Mainz. (ots)
Stell dir vor, es ist Bahnstreik – und keiner bemerkt einen Unterschied. Weil in Deutschland Züge seit Jahren nicht mehr pünktlich fahren, nach fünf Schneeflocken ohnehin alles ausfällt, Schienen und ICEs schrottreif sind und Stellwerke regelmäßig krankheitsbedingt den Betrieb einstellen. So weit, so schlecht. Und dann noch Streik? Einerseits müsste man Verständnis für das überlastete Personal haben, gerade angesichts satter Boni für Bahn-Manager. Andererseits passt der Ruf nach weniger Arbeitszeit bei gleichem Gehalt nicht in eine Zeit akutesten Personalmangels. Die Nachsicht der Bevölkerung mit einer Berufsgruppe, die für ihr Partikularinteresse drei Tage lang das Land lahmlegt, hielt sich bislang in Grenzen. Nicht zuletzt „dank“ einer größenwahnsinnigen Mini-Gewerkschaft mit einem Chef, der seine Agenda ohne Rücksicht auf Verluste verfolgt. Es braucht aber nicht viel Fantasie, um den Arbeitskampf der Lokführer in eine größere, derzeit viel verlockendere Erzählung einzubetten: den Kampf der ehrlichen Malocher gegen Manager und Politiker, „die da oben“. Die gewaltige Solidarität mit dem Bauernprotest war ein deutlicher Fingerzeig. Der einflussreichen Lobby gelang es freilich, die Landwirte als uneigennützige Volksversorger zu verkaufen, die sich, weit weg von Eigeninteressen, fürs Gemeinwohl engagieren. Gegenüber den – als gierig gebrandmarkten – Bahnern zeigte man sich unsolidarisch. Dabei spielen auch diese eine wichtige gesellschaftliche Rolle, zumindest wenn die Verkehrswende halbwegs ernst gemeint sein soll. Von Wertschätzung hört man momentan viel, diese ist immer häufiger mit „mehr Geld“ zu übersetzen.
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