Berlin (ots)
Der AOK-Bundesverband begrüßt die Ankündigung des Bundesgesundheitsministeriums, einen Expertenrat für Finanzierungslösungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einzusetzen. „Der aktuelle Gesetzesentwurf ist jedenfalls völlig ungeeignet, die strukturelle Milliardenlücke der GKV langfristig zu schließen. Deshalb ist es gut, Sachverstand zusammenzubringen, um tragfähige Lösungen von Dauer zu entwickeln“, sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jens Martin Hoyer. Der AOK-Bundesverband erwarte, dass er an den Beratungen des Expertenrates beteiligt werde.
Der aktuelle Referentenentwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) stößt bei der AOK-Gemeinschaft derweil auf deutliche Ablehnung. In der aktuellen Stellungnahme des AOK-Bundesverbandes ist die Liste der Kritikpunkte lang. So schaffe das Vorhaben eine gravierende Ungerechtigkeit zulasten der Beitragszahlenden, die mehr als zwölf Milliarden Euro und damit mehr als zwei Drittel der Mittel aufbringen sollen, die für das Stopfen des für 2023 prognostizierten Finanzlochs erforderlich sind. Das Gesetz sei alles andere als nachhaltig, biete aber „auch kurzfristig keine gesicherte Finanzperspektive“. Stattdessen gefährde es die finanzielle Stabilität der GKV fundamental.
Der Zugriff auf die verbliebenen Kassenrücklagen sei eine erneute Konfiszierung von Beitragsgeldern, nachdem bereits im vergangenen Jahr Kassenrücklagen von mehr als acht Milliarden Euro zwangsweise abgeschöpft worden waren. Dieser Vorgang war in der Gesetzesbegründung damals noch als „einmalig“ bezeichnet worden. Bei der vorgegebenen Mindestrücklage von 0,2 Monatsausgaben würden die Kassen „an die viel zu geringe Untergrenze gedrängt“. Angesichts der anhaltend negativen Finanzentwicklung und nicht planbarer Ausgabenschwankungen könnte das schnell ein Unterschreiten der Mindestreserve, weitere Finanzbedarfe und drastische Anpassungen des Zusatzbeitrags zur Folge haben und die Zahlungsunfähigkeit einzelner Kassen sei nicht ausgeschlossen.
Erneuter Rücklagenabbau verstößt gegen verfassungsrechtliche Vorgaben
„Die erneute Zwangsreduktion der Rücklagen ist mit den Anforderungen an die Insolvenzsicherheit in keiner Weise in Einklang zu bringen“, kritisiert Hoyer. Die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen als selbstverwalteten und für ihre Haushalte autonom verantwortlichen sowie insolvenzfähigen Körperschaften sei unter diesen Rahmenbedingungen massiv gefährdet. Nach Auffassung des AOK-BV verstößt der Zugriff gegen verfassungsrechtliche Vorgaben und stellt einen wiederholten gravierenden Eingriff in die Haushaltsautonomie der sozialen Selbstverwaltung der Kassen dar.
Die Stellungnahme des AOK-BV nennt auch alternative Lösungsansätze: „Die Belastung der Beitragszahlenden könnte vollständig vermieden werden, indem der Bund auf der Einnahmeseite seiner Finanzierungsverantwortung für angemessene Krankenversicherungsbeiträge für ALGII-Beziehende nachkommt – wie auch im Koalitionsvertrag vereinbart.“ Dies gelte gleichermaßen auf der Ausgabenseite für die überhöhten Steuerabgaben auf Arzneimittel, von denen der Bundeshaushalt zu Lasten der Beitragszahlenden profitiere. Bei entsprechenden Anpassungen an diesen beiden Stellen könnte man die „Finanzierungslücke der GKV um 15 bis 16 Milliarden Euro reduzieren“.
Dass die Beitragszahlenden nicht auch noch durch Leistungskürzungen oder erhöhte Eigenbeteiligungen belastet werden sollen, wird dagegen ausdrücklich befürwortet. Zustimmung gebe es auch für einige Maßnahmen auf der Ausgabenseite, vor allem im Arzneimittelbereich. Allerdings seien diese Maßnahmen noch ungenügend. Kurzfristig seien „echte Nullrunden bei der Preis- und Mengenentwicklung“ notwendig. In Kombination mit einer Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel ließe sich mit diesen Maßnahmen ein Einsparpotenzial von bis zu zehn Milliarden Euro realisieren.
Die Stellungnahme des AOK-Bundesverbandes steht zum Download unter https://aok-bv.de/positionen/stellungnahmen/index_25726.html
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