Berlin (ots)
Es gibt diesen einen Satz, der Olaf Scholz vermutlich noch bis ins Grab verfolgen wird. Immer dann, wenn es in der Ampel-Koalition mal wieder nicht rund läuft – also sehr häufig -, wird er dem Kanzler um die Ohren gehauen. Jetzt gibt es wieder allen Anlass dazu: „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch“, hat Scholz einmal gesagt. Schön wär’s.
Nun gab der Kanzler im Bundestag eine Regierungserklärung ab. Zur Haushaltskrise nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches die gesamte Finanzplanung der Koalition zunichte gemacht hat. Wer sich vom Regierungschef Antworten auf die Frage erhofft hatte, wie es jetzt konkret weitergeht mit der Modernisierung des Landes, mit Klimaschutz, Digitalisierung, Infrastruktur, Wohnungsbau, Kindergrundsicherung, Rente und Sicherheit, ja mit dem Regierungsbündnis als solchem, der wurde enttäuscht.
Die Ampel plant derzeit für vier Wochen. Das ist der Zeitraum, der verbleibt, um nach dem Karlsruher Urteil einen verfassungsgemäßen Bundesetat für das laufende Jahr aufzustellen. Dafür will die Koalition noch einmal die Schuldenbremse außer Kraft setzen. Es geht vor allem darum, die bereits gezahlten Mittel für die Dämpfung der Energiepreise auf eine saubere Grundlage zu stellen. Den Entwurf für einen Nachtragshaushalt hat die Regierung bereits beschlossen, jetzt ist das Parlament am Zug.
Scholz verwendete am Dienstag einen Großteil seiner Redezeit darauf, dieses Vorgehen zu rechtfertigen. Mit Blick auf das kommende Jahr allerdings blieb er vage. An den großen Linien ihrer Politik will die Ampel festhalten. Niemand werde zurückgelassen, im Haushalt 2024 werde es aber auch Einsparungen geben, sagte Scholz. Welche das sein werden, welche Projekte zur Disposition stehen, ob noch einmal die Schuldenbremse außer Kraft gesetzt werden soll: All das sagte Scholz nicht. Führung? Ist gerade nicht im Angebot.
Der Kanzler und seine Koalition fahren derzeit auf Sicht, und die beträgt nur wenige Meter. Die Ampel ist jetzt seit zwei Jahren in der Regierungsverantwortung. Die nächste reguläre Bundestagswahl findet 2025 statt – sofern die Koalition bis dahin durchhält.
Im Grunde sind SPD, Grüne und FDP jetzt in einer Situation, in der sie noch einmal Koalitionsverhandlungen führen müssen. Sie müssen festlegen, wofür 2024 und 2025 überhaupt Geld da sein wird und wofür nicht. Wenn es darüber eine Verständigung gibt, kann das Bündnis die zweite Hälfte der Legislaturperiode überstehen. Bleibt diese Verständigung aus, ist die Ampel am Ende.
Zum Gesamtbild gehört allerdings, dass auch die Opposition am Dienstag eine Chance vertan hat. CDU-Chef Friedrich Merz hätte sich in seiner Entgegnung auf Scholz als der bessere Kanzler und als Staatsmann empfehlen können. Statt konkrete Vorschläge für einen Weg aus der Haushaltskrise zu unterbreiten, begnügte er sich damit, Scholz als Person zu attackieren.
Die Union kann sich zugutehalten, mit ihrer erfolgreichen Klage in Karlsruhe die Koalition nachhaltig geschwächt zu haben. Das ist nichts Unsittliches, sondern das gute Recht der Opposition. Richtig ist allerdings auch: Das Urteil des Verfassungsgerichts mag die Handlungsspielräume der amtierenden Regierung stark begrenzen. Es wird aber der Tag kommen, an dem das auch für eine unionsgeführte Bundesregierung gilt. Die riesigen Aufgaben, vor denen das Land steht, werden ja nicht kleiner – ganz egal, ob der Kanzler Scholz heißt, Merz oder sonst wie.
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