a) Der als Prozessgrundrecht ausgestaltete Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) soll sicherstellen, dass die Prozessbeteiligten nicht bloßes Objekt des gerichtlichen Verfahrens sind, sondern vor einer ihre Rechte betreffenden Entscheidung zu Wort kommen können, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können, und deshalb gewährleisten, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensmängeln ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und mangelnder Berücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (BVerfG, Beschl. v. 20.2.2008 – 1 BvR 2722/06 -, juris Rn. 9, und v. 19.6.1985 – 1 BvR 933/84 -, BVerfGE 70, 215, 218). Hiermit verbunden ist mithin zum einen das Recht der Prozessbeteiligten zur Äußerung über Tatsachen, Beweisergebnisse und die Rechtslage und zum anderen die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist indes erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.1.2011 – 1 BvR 2441/10 -, juris Rn. 10 f.; v. 24.2.2009 – 1 BvR 182/09 -, juris Rn. 20 f.; v. 19.6.1985, a.a.O.; v. 1.2.1978 – 1 BvR
426/77 -, BVerfGE 47, 182, 187). Art. 103 Abs. 1 GG gibt den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren vor allem ein Recht darauf, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts ist eine originäre richterliche Aufgabe. Allein die Behauptung, die richterlichen Tatsachenfeststellungen seien falsch oder der Richter habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung beigemessen, vermag grundsätzlich einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht zu begründen (BVerfG, Beschl. v. 19.7.1967 – 2 BvR 639/66 -, BVerfGE 22, 267, 273). Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich auch keine Hinweispflicht des Richters zur beabsichtigten Beweiswürdigung und Entscheidung (BVerfG, Beschl. v. 15.5.1984
– 1 BvR 967/83 -, BVerfGE 67, 90, 95). Zwar setzt eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs auch voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Daraus ergibt sich allerdings keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters (BVerfG, Beschl. v. 29.5.1991 – 1 BvR 1383/90 -, BVerfGE 84, 188, 190; v. 19.5.1992
– 1 BvR 986/91 -, BVerfGE 86, 133, 144). Eine dem Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs zuwiderlaufende Überraschungsentscheidung liegt nur dann vor, wenn das Gericht in seiner Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, der weder im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erörtert wurde und der zunächst als fernliegend anzusehen war und damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wende gibt (BVerwG, Beschl. v. 15.5.2008 – BverwG 2 B 77.07 -, juris Rn. 20).
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