Düsseldorf (ots)
Immer weniger Apothekerinnen und Apotheker sind bereit, sich selbständig zu machen. Immer öfter müssen Betriebe ohne Nachfolge schließen. Die Zahl der Apotheken in Nordrhein – sie sinkt seit 1999, der Trend hält seit 24 Jahren an. „Zu geringe Honorierung, zu viel Bürokratie, nicht enden wollende Lieferengpässe, ein sich immer mehr verschärfender Fachkräftemangel – das alles macht es den Inhaberinnen und Inhabern schwer“, resümiert Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein beim Blick auf die jüngste Statistik. Immer weniger Apotheken, das bedeutet in Konsequenz mehr Nacht- und Notdienste für die verbliebenen. In ländlichen Regionen werden die Wege für Patienten weiter. „Das darf so nicht weitergehen, Berlin muss endlich gegensteuern – aber bisher ist da nichts in Sicht.“
2023 haben im Kammerbezirk Nordrhein 48 Apotheken für immer geschlossen, dem gegenüber stehen lediglich 14 Neueröffnungen – 34 Betriebsstätten weniger im Kammerbezirk Nordrhein. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe verzeichnet im selben Zeitraum einen Rückgang von 49 Apotheken (53 Schließungen, 4 Neueröffnungen). In Nordrhein haben die meisten Apotheken in Köln geschlossen (9), gefolgt von Mettmann (4) sowie Düren, Neuss und Mönchengladbach (je 3).
Der Blick in die Zukunft verheißt wenig Gutes. Rund ein Drittel der Inhaberinnen und Inhaber öffentlicher Apotheken in Nordrhein ist 60 Jahre oder älter. „Das bedeutet, dass wir dringend junge Approbierte brauchen, die bereit sind, diese Apotheken früher oder später zu übernehmen“, so Dr. Armin Hoffmann. Viel Energie, Engagement und finanzieller Spielraum sei gefragt. Gerade letzterer fehle oft, weil Banken die desolate Ertragslage durchaus kennen. Nach Abzug der Fixkosten bleibe Inhaberinnen und Inhabern oft kaum mehr übrig als Angestellten. „Deshalb muss endlich mehr Geld ins System, um die wohnortnahe Versorgung der Menschen mit Medikamenten zu stabilisieren“, so Dr. Armin Hoffmann. Das Honorar, das Apotheken heute erhalten, entspricht dem von vor 20 Jahren. Diese Vergütung ist gesetzlich geregelt. „Sichere Zukunftsplanung ist so für junge Kollegen kaum möglich.“
Ende 1999 gab es in Nordrhein noch 2.583 Apotheken, 574 mehr als heute. Seitdem ist es sieben Bundesgesundheitsministern (Andrea Fischer, Ulla Schmidt, Philipp Rösler, Daniel Bahr, Hermann Gröhe, Jens Spahn und seit Dezember 2021 nun Karl Lauterbach) nicht gelungen, für eine Trendumkehr zu sorgen. „Auch die jüngsten Pläne aus Berlin werden die Abwärtsspirale nicht aufhalten. Mehr noch, Lauterbachs Ideen haben das Potenzial, das bewährte System zu zerstören. Sie sorgen schon jetzt für enorme Verunsicherung bei den Kollegen. Ich bin enttäuscht, dass gerade ein Sozialdemokrat die Versorgung vor Ort so dermaßen ruiniert und große Kapitalgesellschaften gestärkt werden. Apotheken ohne Apotheker, keine adäquate Verbesserung der Vergütung – Lauterbachs bisherige Initiativen und Pläne sind unzureichend und gehen an der Realität vorbei“, erklärt Dr. Armin Hoffmann.
Angesichts der seit langem angespannten Lage ist damit zu rechnen, dass die Apotheken ihre Proteste in diesem Jahr weiter intensivieren werden. Im Juni und November vergangenen Jahres hatten sie jeweils an einem Mittwoch geschlossen, um zu demonstrieren.
Über uns: Apothekerkammer Nordrhein
Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts Trägerin der berufsständischen Selbstverwaltung der Apothekerinnen und Apotheker, die in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf arbeiten oder leben. Sie vertritt die Interessen der über 11.900 Kammerangehörigen, die in öffentlichen Apotheken, Krankenhäusern, Wissenschaft, Industrie und Verwaltung oder bei der Bundeswehr tätig sind. Die Apotheke vor Ort übernimmt eine hoheitliche Aufgabe: die sichere, vom Heilberuf getragene, wohnortnahe Versorgung der Menschen mit Arznei- und Hilfsmitteln, 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr.
Stimmen von Betroffenen zu Apothekenschließungen
Julia Klauser, ehemals Inhaberin der Kloster-Apotheke, Frechen: „Es ist ein wunderschöner Beruf. Der Bürokratie-Wahnsinn, der Fachkräftemangel, die Geringschätzung durch die Politik, das macht einen mürbe. Ich habe seit anderthalb Jahren keinen Urlaub mehr gehabt. Von morgens bis abends muss ich irgendwelche Formfehler korrigieren, die andere gemacht haben, die mir aber ans Geld gehen. Retaxationen nennt man das dann. Oft darf ich den Menschen nicht das geben, was ich dahabe. Rabattverträge kennen, bloß keine Kreuzchen vergessen, sonst kriegt man von der Kasse gar kein Geld mehr. Neulich hat eine Kollegin einem Patienten das Leben gerettet – er sollte auf einmal eine 10-fach höhere Dosis bekommen. Wenn meine Mitarbeiterin das nicht bemerkt hätte, wäre sein Leben in Gefahr gewesen. Aber Herr Lauterbach möchte Apotheken ohne Apotheker. Meine Mutter und ich haben die Apotheke 55 Jahre geführt, jetzt reicht es mir. Ich tue mir das nicht mehr an.“ (Frau Klauser hat ihre Apotheke im Erftkreis zum 01.01.2024 geschlossen. Infolgedessen taucht die Schließung ihrer Apotheke in der Jahres-Statistik 2023 nicht auf.)
Hans Jakob Goldstein, ehemals Inhaber der Südpark-Apotheke, Neuss: „Ich bin über 70 und habe die vergangenen zweieinhalb Jahre vergeblich versucht, Personal zu finden. Umsatz und Kostenstruktur waren in Ordnung – ich war mit drei Interessenten im Gespräch, wegen einer Übernahme der Apotheke. Aber als die gehört haben, dass es so schwer ist, PTA zu finden, haben sie Abstand davon genommen und ich musste die Apotheke schließen, nach mehr als 44 Jahren.“ (Schließung zum 20.12.2023)
Klaus Hoffmann, ehemals Inhaber der Scarabäus-Apotheke, Solingen: „Über die Jahre hatte ich bis zu drei Apotheken – das macht natürlich eine Menge Arbeit und jede Filiale ist auch teurer als die Hauptapotheke. Am Ende war es eine Art Abwägungsprozess. Viel zu tun, bei einem immer kleiner werdenden Betriebsergebnis. Man ist Heilberufler, ganz klar, aber eben auch Kaufmann. Die Elch-Apotheke, die mir noch gehört, liegt relativ nah zur ehemaligen Scarabäus-Apotheke. Viele Patienten kommen nun hier her.“ (Schließung zum 28.02.2023)
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