Berlin (ots)
Es mussten 117 Jahre nach deutschen Massakern an Aufständischen im heutigen Tansania und der Vernichtung der Lebensgrundlagen Hunderttausender vergehen, bis ein Staatsoberhaupt der Bundesrepublik die Stätten der Verbrechen aufsuchte und um Vergebung bat. Zugleich dürften die Sätze, die Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch in Songea sprach, juristisch genau geprüft worden sein. Der vorab veröffentlichte Text seiner Rede enthält Worte des Bedauerns, aber nichts, was auch nur als Anerkenntnis der verheerenden, bis heute fortwirkenden, sehr materiellen Folgen der deutschen Kolonialherrschaft in Ostafrika ausgelegt werden könnte. Erst recht kommt die Vokabel „Völkermord“ darin nicht vor. Und nach einer Stunde war der Bundespräsident auch wieder entschwunden.
Entschädigungsleistungen für besonders betroffene Gemeinschaften haben zivilgesellschaftliche Organisationen auf tansanischer wie deutscher Seite – neben der Aufarbeitung der Verbrechen und der Rückgabe von Kulturgütern und sterblicher Überreste hingerichteter Aufständischer – zwar gefordert. Doch auf Geld können sich die Nachfahren der Überlebenden des damaligen Genozids kaum Hoffnung machen – genau wie die Herero und Nama in Namibia. Dort hat die Bundesrepublik entsprechende Forderungen unter Verweis auf vermeintlich großzügige Entwicklungshilfe erfolgreich abgebügelt. Der deutsche Staat will so die Schaffung eines Präzendenzfalls vermeiden. Denn ließe man sich auf irgendeine Art von Reparationen ein, könnten Länder wie Griechenland und Polen, die im Zweiten Weltkrieg in besonderer Weise unter den Deutschen gelitten haben, ebenfalls neue Forderungen aufmachen. Auch deshalb blieb es in Tansania wie anderswo bei warmen Worten.
Pressekontakt:
nd.DerTag / nd.DieWoche
Redaktion
Telefon: 030/2978-1722
Original-Content von: nd.DerTag / nd.DieWoche, übermittelt durch news aktuell