„Berliner Morgenpost“: Gute Parallelgesellschaft / Leitartikel von Christian Unger zur …

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BERLINER MORGENPOST

Berlin (ots)

Integration ist still. Sie führt leise zum Erfolg. Wenn ein Geflüchteter aus der Ukraine einen Arbeitsplatz findet, macht das keine Schlagzeilen. Wenn eine Familie aus Syrien oder Afghanistan eine Wohnung auf dem ohnehin ausgezehrten und überteuerten Markt entdeckt, löst das keine Debatten aus. Wenn eine Schülerin aus Eritrea ihr Abitur mit einer 2 oder 3 abschließt, interessiert das kaum jemanden.

Laut ist nur die gescheiterte Integration: die Nachrichten über Straftaten von Geflüchteten, die Debatten über den deutschen Pass, der „verramscht“ werde, die Diskussionen über Parallelgesellschaften, Macho-Gehabe, „Clans“ und rechtswidrige „Ehrenkodexe“. All das prasselt wie ein trüber Novemberregen auf die Stimmung im Einwanderungsland Deutschland.

Dabei erlebt Deutschland gerade eine Parallelgesellschaft, die anders ist. Eine Willkommensgesellschaft parallel zur staatlichen Nothilfe, angetrieben von Nachbarn, die abseits der Asylunterkünfte Flüchtlinge bei sich aufnehmen – und die den deutschen Behörden immens aus der Klemme helfen: 74 Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine leben in privaten Wohnungen und Häusern.

Während die Kommunen ihre Turnhallen und leer stehenden Hotels für Asylsuchende öffnen, findet parallel eine Inte­grationsleistung statt. Angesichts des russischen Angriffskriegs sind mehr als eine Million ukrainische Frauen, Kinder und auch Männer hierhergeflohen. Nur nach Polen und Russland flohen mehr. Sie leben unter uns. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die lauter erzählt werden muss.

Mit jedem Krieg kommt die Flucht. Menschen fliehen jedoch nicht nur, wenn die Bomben am heftigsten fallen. Menschen fliehen vor allem dann, wenn sie keine Hoffnung auf Frieden haben. Und so sticht noch eine Zahl aus der Umfrage hervor: 37 Prozent der Geflüchteten möchten für immer oder mehrere Jahre in Deutschland bleiben.

Es fliehen Menschen mit hoher Bildung. 72 Prozent der Ukraine-Flüchtlinge haben demnach einen Hochschulabschluss. Und nach weniger als einem Jahr in Deutschland hat ein Fünftel der Erwerbsfähigen unter ihnen bereits einen Job. 76 Prozent der Menschen aus der Ukraine fühlen sich nach ihrer Ankunft in Deutschland willkommen.

Bleiben Menschen in einem Land, wollen sie nicht in Asylunterkünften vegetieren. Sie wollen arbeiten, Kinder in die Schule schicken, die Sprache lernen. Das klappt nur, wenn es Angebote gibt. Hier muss die Politik reagieren. Es ist auch Teil der „Zeitenwende“-Politik, für die Menschen aus der Ukraine eine Perspektive in Europa zu schaffen.

So zeigt ein knappes Jahr Ukraine-Krieg auch: Wenn etwas nicht funktioniert, dann ist es weniger die Integration der Geflüchteten, sondern die Integrationspolitik. Ausländerbehörden sind am Limit, Bund und Länder streiten über Geld, es fehlt an Therapieplätzen für Kriegstraumatisierte. Und ganz konkret lässt der Bund die Kindergärten bei der Förderung von „Sprachfachkräften“ zittern. Dabei sind gerade aus der Ukraine vor allem Frauen und Kinder und Jugendliche geflohen.

Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Doch nicht nur auf Kitas und Schulen müssen wir blicken. Zentral ist der Fokus auf die Bildung von Erwachsenen. Denn die allermeisten Menschen auf der Flucht sind nicht mehr im Schulalter. Hier fehlt es an einer Offensive von Bund und Ländern bei Volkshochschulen, Universitäten und berufsbegleitenden Weiterbildungszentren.

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Quelle : Presseportal.de

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