Berlin (ots)
Endlich! Am frühen Mittwochmorgen sickerte es durch: Einigung im Haushaltsstreit, weißer Rauch über dem Kanzleramt. Knapp vier Wochen nach dem Karlsruher Urteil und einer weiteren langen Nacht im engsten Kreis haben sich Kanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner in der Nacht zum Mittwoch auf eine Lösung im Haushaltsstreit geeinigt. Das ist die gute Nachricht.
Die schlechte Nachricht ist: Die Koalition hat immer größere Mühe, sich zusammenzuraufen, Gräben zu überbrücken und einen gemeinsamen Pfad zu finden. Dabei werden die Herausforderungen in den kommenden Monaten eher noch wachsen – schon deshalb, weil der Kompromiss im Streit um die Schuldenbremse nicht grundsätzlich, sondern nur taktisch entschärft ist: Ausnahmefälle für das Ahrtal und die Ukraine-Hilfe sollen geprüft werden.
Der SPD reicht das nicht, die Schuldenbremse bleibt das rote Tuch für die Sozialdemokraten. Man kann die Uhr danach stellen, wann es wieder Zoff gibt.Christian Lindner versuchte es am Mittwochmittag beim Auftritt mit Scholz und Habeck mit einem müden Gag: Anders als viele Menschen im Land sei die Dreierrunde in den vergangenen Wochen nicht von Einsamkeit betroffen gewesen, witzelte der Finanzminister, konnte aber nicht mal selbst darüber lachen. Wie auch? Schließlich waren es Lindner und seine FDP, die mit ihrem harten Nein zu einem erneuten Aussetzen der Schuldenbremse die schier endlosen Verhandlungsrunden überhaupt erst nötig gemacht hatten.
Herausgekommen ist nun eine Lösung, deren ganzes Ausmaß erst nach und nach sichtbar werden dürfte. Um die Lücke von 17 Milliarden im Haushalt für 2024 zu schließen, gibt es jetzt viele Stellschrauben, die nicht alle gleich zum 1. Januar spürbar werden. Klar ist bereits: Die Verbraucher werden fürs Tanken und Heizen mit fossilen Energien mehr zahlen müssen als bisher. Klar ist auch: Krasse Einschnitte bei Sozialleistungen soll es nicht geben.
Zwischen dem Karlsruher Urteil im November und der Einigung zehn Tage vor Weihnachten lagen nicht nur zahllose Nachtsitzungen, die das Bild einer Koalition verstärkten, die sich nicht einigen kann, weil sie sich im Grunde schon lange nicht mehr einigen will. Es entstand auch der Eindruck, dass die drei nur noch von der Vorstellung zusammengehalten werden, dass nach einem Ampel-Aus alle drei als Verlierer dastehen würden – und der einzige Gewinner Friedrich Merz und die Union wären.
Je lauter CDU und CSU nach Neuwahlen riefen, desto klarer dürfte den Ampel-Partnern gewesen sein: Einigung oder Absturz. Vor allem die FDP konnte sich ausrechnen, dass ein Ende der Koalition schnell auch zum parlamentarischen Ende der Liberalen führen könnte.
Zu anderen Zeiten hätte man Scholz, Lindner und Habeck nach vier Wochen Geheimniskrämerei politisches Showtalent unterstellt: nächtelanges Tauziehen, um auch dem letzten Parteimitglied zu demonstrieren, dass man es sich nicht leicht gemacht hat und jeder Kompromiss hart erkämpft ist. In diesen Zeiten wäre das nicht nur zynisch, sondern auch fehl am Platz.
Alle drei, das muss man ihnen zugutehalten, wussten, dass ein Scheitern letztlich bei vielen den Eindruck verstärkt hätte, dass die Demokratie am Ende ist, dass der Staat handlungsunfähig ist. Es wäre ein fatales, ein falsches Signal. Die Ampel-Leute sind vieles, aber geschichtsvergessen sind sie nicht.
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