Berlin (ots)
Es ist eine gute Nachricht für Polen, Deutschland und das vereinte Europa. Bei den Parlamentswahlen in Polen hat die rechtsnationale PiS-Partei zwar ihre Position als stärkste Kraft verteidigt, ihre Mehrheit aber offenbar verloren. Stimmen die Prognosen, waren die Wähler der PiS-Regierung und ihrer Affären mehrheitlich überdrüssig angesichts einer sich verschlechternden Wirtschaftslage, hoher Inflation und einer Krise des unterfinanzierten Bildungs- und Gesundheitssektors. Nun ist der Machtwechsel zum Greifen nah. Europa kann aufatmen. Mit einer liberalen Regierung unter Führung von Ex-Premier Donald Tusk wäre der Abbau des Rechtsstaats und der Gewaltenteilung in Polen gestoppt.
Die Einschränkung der Medienfreiheit und die Schwächung der Demokratie fänden ein Ende. Auch die deutschlandfeindlichen Parolen der Rechtspopulisten wären Geschichte. Der europafeindliche Destruktions- und Blockadekurs der PiS in der EU, die Verachtung für Grundprinzipien der Union: endlich vorbei. Und für die Ukraine ist die Drohung vom Tisch, dass Polen die Unterstützung im Krieg zurückfährt. Es ist auch höchste Zeit: Denn eine dritte Legislaturperiode mit den Rechtsnationalen an der Macht, die das vereinte Europa vor allem als Geldautomaten missverstehen und es von innen aushöhlen wollen, könnte Polen, aber auch die EU nicht mehr ohne dauerhaften Schaden wegstecken.
Tusk steht für eine grundlegende Neuausrichtung der polnischen Innen- und Europapolitik. Die Revision der Justizreformen werden die Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen und einen jahrelangen Streit mit Brüssel beenden. Aber auch wenn am Dienstag das finale Wahlergebnis die Prognosen bestätigt, womit alle Beobachter rechnen, liegen mindestens drei Hürden vor ihm: Erstens dürfte die PiS trotz allem als stärkste Partei zunächst den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Erst wenn sie wie keine Mehrheit im Parlament findet, wären die Liberalen an der Reihe. So wird die PiS als Übergangsregierung mit voller Kontrolle über die staatlichen Institutionen mindestens bis Mitte Dezember an der Macht bleiben und könnte allerhand Unheil anrichten.
Zweitens könnte der bis 2025 gewählte Präsident Duda, auch er ursprünglich ein PiS-Funktionär, Gesetzesbeschlüsse blockiere. Und drittens wird die PiS und die rechtsextreme Konföderation als starke Opposition im Parlament ihren europafeindlichen, bewusst polarisierenden Kurs fortsetzen.
Schon jetzt ist klar, dass eine liberale Koalition den polnischen Sonderkurs in der Migrationspolitik fortsetzen wird. Auch Tusk wird die geplante EU-Asylreform mit einer Lastenteilung bei der Flüchtlingsaufnahme in dieser Form nicht mittragen – eine schlechte Botschaft gerade für Deutschland. Und sicher wird Tusk versuchen, Polen als selbstbewussten, ehrgeizigen Akteur in der EU zu positionieren – und damit die seit dem Ukraine-Krieg gestiegene strategische Bedeutung des Land in stärkeren Einfluss in Brüssel umzusetzen. Das geht im Zweifel auch gegen deutsche und französische Führungsansprüche. Durchweg harmonisch wird es also nicht werden in den Beziehungen zur EU und Deutschland. Aber sicher wird eine liberale Regierung im Kern einen strikt proeuropäischen Kurs verfolgen und die europäischen Spielregeln wieder einhalten. Darauf kommt es an. Es gibt einiges zu klären im deutsch-polnischen Verhältnis – die Bundesregierung sollte zügig die Hand reichen für eine Neubelebung der Beziehungen.
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