Frankfurt (ots)
Die Flut hebt bekanntlich alle Boote, und das hat die Liquiditätsflut in den vergangenen Jahren auch getan. Die Notenbanken hatten nach dem Motto „Whatever it takes“ nicht nur die Zinsen praktisch auf null heruntergeschleust, die Götter der Märkte haben zudem mit einem großen quantitativen Easing Staats- und Unternehmensanleihen und mitunter auch Aktien aufgekauft. Da nimmt es nicht wunder, dass die Aktienmärkte enorme Aufschwünge hingelegt haben – und dabei besonders Wachstumswerte, deren Erlöse deutlich zugelegt haben, die aber noch keine oder äußerst geringe Gewinne erzielen, gelaufen sind. Mit dem Vorgehen der Notenbanken ist fast alles gestiegen, bis hin zu Kryptowährungen wie Bitcoin, die mitunter zur Geldwäsche genutzt werden. Erinnerungen an die Dotcom-Blase und an den Neuen Markt sind besonders im vergangenen Jahr wach geworden.
Jetzt hat sich aber der Wind gedreht, die Teuerung hat weltweit massiv angezogen, der Inflationsdruck dürfte hoch bleiben und die Notenbanken müssen die Zinsen anheben und können keine Wertpapiere mehr ankaufen. Die Fed hat in der abgelaufenen Börsenwoche bereits zum zweiten Mal ihre Leitzinsen erhöht, und das mit einem Schritt um 50 Basispunkte auch recht kräftig. Und auch die Europäische Zentralbank wird reagieren müssen, wenn sie denn ihren Auftrag, stabile Preise zu gewährleisten, ernst nimmt.
Die Liquiditätsblase hat bereits zu platzen begonnen, und die Luft dürfte weiter entweichen. So haben in diesem Jahr zuvor hochgepushte Internetwerte, Onlineverkäufer oder Lieferdienste bereits hohe Kursverluste hinnehmen müssen: Delivery Hero minus 69 Prozent, Netflix minus 69 Prozent, Zalando minus 55 Prozent, Hellofresh minus 48 Prozent und selbst Amazon haben 30 Prozent eingebüßt. Selbst die Kinder der Hausse müssen jetzt erkennen, dass die Börse keine Einbahnstraße ist und dass die Kurse hoch bewerteter Assets nicht allein deshalb weiter steigen, weil sie zuvor kräftig und relativ stetig gestiegen sind. Die Börse verläuft lange Zeit in Trends, aber es gibt eben auch Trendwenden, und aktuell findet angesichts des Wandels in der Geldpolitik offensichtlich eine statt.
Doch nicht allein bei hoch bewerteten Technologiewerten droht die Luft weiter zu entweichen. Auch die Kryptowährung Bitcoin dürfte sich weiter verbilligen. Schließlich hat Bitcoin keinen intrinsischen Wert, und die Greater-Fool-Theorie, wonach alles so viel wert ist, wie ein anderer dafür bezahlt, greift in erster Linie in steigenden Märkten. Deutlich ermäßigen könnte sich auch der Aktienkurs von Tesla, sind die Erwartungen von Investoren und Analysten an den hoch bewerteten Elektroautobauer doch auf extrem hohem Niveau.
Platzen dürfte übrigens auch die Blase in zehnjährigen Bundesanleihen und anderen Staatsanleihen der Eurozone, wenn das Doping in Form der Käufe durch die EZB wegfällt. Immerhin wird es auch in Euroland bald wieder Zinsen geben, und die Banken werden ihre Verwahrentgelte wieder abbauen.
Erfahrene Investoren haben auf die veränderte Gemengelage, zu der neben der weltweit noch nicht bewältigten Pandemie auch der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Folgen für Inflation und Weltkonjunktur beitragen, bereits reagiert. Warren Buffett und Jens Ehrhardt haben Ölaktien gekauft. Ehrhardt hat sogar in seinem FFM-Fonds, der bisher etliche Krisen recht erfolgreich bewältigt hat, Technologieaktien komplett verkauft und setzt stattdessen unter anderem auf ausgewählte Agrarwerte und Versorger.
Auch die Analysten der LBBW sind der Meinung, dass es Tech-Titel schwer haben werden. Sie erwarten schwierige Sommermonate für Aktien und empfehlen eine defensivere Ausrichtung, wobei sich der Sektor Energie als guter Hedge gegen steigende Energiepreise erweise.
Bei Aktien zählen jetzt wieder Profitabilität und stabile Gewinne. Wie sagt Warren Buffett: Erst wenn die Flut zurückgeht, sieht man, wer überhaupt eine Badehose anhat.
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