Environmental Justice Foundation Deutschland
Berlin (ots)
- Hitzewellen, Waldbrände, Überschwemmungen, Stürme und Rekordtemperaturen im Ozean: Trotz Klimakatastrophen-Sommer will die Bundesregierung unter dem selbsternannten „Klima-Kanzler“ Olaf Scholz eines der wichtigsten Klimaschutz-Instrumente – das Klimaschutzgesetz – aufweichen.
- Der neue Film der Environmental Justice Foundation (EJF) kritisiert dieses Vorhaben scharf und fordert dringend notwendige und konsequente Klimaschutzmaßnahmen, damit Deutschland seine klimapolitische Glaubwürdigkeit in der EU und über die europäischen Grenzen hinaus nicht verliert.
- Im Interview zum Film kommentiert die Bundestagsabgeordnete und Klimaaktivistin Kathrin Henneberger (Bündnis 90/Die Grünen) die deutsche Klimapolitik und zeigt Lösungen, die uns bereits heute zur Verfügung stehen, um die Klimakrise erfolgreich zu bewältigen.
EJF: Die deutsche Klimapolitik ist aktuell ein großes Thema in den Medien. Das Bundeskabinett hat Ende Juni ein neues Klimaschutzgesetz beschlossen – was ändert sich dadurch konkret?
Kathrin Henneberger: Was sich verändert, ist, dass die aktuelle Sektor-Abhängigkeit wegfällt und dass es eine mehrjährige Vorausschau geben soll. Hier sehe ich ein Problem. Bisher war es sehr gut, dass jeder Sektor bei einer Nichterfüllung ein Sofortprogramm vorlegen musste.
EJF: Warum sehen Sie diese Veränderung kritisch?
Kathrin Henneberger: Beispielsweise im Verkehrsbereich übersteigen die Emissionen die eigentlichen Ziele weit. Wir bräuchten dringend Maßnahmen, um hier massiv CO2-Emissionen zu reduzieren und um zukünftige Emissionen zu vermeiden. Das Problem der Veränderung im Klimaschutzgesetz, wie die FDP sie haben möchte, ist, dass sich der Verkehrsminister dadurch beispielsweise mehr aus der Verantwortung stehlen kann.
Und dann gibt es Sektoren wie beispielsweise den Gebäudebereich, wo wir in den letzten Monaten erlebt haben, wie die fossile Lobby sich unglaublich aufgebäumt hat, um zu verhindern, dass es hier zu einer erneuerbaren Wende kommt. Dahinter stehen mächtige Lobbyinteressen, besonders der Gasindustrie. Dabei ist der Gebäudebereich neben dem Verkehrsbereich einer der Sektoren, die extrem schwächeln und wo wir dringend Maßnahmen brauchen. Aber es ist gut, dass das Gebäudeenergiegesetz jetzt beschlossen wurde. Das ist ein erster, wichtiger Schritt.
EJF: Gibt es auch Bereiche, in denen es anders aussieht?
Kathrin Henneberger: In den unterschiedlichen Sektoren passieren transformative Maßnahmen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Im Bereich erneuerbare Energien beispielsweise gab es jetzt viele neue Gesetze. In der Kürze der Zeit wurde da enorm viel geleistet – besonders im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten, wo die Energiewende massiv ausgebremst wurde.
EJF: Das klingt natürlich erst einmal vielversprechend. Inwiefern kann uns der Kohleausstieg dabei helfen, die Klimaziele einzuhalten?
Kathrin Henneberger: Der Ausstieg aus der Kohle ist ein Kompromiss mit den Energiekonzernen. Weil dort andere Interessen im Spiel sind, kann es natürlich niemals zu einer 1,5-Grad-Kompatibilität kommen. Und das ist, glaube ich, auch insgesamt das Problem, wenn es darum geht, Maßnahmen gegen die Klimakrise durchzusetzen: Wir leben immer noch in einem System, in dem große fossile Konzerne unglaublich viel Macht und Einfluss haben. Beispielsweise hatten wir im Bundestag verabschiedet, dass Lützerath erhalten bleiben muss – das war ein Bundestagsbeschluss – und RWE war diese politische Entscheidung komplett egal.
EJF: Welche zusätzlichen Stellschrauben gibt es, um die Energiewende erfolgreich umzusetzen?
Kathrin Henneberger: Wir müssen insgesamt weniger Rohstoffe verbrauchen. Wir haben immer noch einen unglaublich hohen Primär-Rohstoffverbrauch in allen Bereichen. Und wir müssen unsere Wirtschaft transformieren zu einer Kreislaufwirtschaft. Nur unseren aktuellen Energieverbrauch mit Erneuerbaren zu ersetzen, wird langfristig nicht funktionieren. Wir müssen lernen, energieeffizienter zu wirtschaften und zu leben, aber auch weniger Energie und weniger Primär-Rohstoffe zu verbrauchen.
EJF: Was sind die Vorteile der Energiewende für Verbraucher*innen?
Kathrin Henneberger: Das hat man eigentlich im letzten Jahr sehr klar gesehen: Sobald die Preise bei den Fossilen aufgrund von Unsicherheiten hochgehen, trifft das auch irgendwann die Verbraucher*innen, während der Preis von Erneuerbaren viel stabiler ist. Auf Erneuerbare zu setzen, ist also auch einfach eine Art Preissicherheit für die Verbraucher*innen.
Das Zweite, das ich sehr gerne einführen würde, ist ein demokratisches Energiesystem – also eine dezentrale, erneuerbare Energieversorgung in der Hand von Bürger*innen, damit die Menschen vor Ort einen Anteil an den Erneuerbaren in ihrer Region haben und davon profitieren. Dadurch löst sich auch sehr oft der Widerstand, beispielsweise gegen Windkraftanlagen oder Solarparks.
EJF: Trotz Fortschritten in Deutschland können wir die Klimakrise nicht im Alleingang lösen. Inwiefern halten Sie es für möglich, dass wir weltweit auf erneuerbare Energien umsteigen?
Kathrin Henneberger: Eine globale Energiewende ist nicht nur möglich, sie findet bereits statt. Es gibt einen unglaublichen Drang, die Energiewende vor Ort selbst durchzuführen und eigene Produktionsstätten aufzubauen. In Uganda beispielsweise gibt es ein Projekt, das von Frauen organisiert ist, wo sie Briketts aus Bioabfall herstellen und somit unabhängig von gekaufter Holzkohle werden. Wenn sie genügend produzieren, können sie durch den Verkauf auch eigene Gewinne erzielen. Solche einfachen Lösungen gibt es schon überall.
EJF: Wie wichtig ist die globale Zusammenarbeit und welche Rolle spielt Deutschland dabei?
Kathrin Henneberger: Es gibt so viel, was wir noch voneinander lernen können und dort, wo wir es können, sollten wir das auch finanziell unterstützen. Am Ende des Tages ist das tatsächlich ein bisschen eine Wiedergutmachung, denn wir schulden sie vielen Regionen – einerseits durch die Ausbeutung dieser Länder und andererseits dadurch, dass wir maßgeblich zur Klimakrise beitragen. Wir müssen also auf der einen Seite Emissionen drastisch reduzieren, aber auch durch globale Kooperationen dazu beitragen, dass sich Menschen in anderen Regionen besser vor den Auswirkungen der Klimakrise schützen können.
EJF: Sie haben es bereits angerissen: Als Industrienation heizt Deutschland die Klimakrise maßgeblich an und steht damit auch in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um weltweite Klimagerechtigkeit zu schaffen. Was bedeutet der Begriff „Klimagerechtigkeit“ für Sie?
Kathrin Henneberger: Die Klimakrise ist kein Problem, das wir rein technisch lösen können, sondern eines, das wir gesellschaftlich lösen müssen. Wir müssen anerkennen, dass die Menschen, die weltweit am stärksten von der Klimakrise betroffen sind, diejenigen sind, die am wenigsten zu ihr beigetragen haben. Für sie ist die Klimakrise auch nichts Neues, weil sie seit Jahrhunderten unter Ausbeutung leben. Klimagerechtigkeit bedeutet, dass wir unsere Verantwortung anerkennen und eine Klimapolitik gestalten, die sich nach den Bedürfnissen der Betroffenen richtet.
EJF: Aktuell häufen sich die Nachrichten über die Auswirkungen der Klimakrise. Angesichts dessen fühlt man sich schnell hilflos, besonders wenn man das Gefühl hat, dass die Bundesregierung die Klimakrise immer noch nicht ernst genug nimmt. Haben Sie eine Botschaft an diejenigen, die sich weiter dafür einsetzen, diese Krise einzudämmen?
Kathrin Henneberger: Wir befinden uns in einer absurden Situation. In einer dramatischen Situation sollte man eher sagen: Wir stecken mitten in einer Klimakrise, aber die Machtverhältnisse sind immer noch gegen uns. Genau deswegen ist es so wichtig, dass es weiterhin einen starken zivilgesellschaftlichen Protest gibt, dass NGOs sich einmischen und dass im Parlament weiterhin versucht wird, diese Verhältnisse aufzulösen.
Wenn wir auf die wissenschaftlichen Daten schauen, dann überschreiten wir gerade bereits die 1,5-Grad-Grenze. Trotzdem müssen wir die Kraft finden, weiter zu streiten. Ich finde, dass es da gerade bei der internationalen Klimagerechtigkeitsbewegung enorm viel Kraft gibt. Und das ist meiner Meinung nach einer der Gründe, warum wir es am Ende dann doch noch schaffen werden – weil sich so viele Menschen engagieren und nicht lockerlassen.
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Anna-Maria Grün, Presse & Kommunikation EJF
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