Berliner Morgenpost/Hilflose Drohung/Leitartikel von Christian Unger

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Berlin (ots)

Für Innenpolitiker gibt es einen effektiven Weg, um öffentlich Härte gegen Kriminelle zu demonstrieren. Ermittler von Polizei und Zoll, dazu Finanz- und Ordnungsamt filzen in großangelegten Razzien Shisha-Bars, Cafés und Bars in Essen, Bremen oder Berlin. Das ist politisch gewollt. Ministerinnen und Minister lobpreisen den „erfolgreichen Kampf gegen Clans“.

Was die Politik nicht sagt: Durchsuchungen und Beschlagnahmungen sind vor allem Symbol des Staates, nach dem Motto: Schaut her, wir lassen uns nicht an der Nase herumführen. Was die Ermittler bei den Razzien erwischen, sind meist kleine Mengen an Drogen, ein wenig illegaler Shisha-Tabak, ein paar nicht sachgerecht gemeldete Spielautomaten. Die großen Fische der Organisierten Kriminalität fangen sie nicht.

Nancy Faeser (SPD) ist nicht nur Bundesinnenministerin, sie ist auch Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Landtagswahl in Hessen im Oktober. Und aus ihrem Ministerium kommt nun ein brisanter „Entwurf“. Er sieht eine Abschiebe-Offensive vor. Dabei sollen auch Clanmitglieder stärker in den Fokus der Behörden genommen werden – sogar dann, wenn sie nicht für Straftaten verurteilt sind. Der Vorstoß soll rechtlich geprüft werden.

Die Schlagzeilen sind Nancy Faeser schon jetzt sicher. Je näher die Wahl im Herbst rückt, desto härter gibt sich die Innenpolitikerin. Mit dem Kampf gegen „Clans“ funktioniert das gewohnt verlässlich. Zudem gilt: Die Politik ist unter Zugzwang. Netzwerke von kriminellen Männern aus arabisch- oder türkischstämmigen Großfamilien sind ein Problem für die Polizei. „Clan“ klingt fast ein wenig harmlos für ihre organisierten Diebstähle, Drogengeschäfte, Erpressungen und schweren Körperverletzungen.

Zu lange hat die Politik ignoriert, dass diese Netzwerke ihre Geschäfte in Deutschland aufbauen konnten – und die Polizei meist achselzuckend zuschaute. Dabei wurden Fehler schon früh begangen, auch von der deutschen Regierung: Viele der heutigen kriminellen Clanmitglieder bekamen nach ihrer Ankunft als Flüchtlinge über Jahre keine Aufenthaltsgenehmigung und keine Arbeitserlaubnis. Vielen blieb nur der Weg ins Illegale. Heute ist dieser für Teile der Clan-Szene ihre Geschäftsgrundlage. Mehr Kontrolle durch Polizei, Finanzamt, Zoll und Ordnungsamt kann die Szene zurückdrängen. Doch in Berlin etwa zeigt sich auch: Wenn in einem Stadtteil wöchentlich Razzien laufen, tauchen die Kriminellen in anderen Stadtteilen wieder auf.

Zentral im Kampf gegen Organisierte Kriminelle sind nicht schnelle nächtliche Razzien, sondern aufwendige Finanzermittlungen. Wer den „Clans“ das Geld nimmt, entzieht ihnen die kriminelle Geschäftsgrundlage. Behörden müssen Knotenpunkte der Geldwäsche zerschlagen, Kontoflüsse sperren, Immobilien beschlagnahmen können. Hier muss die Politik mehr Personal und Ressourcen freigeben – anstatt auf die Sanktionen der Ausländerbehörden bei Abschiebungen zu setzen. Der Vorstoß einer Abschiebe-Offensive wird nicht zu massenhaften Abflügen mutmaßlicher „Clans“ in die Türkei oder den Libanon führen.

Und wer zum „Clan“ gehört, aber nicht Gesetze bricht, dem muss der Staat eine Alternative zur Kriminalität aufzeigen: einen Weg aus dem Milieu heraus. Wer erfolgreich aussteigt, der kann auch anderen Clanmitgliedern als Vorbild dienen. Das ist weniger medienwirksam als Razzien und „Abschiebe-Offensiven“ – aber verspricht mehr Erfolg im Kampf gegen Verbrechen.

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