Berlin (ots)
Es ist so eine dieser Wochen, da geben die Nachrichten aus aller Welt keinen Anlass zur Freude. Im Norden von Gaza sterben Menschen bei der Auslieferung von Hilfsgütern. Der russische Präsident Wladimir Putin droht dem Westen mit dem Einsatz von Atomwaffen. Donald Trump gewinnt in den USA eine Vorwahl nach der anderen. Der französische Präsident Emmanuel Macron findet, man müsse die Ukraine mit Bodentruppen unterstützen, Bundeskanzler Olaf Scholz kann sich dagegen nicht zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern durchringen.
Dagegen betrachtet sind die Probleme im Land Berlin klein. Und doch, auch hier: Im aktuellen Doppelhaushalt fehlen 1,75 Milliarden Euro, weitere Investitionen in Höhe von fünf bis zehn Milliarden Euro sind nicht möglich, weil Juristen das als verfassungswidrig einschätzen. Dabei brauchen wir das Geld dringend, für soziale Projekte, für marode Schulgebäude, kaputte Straßen und Brücken, eine wachsende Zahl an Schlaglöchern.
83 Prozent der Deutschen sagen laut einer Umfrage, die aktuelle Lage gebe ihnen Anlass zur Sorge. Warum schauen so wenige Menschen ohne Zuversicht in die Zukunft?
Klar, Probleme lassen sich viele benennen: die Inflation, die Bürokratie, das teure Gesundheitswesen, eine alternde Bevölkerung, Mängel bei der Digitalisierung, der Bildung, die Klimakrise, die politische Weltlage. Und ja, die Ampelkoalition könnte besser regieren. Aber hilft es, betrübt nach unten zu blicken?
Bei der Beerdigung von Alexej Nawalny zeigten am Freitag außergewöhnlich viele Moskowiter, wie es gehen kann. Es gehörte viel Mut dazu, dorthin zu gehen. Es kamen Tausende, viel mehr als die Sicherheitsbehörden erwartet hatten. Sie stellten sich der Angst entgegen, obwohl es bedeuten konnte, verhaftet und verurteilt zu werden. Sie ließen sich nicht leiten von der Verzweiflung. In der langen Schlange der wartenden Menschen vor der Kirche, in der die Trauerfeier für Nawalny stattfand, sagte ein Mann: „Wenn Du eine andere Schulter neben dir hast, verstehst du, dass du nicht allein bist“.
Ich habe mich vor wenigen Tagen mit einem Rabbiner unterhalten. Viele seiner Vorfahren sind im Holocaust ums Leben gekommen, er selbst war als junger Mann von New York nach Berlin gezogen. Er selbst war schon antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. In unserem Gespräch erwähnte er das nicht mit einem Wort. Wir haben uns vielmehr darüber unterhalten, wie die Menschen wieder mehr Mut fassen können. Sich nicht mit den Unzulänglichkeiten aufzuhalten, sondern sich damit zu beschäftigen, wie wir nach vorne blicken können. Wir waren uns einig: Verzweiflung, Unsicherheit, Mangel an Zuversicht führen nirgendwo hin.
Gerade in einer Metropole wie Berlin wohnen überdurchschnittliche viele Menschen alleine, hier sind soziale Nöte größer als anderswo, hier leben viele Menschen mit komplizierten Biografien. Gerade in dieser Stadt ist Zuversicht besonders wichtig.
Doch wie lassen sich Mut und Zuversicht fördern? Am Ende ist es eine Frage der Haltung, die wir einnehmen. Das fällt oft schwer, wenn einen viel Negatives umgibt. Mit anderen reden kann da helfen. Oder einfach anpacken und daran glauben, dass die aktuelle Situation sich verändern lässt. Wir müssen uns wieder mehr Zuversicht antrainieren. Das halb leere Glas füllen und nicht darauf warten, dass andere es tun. Mehr noch: Wir müssen auch daran glauben, dass wir es füllen können. Denn wenn es nicht voll genug ist, dann wird sich auch eine Wasserquelle finden. Wenn wir davon überzeugt sind.
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Telefon: 030/887277 – 878
bmcvd@morgenpost.de
Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell