim ist bereit, für den Erhalt des Krankenhauses Verantwortung zu übernehmen. Voraussetzung ist, dass sich auch der Landkreis an der Finanzierung maßgeblich beteiligt. Vom Landesgesundheitsminister fordern sie eine verbindliche Aussage zur Bedarfsnotwendigkeit des Krankenhauses als Haus der Grund- und Regelversorgung und zum Erhalt der Zentralen Notaufnahme am Standort Wertheim.
Inzwischen hat der Gemeinderat (in der Sitzung am 26. Februar) die Verwaltung beauftragt, eine baldige Grundsatzentscheidung zur Übernahme der Rotkreuzklinik in städtische Trägerschaft vorzubereiten. Bedingung dafür bleiben das Bekenntnis des Landes zur Bedarfsnotwendigkeit und die finanzielle Unterstützung des Landkreises.
Was würde die Fortführung des Krankenhausbetriebs als Grund- und Regelversorger kosten?
Die von der Stadt Wertheim beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat die Kosten des Krankenhausbetriebs (Grund- und Regelversorgung mit reduzierter Bettenzahl, Aufrechterhaltung der Zentralen Notaufnahme) berechnet. Danach beträgt der Finanzierungsbedarf bis zum Jahr 2030 realistisch 49 Mio. Euro.
Kann die Stadt Wertheim das allein finanzieren?
Gesetzlich ist es nicht vorgesehen, dass eine Stadt mit 23.500 Einwohnern die Krankenhausversorgung einer ganzen Region sicherstellt. Deshalb übersteigt die Finanzierung eines Krankenhauses eigentlich auch die Leistungsfähigkeit der Stadt Wertheim. Zur Finanzierung des Krankenhausbetriebs braucht sie finanzielle Hilfe: vom jetzigen Eigentümer und vom Landkreis.
Die Stadt erklärt sich bereit, 60 Prozent des anfallenden Defizits zu tragen. Darauf kann sie sich einlassen, weil die Schwesternschaft München als bisherige Eigentümerin bereit ist, der Stadt für einen begrenzten Zeitraum Geld für den laufenden Betrieb des Krankenhauses zu geben. Die restlichen 40 Prozent braucht die Stadt als Mitfinanzierung durch den Landkreis. Er ist nach dem Landeskrankenhausgesetz für die Sicherstellung der Krankenhausversorgung zuständig.
Aber auch die Finanzierung des 60-Prozent-Anteils aus dem städtischen Haushalt erfordert Einschnitte. Die Stadt wird Steuern und Abgaben erhöhen und auf Investitionen und Ausgaben in anderen Bereichen verzichten müssen.
Ist bereits klar, welche Einschnitte die Finanzierung des Krankenhausbetriebs in kommunaler Trägerschaft erfordert?
Darüber wird der Gemeinderat erst beraten und beschließen können, wenn klar ist, zu welchen Rahmenbedingungen und Konditionen die Rotkreuzklinik übernommen werden kann und welche finanziellen Hilfen unterstützend hinzukommen.
Welche Lösung für den Fortbestand des Krankenhauses zeichnet sich derzeit ab?
Nach dem Offenen Brief der Stadt Wertheim vom 21. Februar, nach der Kundgebung mit 2.000 Menschen am 24. Februar und nach der vom Gemeinderat am 26. Februar grundsätzlich erklärten Bereitschaft zu Verhandlungen zur Übernahme der Klinik in städtische Trägerschaft ist Bewegung in die Krankenhausdiskussion gekommen.
Nachdruck erhielt die Forderung nach Unterstützung durch Land und Landkreis nochmals bei der Demonstrationsfahrt am 6. März nach Stuttgart und Tauberbischofsheim. Rund 600 Menschen hatten sich ihr angeschlossen.
Gesundheitsminister Lucha sprach bei diesem Anlass noch relativ vage von „krankenhausplanerischer Begleitung“ der sich abzeichnenden Rekommunalisierung. Klarere Aussagen erhofft man sich am 18. März, wenn der Gesundheitsminister in den Gemeinderat Wertheim kommt.
Landrat Schauder hingegen hat nach Abstimmung mit den Fraktionsvorsitzenden des Kreistags die grundsätzliche Unterstützungsbereitschaft des Landkreises sowohl durch logistische Leistungen der Gesundheitsholding Tauberfranken wie auch in finanzieller Hinsicht erklärt.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Gespräche über Rahmenbedingungen und Eckpunkte einer Übernahme des Krankenhauses durch die Stadt werden fortgeführt. Nach Abschluss dieses sogenannten „Letter of Intent“ wird die Verwaltung im Auftrag des Gemeinderats mit dem Insolvenzverwalter und der Schwesternschaft in konkrete Vertragsverhandlungen eintreten. Parallel dazu werden die Gespräche und Verhandlungen mit dem Gesundheitsministerium sowie mit dem Landkreis fortgeführt.
Damit bereitet die Verwaltung die Grundsatzentscheidung des Gemeinderats zur Rekommunalisierung des Krankenhauses vor.
Nach einer nichtöffentlichen Vorberatung soll der Grundsatzbeschluss des Gemeinderats dann in öffentlicher Sitzung gefasst werden. Dieser entscheidenden GR-Sitzung soll eine Bürgerversammlung vorausgehen.
Als Termin für die eventuelle Übernahme des Krankenhauses steht derzeit der 1. Juli im Raum.
Quelle: Wertheim.de, 11.03.2024
Main-Tauber-Kreis/Wertheim: Kreis möchte Rettung der Rotkreuzklinik unterstützen