Berlin (ots)
Es ist kein runder, aber doch wieder ein besonderer Jahrestag in Berlin: Vor 33 Jahren, am 9. November 1989, fiel die Mauer, die Berlin viele Jahre lang in zwei Stadthälften geteilt und so viel Leid über die Menschen gebracht hatte. In den Monaten zuvor waren viele Männer, Frauen und Familien mit ihren Kindern aus der DDR über Ungarn und die damalige Tschechoslowakei geflohen, der wirtschaftliche Niedergang der DDR war nicht mehr aufzuhalten; immer mehr Menschen, nicht nur die mutigen Bürgerrechtler, waren nach dem Wahlbetrug im Mai 1989 bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig und anderen Städten auf die Straße gegangen und hatten mehr Presse- und Meinungsfreiheit, auch Wahl- und Reisefreiheit gefordert.
Die friedliche Revolution, sie war nicht mehr aufzuhalten – und doch, die Öffnung der Grenzen, der Mauerfall an jenem Novemberabend kam dann immer noch überraschend. Und welch ein Glück, dass an jenem Abend – wie auch in den Wochen zuvor bei den Montagsdemonstrationen – kein Schuss fiel, dass kein DDR-Grenzer zur Waffe griff, um die nach West-Berlin strömenden Menschen aufzuhalten, welch ein Glück, dass dieser Umsturz friedlich verlief.
Vor 33 Jahren habe ich den Mauerfall, das Zusammenkommen von West- und Ostdeutschland, die deutsche Einheit, die nur ein knappes Jahr später geschlossen werden konnte, als großes Glück empfunden. Und ich tue es bis heute. Auch wenn ich damals nicht ahnte, wie lange dieser Einheitsprozess dauern würde, wie viele Verletzungen es während dieser drei Jahrzehnte geben würde. Dass der Zusammenbruch eines Systems die Menschen, die in diesem System gelebt haben, herausfordern würde, dass war uns allen klar. Was dies für die DDR-Bevölkerung bedeutete, die sich auf eine ganz neue Gesellschaftsordnung mit all ihren Regeln und Regelwerken einlassen musste, das hatten selbst Experten nicht vorausgesehen. Ich ahnte auch nicht, dass die Sozialisation der Menschen in Ost und West uns alle so sehr geprägt hat – und bis heute noch prägt. Und ich hätte damals, 1989, nicht gedacht, dass die Unterschiede von vielen Deutschen nicht als Bereicherung empfunden werden, sondern dass man sich lieber abgrenzte und fremd blieb.
„Wir werden uns viel verzeihen müssen“, hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) 2020, in der Anfangszeit der Corona-Pandemie, gesagt, wissend, dass beim Versuch, eine solche Pandemie zu bewältigen, auch Fehler gemacht werden. Ein Satz, den man seit dem Mauerfall – und bis heute – auf den umwälzenden Prozess der Wiedervereinigung anwenden kann, denn natürlich sind nach 1989 auch Fehler gemacht worden.
Der 9. November, er steht in Berlin aber nicht nur für das Glück des Mauerfalls, sondern auch für zwei weitere bedeutsame Ereignisse unserer Geschichte: 1918 wurde an jenem Tag in Berlin die Republik ausgerufen, mit der nach dem todbringenden Ersten Weltkrieg viel Hoffnung verknüpft war. Doch die Weimarer Republik, sie scheiterte – und mündete 1933 in die Machtergreifung der Nationalsozialisten. Und so ist der 9. November auch verbunden mit den Pogromen 1938, der Nacht, in der Synagogen und andere jüdische Einrichtungen zerstört und Juden getötet wurden. Deshalb feiern wir in Berlin in den letzten 33 Jahren zwar den Mauerfall und die friedliche Revolution, erinnern aber auch an die Pogromnacht vor 84 Jahren – und gedenken der Opfer.
Der 9. November – er ist für mich Berlins wahrer Feier- und Gedenktag.
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