Berlin (ots)
Als die deutsche Nationalmannschaft am Wochenende in Berlin gegen die Auswahl der Türkei auflief, wurde sie von den türkischen Fans mit einem gellenden Pfeifkonzert empfangen. Diese Szenen könnte man als Folklore aus der Sportwelt abtun. Doch steckt dahinter nicht einmal mehr die Frage, wie es um die Integration in Deutschland steht, und für wen das eigentlich was genau bedeutet – „Integration“?
Im Fokus des Spiels standen zwei Männer, die wie ich aus Gelsenkirchen stammen und türkischer Herkunft sind. Der eine ist Ilkay Gündogan, Kapitän der DFB-Auswahl, der erste mit türkischen Wurzeln, dem diese Ehre zuteil wird. Und doch wurde er gnadenlos ausgepfiffen von den türkischen Fans, die ja zum überwiegenden Teil auch Deutsche sind oder zumindest hier geboren und aufgewachsen.
Gündogan hatte zusammen mit seinem Ex-Nationalmannschaftskollegen Mesut Özil 2018 den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan getroffen und ihm ein Trikot mit der Aufschrift „Mit Respekt für meinen Präsidenten“ überreicht. Das hatte hierzulande für heftige Kritik gesorgt. Gündogan entschuldigte sich, zeigte Verständnis für die Empörung.
Der Zweite im Bunde, ebenfalls Deutscher mit türkischen Wurzeln und begnadeter Fußballer, reagierte anders. Özil hatte kein Verständnis für die Kritik am Foto mit „seinem Präsidenten“. Er witterte Rassismus, hatte das Gefühl, „die Deutschen“ wollten ihm aufzwingen, was richtig und was falsch ist – und dass er selbst nur so lange als einer von ihnen gesehen wird, wie er sich füge. Tatsächlich empfinden wohl sehr viele Deutschtürken so, weshalb sie Özil in der Folge eher huldigten, als dieser mit der deutschen Nationalmannschaft brach, und weshalb sie Gündogan wie einen „Verräter“ auspfiffen.
Dabei scheint diesen Menschen die Selbstreflexion abhandengekommen zu sein, wenn sie bei Konflikten um unsere Grundwerte immer meinen, man würde ihnen den Mund verbieten wollen. Niemand, der bei Verstand ist, will diesen Menschen ihre Identität streitig machen, ihre Herkunft und Abstammung. Aber Integration bedeutet auch, dass man mindestens akzeptieren muss, dass die Gesellschaft, in der man lebt, Grundwerte hat – Prinzipien. Und dazu gehört unter anderem, dass die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist, und das Versprechen, dass Menschen jüdischen Glaubens hierzulande „nie wieder“ in Angst leben sollen.
Auffällig viele Muslime in Deutschland nehmen davon aber nichts an und reagieren auf Kritik an ihrem Antisemitismus wie einst Mesut Özil. Mit der Erzählung von den vermeintlich Unterdrückten. Dabei schwingt immer ein „Wir gegen die“ mit – unabhängig davon, welchen gesellschaftlichen Status die Leute erlangt haben.
Natürlich gibt es auch heute noch Benachteiligungen, die Menschen mit offensichtlichem Migrationshintergrund erleben, und das schmerzt. Aber längst sind Deutschtürken und andere Migrantenenkel in allen Bereichen der Gesellschaft angekommen. Dennoch zählen sie sich selbst nur bedingt als Teil der deutschen Gesellschaft. Wenn hier geborene und aufgewachsene Frauen und Männer für „den Tod Israels“ und für die Hamas demonstrieren, lässt das tief blicken.
Es stellt sich die Frage, wie vereinbar diese Sicht auf die Welt mit unserer Gesellschaft ist. Und wie nachhaltig die Integration dann gelungen ist. Die Antwort: gar nicht!
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