Mainz (ots)
Hubert Aiwanger wird nicht mehr lange bayerischer Minister bleiben. Darauf darf man hohe Wetten eingehen. Hätte Ministerpräsident Söder eine naheliegende Alternative zu den Freien Wählern, oder hätten diese eine ebensolche zu ihrem Frontmann, wäre Aiwanger wahrscheinlich schon entlassen worden oder zurückgetreten. So aber soll er nun erstmal einen Fragenkatalog Söders beantworten, was als Versuch zu werten ist, zu retten, was politisch kaum noch zu retten ist. Aiwanger hat sich mit seinem regierungsinternen Oppositionsgehabe schon seit Monaten angreifbar gemacht; seine eingestandene persönliche Verbindung – wie eng auch immer sie letztlich genau war – zu dem antisemitischen Flugblatt ist zuviel, auch sein Umgang damit in den vergangenen Tagen. Auch wenn man bei der Bewertung selbstverständlich berücksichtigen muss, dass der Text von einem minderjährigen Schüler und vor 35 Jahren verfasst wurde – der Inhalt (ein „Preisausschreiben“ für einen „Freiflug durch den Schornstein von Auschwitz“, einen „kostenlosen Genickschuss“, eine „kostenlose Kopfamputation“ oder einen „lebenslänglichen Aufenthalt im Massengrab“) ist zu abscheulich und auch heute noch politisch zu gewichtig, als dass sich Aiwanger nun tagelang auf Erinnerungslücken berufen und Salami-Taktik-Aufklärung betreiben könnte. Er hätte früher und klarer sagen müssen, was warum und wie passiert ist – so aber bleiben Zweifel an seiner Darstellung und an ihm, die ihn begleiten werden.
Die „Süddeutsche Zeitung“ hat den Fall veröffentlicht – und Fehler gemacht
Aber: Angreifbar hat sich auch die „Süddeutsche Zeitung“ gemacht. Nicht durch die Veröffentlichung des Falls an sich – bei einem bekannten Politiker, einem Regierungsmitglied zumal, sind die im Raum stehenden Vorwürfe brisant und relevant, unabhängig von der vergangenen Zeit oder einer nahen Wahl. Aber journalistisch (und wohl auch juristisch) angreifbar ist insbesondere der lange, erste Text zu Aiwanger, der online und in der Zeitung auf Seite 3 erschienen ist. Für dessen zentrale Behauptung – dass Aiwanger selbst das Flugblatt verfasst haben soll – gibt es offensichtlich keinen Beweis. Stattdessen flüchten sich die Autoren in viel Geraune, sprachlich notdürftig verpackte Unterstellungen und eine nur scheinbar objektive Herangehensweise, die doch keine andere Deutung als die der Urheber zulassen will. Solche Texte in einer renommierten Zeitung sind dazu geeignet, den Vorwurf einer politisch motivierten Kampagne gegen einen Politiker des „falschen“ Lagers zu stützen, und das Vertrauen in Medien allgemein zu beschädigen. Eine sachliche, nüchterne Berichterstattung wäre der eindeutig bessere Weg gewesen – „weniger effekthascherisch, weniger voreingenommen“ und „nicht besoffen von sich selbst“, wie es der bekannte, der Aiwanger-Nähe „unverdächtige“ Medienjournalist Stefan Niggemeier formuliert hat.
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