Berlin (ots)
Es sieht nicht gut aus für Kemal Kilicdaroglu. Wenn dem Herausforderer des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht noch ein Wunder gelingt, wird er die Stichwahl an diesem Sonntag verlieren. Die letzten Umfragen sehen den Amtsinhaber mit rund 53 zu 47 Prozent vorn. Es hat sich wieder einmal bewahrheitet, dass Erdogan ein mit allen Wassern gewaschener Wahlkämpfer ist. Er elektrisierte die Massen mit seinem Polit-Machismo und schreckte auch vor Schmutzkampagnen nicht zurück.
Das Bild des starken Mannes hat in der Türkei Konjunktur wie nie. Selbst die über weite Strecken hausgemachte Wirtschaftskrise und das miserable Erdbeben-Management scheinen an Erdogan abzuprallen. Erdogan wird bei einem Sieg versuchen, seine Macht weiter zu zementieren. Was von der freien Presse übrig ist, wird weiter gegängelt werden – mehr als 90 Prozent der Medien stehen bereits unter der Kontrolle von Erdogan nahestehenden Unternehmern. Die Justiz wird der Staatschef ebenfalls noch mehr an die Kandare nehmen. Nicht auszuschließen, dass Erdogan eine Verfassungsänderung anstrebt, die ihm die Herrschaft auf Lebenszeit sichert.
Deutschland und die EU tun gut daran, sich auf eine neue Eiszeit einzustellen. Auch wenn Erdogan am Ende dem Nato-Beitritt Schwedens zustimmen dürfte, weil er im Gegenzug die heiß begehrten amerikanischen F-16-Kampfjets bekommt: Er bleibt für den Westen ein völlig unberechenbarer nationalistischer Desperado. Nicht nur in der Flüchtlingsfrage hat der Präsident jederzeit einen Hebel in der Hand, um Europa unter Druck zu setzen. Das Verhältnis zur Türkei wird dann noch schwieriger.
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