04.03.2022 – 19:29
Frankfurt (ots)
Seit gut einer Woche wirbelt der Ukraine-Krieg die Welt und die Finanzwelt durcheinander. Aktienindizes wie der Dax sind weit abgeschlagen von ihren Allzeithochs, Energie- und Rohstoffpreise sind im Höhenflug und markieren Rekorde, der Rubel hat seinen Wert praktisch halbiert, Russland hat seine Kreditwürdigkeit bei den Ratingagenturen nahezu verspielt und steht kurz vor der Einstufung „Bankrott“, der Euro nähert sich zum Franken der Parität, die Volatilität ist gestiegen, der Goldpreis gut unterstützt und die Renditen der sicheren Staatsanleihen wie US-Treasuries und der Bundeswertpapiere sind entlang den Renditestrukturkurven deutlich gefallen. Das alles in sieben Handelstagen. Die noch Ende des Jahres und zu Beginn dieses Jahres gemachten Prognosen von Banken und Assetmanagern sind durchweg Makulatur. Zugegeben: Den Faktor „geopolitisches Risiko“ hatten quasi alle auf dem Schirm, aber „Krieg in Europa“ hatte niemand ernsthaft auf dem Zettel – wie sollte man auch.
Damit hat sich die Gemengelage auf den Finanzmärkten vollständig verändert. Risiko rausnehmen, lautet das Motto für die Portfolios – rein in sichere Assets. Und so sind in der Folge die Kurse von risikobehafteten Assets wie etwa Aktien in die Tiefe gerauscht. Profitiert haben von den Umschichtungen Gold und sichere Staatsanleihen, und das hat bei Letzteren enorme Ausmaßen angenommen. Am Dienstag der abgelaufenen Woche lag die zehnjährige Bundrendite im Tagesgeschäft zeitweise noch bei mehr als 0,21 % (Schluss am Montag: 0,16 %) – im positiven Bereich wohlgemerkt. Unter dem Eindruck neuer Kriegshiobsbotschaften ging es bis auf das Tagestief knapp unter -0,08 %. Ein Rückgang von fast 30 Basispunkten an einem einzigen Handelstag. Das war der größte Renditerückgang in diesem Laufzeitensegment seit mehr als einem Jahrzehnt.
Welche Faktoren stehen dahinter, welche Signale sendet der Markt? Es ist zuallererst die Flucht in Sicherheit, die in Unsicherheitsphasen wie Krisen immer wieder zu beobachten ist. Geld umschichten in sichere Assets, Vermögen (weitgehend) erhalten – so lautet die Devise, nach der agiert wird. Nicht das erste Mal. Hinzu kommt ein markttechnischer Faktor: Die Renditen waren bis kurz zuvor noch positiv. Das animierte ohnehin schon wieder, Bundestitel im zehnjährigen Bereich zu kaufen. Zur Erinnerung: Am 16. Februar – rund eine Woche vor Kriegsbeginn – konnte man kurzzeitig sogar knapp über 0,33 % laufende Verzinsung bei den zehnjährigen Bundestiteln einstreichen – das hatte man lange nicht gesehen. Und das Sicherheitsdenken – so bitter die Erkenntnis dieser Tage auch ist – wird wohl noch einige Zeit anhalten, denn nach einem schnellen Kriegsende sieht es derzeit wahrlich nicht aus. Der Markt der Bundesanleihen und auch andere sichere Assets werden in diesem Umfeld aller Voraussicht nach gut unterstützt bleiben.
Der Markt sendet auch Signale. Ohne Frage geht die Inflationsdiskussion angesichts steigender Energiepreise weiter. Das sorgte vermutlich dafür, dass die Renditen nicht noch kräftiger in den Keller gegangen sind. Die Notenbanken müssten – die Inflation für sich betrachtet und alles andere unverändert gelassen – die Teuerungsentwicklung mit höheren Zinsen bekämpfen. Aber in der gegenwärtigen Lage stellen sich viele Marktakteure die Frage, inwieweit die Währungshüter genau dieses Unterfangen noch angehen könnten. Manch einer wirft gar die Frage auf, ob es überhaupt noch möglich ist und ob nicht eher neuerliche Krisenmaßnahmen erforderlich werden könnten. Leitzinsanhebungen würden damit ausbleiben, eventuell neue Bondkäufe erfolgen, um günstige Refinanzierungsbedingungen zu erhalten und damit wirtschaftliche Stimulierung auf den Weg zu bringen. Das würde die Renditen im Keller halten.
Noch ist auch nicht absehbar, wie stark die Wirtschaft durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogen wird. Was bedeutet der Exodus der Firmen aus Russland, wie stark werden die Firmen über höhere Kosten und wegbrechende Umsätze belastet, kommt es zu Entlassungen, womöglich Firmenpleiten und dergleichen anderen wirtschaftlichen Negativmeldungen? Das ist alles ist abhängig von der Dauer und der Intensität dieses Krieges mitten in Europa. Damit, und das ist eine weitere Triebfeder für die Staatsanleihekäufe, tritt der nächste Unsicherheitsfaktor zutage. Steuert die Wirtschaft auf eine Stagflation zu: also Preisniveausteigerungen – zum Beispiel getrieben von Energie- und Rohstoffpreisen – bei gleichzeitiger Stagnation der Wirtschaft, die durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogen wird? Mit jedem Tag des Krieges steigt diese Wahrscheinlichkeit.
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