Berlin (ots)
„Alle reden vom Wetter. Wir nicht.“ Lange ist es her, dass für die Eisenbahn mit diesem Werbespruch stolz geworben wurde. Damals in den 1960er-Jahren, als die Deutsche Bahn noch Bundesbahn hieß, ihre Beschäftigten Beamte waren und Züge langsamer, aber pünktlich fuhren. Das Foto einer fahrenden gelben Lok in tief verschneiter Landschaft stand stellvertretend für Zuverlässigkeit.
Heute würde ein solches Plakat eher für Hohn und Gelächter sorgen, wie die vergangenen Tage zeigen. Der Verkehr bei München stand still – allerdings nicht nur bei der Bahn, sondern auch am Flughafen, im Nahverkehr und auf vielen Straßen. Dieser Zustand ist keinem der Verkehrsmittel anzulasten. Extremwetter wird uns infolge des Klimawandels immer öfter vor Herausforderungen stellen.
Wichtig ist, dass in solchen Extremsituationen die Sicherheit der Menschen immer Vorrang hat. Der Stillstand war damit wohl die beste Lösung, auch wenn viele nicht ihr Ziel erreichten.
Verspätungen bleiben für Bahnkunden jedoch auch für die nächsten Jahre leider Alltag. Schon 2023 wird der Konzern sein Ziel von 70 Prozent Pünktlichkeit im Fernverkehr verfehlen. Im November kamen nur 52 Prozent aller IC und ICE pünktlich. Schlimmer geht es kaum. Und dies ist nicht naturgemacht, sondern von Menschen verursacht.
Das Desaster ist dem maroden Schienennetz geschuldet. Es wurde über Jahre auf Verschleiß gefahren, anstatt es in Schuss zu halten. Dies sind Fehler von Managern und Verkehrsministern, die weggeschaut und zu wenig in den Staatskonzern investiert haben. Immerhin haben Staat und Vorstand das Problem erkannt. Für rund 80 Milliarden Euro sollen Strecken und Brücken saniert werden.
Das bedeutet: Hunderte Baustellen führen heute und in den kommenden Jahren zu längeren Fahrtzeiten und Verspätungen – wie man dies auch im Straßenverkehr kennt. Schon jetzt sind drei Viertel aller Zugverspätungen auf Baustellen zurückzuführen. Hinzu kommen noch Ausfälle durch Streiks der Lokführergewerkschaft für kürzere Arbeitszeiten und mehr Geld. Ein Tarifkonflikt, der ebenfalls vom Bahnvorstand gelöst werden muss.
Elementar wichtig aber ist, dass die Ampelkoalition die Sanierung der Bahn in vollem Umfang fortführt und auch nach dem Karlsruher Haushaltsurteil neue Töpfe für die Finanzierung findet. Aus dem Klimafonds sollten allein im kommenden Jahr 12,5 Milliarden Euro in die Bahnsanierung fließen. Das fällt nun weg, wäre aber so dringend nötig.
Die Bahn ist ein wichtiger Baustein, damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann. Ohne stärkere Verlagerung des Güter- und Privatverkehrs auf die Schiene sind die Vorgaben nicht einzuhalten. Hier muss sich vor allem Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gegen seinen Parteikollegen und Finanzminister Lindner durchsetzen, um frisches Geld lockerzumachen. Erst recht, nachdem ihm ein Gericht bescheinigt hat, die Klimaziele im Verkehrssektor nicht zu erfüllen.
Neben der Klimafreundlichkeit ist die Bahn oft die schnellste, sicherste und bequemste Verbindung zwischen Großstädten – sofern keine Störung vorliegt. Eine moderne und mobile Gesellschaft, die Klimaneutralität anstrebt, sollte sich eine Eisenbahn leisten, die komfortabel, pünktlich und bezahlbar ist. Dem Vorstand sollte deshalb das altbewährte Prinzip der Pünktlichkeit als oberstes Ziel gesteckt werden: Man muss auch in Deutschland wieder seine Uhr nach der Bahn stellen können.
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