Berlin (ots)
Eingemischt. – Das erste deutsche Bürgergutachten Gesundheit zeigt der Politik, wie sich unser Gesundheitssystem verändern muss
Gerecht, individuell und offen für Mitgestaltung: So wünschen sich Bürgerinnen und Bürger die zukünftige Gesundheitsversorgung in Deutschland und geben der Politik im ersten deutschen Bürgergutachten Gesundheit eine Reihe von Empfehlungen für die kommenden Jahre mit auf den Weg. Die zentralen Forderungen:
- Prävention stärken
- Patientenzentrierung vor Ökonomisierung
- Stimmrecht für Patient*innen im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)
Im Auftrag der Bürger- und Patientenverbände GESUNDHEIT AKTIV e.V. und NATUR UND MEDIZIN e.V. hat das nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung in der Zeit vom 13. bis 25. September 2021 parallel an vier Standorten 11 Arbeitseinheiten mit zufällig ausgewählten Bürger*innen zu unterschiedlichen Aspekten der Gesundheitssystemgestaltung moderiert. Diese sogenannten Planungszellen wurden von hochkarätigen Expertenimpulsen begleitet.
Das daraus zusammengeführte Bürgergutachten Gesundheit wurde den Verhandler*innen im Rahmen der Koalitionsgespräche vorab zur Verfügung gestellt. Dialogveranstaltungen mit Vertreter*innen der neuen Bundesregierung sind derzeit in Planung. „Wir sind sehr stolz, Politik und Öffentlichkeit dieses Bürgergutachten Gesundheit präsentieren zu können,“ sagt Dr. Stefan Schmidt-Troschke, geschäftsführender Vorstand von GESUNDHEIT AKTIV. „Es zeigt, dass die Menschen auch im Feld der Gesundheitspolitik urteilsfähig und gestaltungswillig sind. Für uns ist dies der Beginn eines demokratischen Aufbruchs im Gesundheitswesen.“
Menschen im Mittelpunkt – nicht ökonomische Interessen
Im Einzelnen plädieren Bürger*innen für einen deutlich höheren Stellenwert von Prävention und Gesundheitsförderung – im Gesundheitssystem und in allen Lebenswelten und -phasen und machen hierzu zahlreiche Vorschläge, angefangen von einem Schulfach Gesundheit über betriebliche Gesundheitsförderung bis hin zu kommunalen Angebotsstrukturen und Formaten für Rentner*innen.
In der ambulanten wie in der stationären Versorgung steht für die Bürgergutachter*innen eine patientenzentrierte, bedürfnisgerechte und individuelle Behandlung im Mittelpunkt, die das Lebensumfeld der Patient*innen aktiv in die Behandlung einbezieht. Dies setzt eine Aufwertung des Arzt-Patient*innengesprächs ebenso voraus wie eine Bandbreite verschiedener Therapieoptionen, zum Beispiel eine Inklusion von ergänzenden natürlichen Heilverfahren.
Strukturell liegt der Fokus auf einer besseren Vernetzung der Mediziner*innen, einer guten Erreichbarkeit und einer ausreichenden (Haus-)Ärzt*innendichte auch auf dem Land mit kürzeren Wartezeiten. Der Abbau regionaler und sozialräumlicher Unterschiede ist aus Sicht der Bürger*innen auch eine Frage der Gerechtigkeit ebenso wie eine bezahlbare, gemeinsame gesetzliche Krankenversicherung für alle (Bürgerversicherung), in der eine hohe Qualität der Versorgung für alle gleichermaßen sichergestellt ist.
Das Gesundheitssystem soll demnach vom Menschen aus gedacht werden – sei es aus Sicht der Patient*innen oder der Angehörigen der Gesundheitsberufe. Eine bessere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen und Familienfreundlichkeit weisen aus Sicht der Bürger*innen den Weg aus der Krise der Versorgung. Dazu sollte der finanzielle Druck und die Gewinnorientierung im Gesundheitssystem abgebaut werden. Erforderlich dafür sei eine größere Transparenz der Versorgungsstrukturen und eine unabhängigere Finanzierung.
Integrative Medizin – Individueller Zuschnitt statt Behandlungen von der Stange
Ein Schwerpunkt der Beratungen lag zudem im Feld der Integrativen Medizin, deren verschiedene Therapieverfahren immer wieder auch öffentlich diskutiert werden. In ihrem Wunsch nach möglichst individuellen, ganzheitlichen Therapiekonzepten beziehen die Bürger*innen Angebote der Integrativen Medizin, also das sinnvolle Miteinander konventioneller und naturmedizinischer Behandlungsverfahren, selbstverständlich ein. Dabei legen sie Wert auf vielfältige und fundierte Informationsquellen und plädieren für eine Verbesserung der Studienlage von integrativmedizinischen Behandlungen, die schnell für die Praxis nutzbar gemacht werden sollten. Vor dem Hintergrund, dass der Großteil derzeit existierender Studien von der Pharmaindustrie beauftragt und finanziert wird, empfehlen die Bürger*innen, dass eine Studie künftig von verschiedenen Gruppen in Auftrag gegeben und die staatliche Förderung erhöht werden sollte. Auch bei der Erarbeitung von Leitlinien sollte aus Sicht der Bürger*innen ein breiteres Spektrum von Expert*innen, aber auch Patient*innen einbezogen werden.
Die Wirksamkeitsprüfung als eine zentrale Grundlage für eine Kostenübernahme komplementärer Verfahren durch die gesetzlichen Krankenkassen solle erhalten und um ein individuelles Budget für zusätzliche Leistungen ergänzt werden, über das die Patient*innen in Absprache mit ihren Ärzt*innen verfügen können.
Künftig Beteiligung auf allen Ebenen
Bürger*innen und Patient*innen möchten künftig auf allen Ebenen an der Gesundheitsversorgung beteiligt werden: angefangen vom ausführlichen Arzt-Patient*innengespräch über die Einbeziehung von Patient*innen in die Erarbeitung von Leitlinien bis hin zu einem Stimmrecht im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Voraussetzung für Mitbestimmung und Beteiligung sind differenzierte Informationen und eine strukturelle Verankerung. Bürger*innen fordern deshalb, die allgemeine Gesundheitskompetenz für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung zu stärken, Qualifizierungsangebote flächendeckend auszubauen sowie den Gemeinsamen Bundesausschuss zu reformieren.
Die vielfältigen Vorschläge gilt es nun, in politische Initiativen zu übersetzen und umzusetzen. „Wir als Teilnehmer*innen wünschen uns, dass das Bürgergutachten Raum findet und verantwortlich damit umgegangen wird,“ sagt Maria Jagesberger, Bürgergutachterin aus Bremen. Und Dr. Dorothee Schimpf, Geschäftsführerin von NATUR UND MEDIZIN pflichtet ihr bei: „Die Politiker*innen und Politiker sollten die Stimmen der Bürger*innen hören und ernst nehmen. Das wäre ein wichtiges Signal für die dringend benötigte Weiterentwicklung des Gesundheitswesens und die politische Kultur in Deutschland.“
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