Dortmund (ots)
Über die dringende Notwendigkeit einer nachhaltigen Krankhausreform in Deutschland besteht großes Einvernehmen unter allen beteiligten Akteuren. Doch über die konkrete Umsetzung gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen. Wie die Reform gelingen kann, darüber diskutierten heute namhafte Expertinnen und Experten beim AOK-Tag der Selbstverwaltung in Dortmund. „Es darf keine faulen Kompromisse zu Lasten der Versorgungsqualität und zu Lasten der Beitragszahlenden geben“, mahnte AOK-Vorstandsvorsitzender Tom Ackermann. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann kündigte unterdessen an, dass sich die Umsetzung der Krankenhausplanung in NRW auf der Zielgeraden befinde. „Bis Ende des Jahres sollen alle Krankenhäuser ihre Feststellungsbescheide erhalten. Wir stellen dabei klare Qualitätsvorgaben und den tatsächlichen Bedarf in den Mittelpunkt. Damit sind wir bundesweit Vorreiter“, so Laumann.
Mindestfallzahlen und verbindliche Strukturanforderungen
Während sich in NRW die neue Krankenhausplanung in der Abschlussphase befindet, wird parallel auf Bundesebene weiter über eine grundlegende Krankenhausreform und das derzeit im parlamentarischen Verfahren befindliche Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach debattiert. Dazu erklärte Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK NordWest: „An einem Strukturumbau der Krankenhauslandschaft führt kein Weg vorbei – das gilt für NRW genauso wie auf Bundesebene. Bund und Länder müssen sich dieser Verantwortung gemeinsam stellen, so dass die Krankenhausplanung auf Landesebene und die bundesweite Vergütungsreform ineinandergreifen. Die Ausrichtung der Krankenhausplanung an dem konkreten Versorgungsbedarf und der dafür notwendigen Qualität über verbindliche Strukturvorgaben ist die Basis. Konzentration und Spezialisierung bei gut erreichbarer Grund- und Regelversorgung sind notwendig, um die knappen personellen und finanziellen Ressourcen in Medizin und Pflege effizienter einzusetzen“, so der AOK-Chef.
„Bund muss seine Hausaufgaben machen“
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann machte deutlich, dass im Zusammenhang mit dem KHVVG nach wie vor eine Verständigung zwischen Bund und Ländern möglich sei – wenn der Bund sich bewege und seine Hausaufgaben mache. „Wir warten beispielsweise immer noch auf die schon vor langer Zeit angekündigte Auswirkungsanalyse des Bundes. Wir müssen schon wissen, was die vom Bundesgesundheitsminister angedachte Reform in Euro und Cent bedeutet. Und: Wir müssen schon sicher sein können, dass die verfassungsrechtlich zugewiesene Planungshoheit bei den Ländern bleibt. Denn Krankenhausplanung kann nicht mit einer Bundesschablone betrieben werden“, so Laumann.
KHVVG deutlich verbessern, Gießkannenfinanzierung vermeiden
Eine umfassende Krankenhausreformforderte auch Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. „Dazu gehört eine Krankenhauslandschaft, die sich am tatsächlichen Versorgungsbedarf der Menschen orientiert und die Versorgung insbesondere auf dem Land sicherstellt. Bei der Ausgestaltung von Level 1i-Kliniken (sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen) wird es keine Universallösung für alle Standorte geben. Vielmehr zählt der tatsächliche Bedarf der Bevölkerung, der sich auf dem Land und in der Stadt unterscheidet“, sagte Stoff-Ahnis. Nach den Worten der stellvertretenden Vorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes sollte in den kommenden Wochen der Gesetzentwurf zum KHVVG im parlamentarischen Verfahren deutlich verbessert werden. „Dabei ist für uns zentral, dass es keine ‚Gießkannenfinanzierung‘ geben wird und eine hohe Versorgungsqualität im Vordergrund steht“, so Stoff-Ahnis.
NRW-Krankenhausreform geht nicht weit genug
Johannes Heß, alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates der AOK NordWest und Arbeitgebervertreter, betonte, dass NRW mit der neuen, differenzierten Planungssystematik einen wichtigen Schritt in Richtung einer am Bedarf ausgerichteten Krankenhausplanung gegangen sei. Für Heß seien die neuen angestoßenen Konzentrationsprozesse jedoch nicht ausreichend. „Das hatte ich angesichts der Klinikdichte in NRW, der Diskussion um die unzureichende Auslastung der Krankenhäuser durch rückläufige Fallzahlen, Überkapazitäten und dem bisher nicht ausgeschöpften Ambulantisierungspotenzial durchaus anders erwartet“, so Heß. Gerade mit dem Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel habe Heß erhebliche Zweifel, dass der Krankenhausplan NRW dazu den erforderlichen Beitrag leiste. Zwar sei die Anzahl der Ärzte in Deutschland so hoch wie nie, allerdings arbeiteten derzeit bis zu 40 Prozent des ärztlichen Personals in Teilzeit. „Gerade in kleineren Abteilungen, in denen zum Beispiel Nachtdienste anfallen, entsprechen die Arbeitszeiten oft nicht den berechtigten Anforderungen gerade der jüngeren Generation. Deshalb sind angemessene Strukturen anzustreben“, so Heß.
Beitragszahlende werden erneut zur Kasse gebeten
Lutz Schäffer, alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates der AOK NordWest und Versichertenvertreter, wies darauf hin, dass sich die Finanzlage der Kliniken weiter zugespitzt habe. Dazu hätten auch die Länder durch ihre Investitionspolitik der vergangenen Jahrzehnte einen erheblichen Teil beigetragen. Zu begrüßen sei, dass im Zusammenhang mit der neuen Krankenhausplanung das Land NRW seine Investitionsmittel nunmehr kräftig aufgestockt habe. Kritisch äußerte sich Schäffer darüber, dass der Bund für den Umbau der Krankenhauslandschaft seine Beteiligung am geplanten 50 Milliarden Euro umfassenden Transformationsfonds aufgekündigt habe. „Das ist nicht hinnehmbar. Statt die Länder mit Bundesmitteln zu unterstützen, sollen jetzt die Beitragszahlenden der Gesetzlichen Krankenversicherung die notwendigen Investitionen mitfinanzieren und 25 Milliarden Euro aufbringen. Damit wird der Grundsatz der dualen Finanzierung ad absurdum geführt.“
NRW-Modell als Vorlage für Bundesebene
Für Wolfgang Mueller, Geschäftsführer der Vestischen Caritas-Kliniken, könne das Modell der neuen NRW-Krankenhausplanung als Vorlage auf der Bundesebene übernommen werden. „Es bedarf keiner weiteren Leistungsgruppen, keiner höheren Facharztanforderungen“, so Mueller. Nach seiner Auffassung müssten Kooperationsmöglichkeiten in der medizinischen Versorgung auf der Bundesebene nach den Bedingungen des NRW-Modells möglich sein. „In NRW ist die regionale Grundversorgung der Bevölkerung sichergestellt, es gibt eine überraschend starke Konzentration bei spezialisierten Leistungen. Über einzelne Korrekturen bei den Zuweisungen, über Leistungsmengen und über Übergangsfristen zur Umsetzung sollte jedoch noch gesprochen werden“, sagte Mueller.
Patientensteuerung verbindlicher gestalten
Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Johannes Albert Gehle, betonte, dass es für die Versorgung von Patientinnen und Patienten über Sektorengrenzen hinweg keine neuen Strukturen und Institutionen brauche. „Wichtig ist jedoch, die Versorgungswege zwischen ambulantem und stationärem Bereich klarer als bisher aufzuzeigen und im Sinne deutlich besserer Patientensteuerung verbindlicher zu gestalten“, so Gehle. Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung hätten in Westfalen-Lippe diesen Gedanken beispielhaft für den Bereich der Notfallversorgung im Sinne einer ressourcenschonenden Patientenversorgung entwickelt. „Sektorübergreifende Versorgungseinrichtungen, wie sie die Krankenhausreform vorsieht, müssen unter ärztlicher Leitung stehen. Sie lösen allerdings nicht das Problem des bestehenden Ärzte- und Fachkräftemangels, auch die wichtige Frage nach der Möglichkeit ärztlicher Weiterbildung zur Qualifikation des Berufsnachwuchses in derartigen Einrichtungen ist noch offen“, sagte Gehle.
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