Ein einmaliger Rauswurf – Leitartikel von Christine Richter

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BERLINER MORGENPOST

Berlin (ots)

Es ist ein wohl einmaliger Vorgang: Der Rundfunkrat des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) hat am Montagnachmittag nach rund zwei Stunden Beratung mit 22 Stimmen beschlossen, der Intendantin Patricia Schlesinger fristlos, mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Es gab nur eine Enthaltung.

Schlesinger war zwar schon vor einer Woche von sich aus zurückgetreten, wollte das Arbeitsverhältnis mit dem RBB aber erst in einem halben Jahr beenden – und bot gleichzeitig Verhandlungen über einen vorzeitigen Rückzug an, wohl um noch eine Abfindung auszuhandeln. Schlesinger war nach dieser Ankündigung unmittelbar freigestellt worden und durfte nach Auskunft des RBB in den vergangenen Tagen auch nicht mehr das Haus betreten, doch die Vorwürfe der Vetternwirtschaft und vor allem der Verdacht des Abrechnungsbetrugs wiegen so schwer, dass der Rundfunkrat sich für den Rauswurf entschied.

Geht es nach führenden RBB-Vertretern und etlichen Politikern in Berlin und Brandenburg soll die 61-Jährige auch keine Abfindung mehr erhalten. Richtig so, denn das würde angesichts der Verfehlungen in den vergangenen Jahren, angesichts des Umgangs mit den Gebühren-Geldern auch niemand verstehen.

Jeder, der Patricia Schlesinger kennt, fragt sich in diesen Tagen: Wie konnte das alles passieren? Wie konnte es passieren, dass eine erfahrene Journalistin und Medienmanagerin, zumal eine, die investigativ gearbeitet und das Medienmagazin „Panorama“ moderiert hat, solch ein Geflecht, ja einen Klüngel um sich aufgebaut und genutzt hat? Wie konnte es passieren, dass sie ein Abendessen in ihrer Privatwohnung als dienstlichen Termin beim RBB abrechnete und ihre Gäste, darunter die Berliner Polizeipräsidentin oder der Berliner Charité-Chef, dies jetzt doch überzeugend als einen privaten Abend darstellen?

Offensichtlich war es die Hybris, das Gefühl, dass ihr dies zustehe, aber wohl auch die Gier. Man hätte dies nach den vielen Amigo-Affären in den vergangenen Jahrzehnten, nach den unzähligen Compliance-Vorgängen in Deutschland – erinnert sei nur an die Flugmeilen-Affären von führenden deutschen Politikern – nicht mehr für möglich gehalten.

Patricia Schlesinger hat sich, auch mit ihrem Agieren seit dem Bekanntwerden der ersten Vorwürfe, aufgedeckt durch das Online-Magazin „Business Insider“, um ihr Lebenswerk, auch um ihre gesellschaftliche Reputation gebracht. Bis zuletzt klagte sie über „Diffamierungen“, während andere wie der jetzt amtierende ARD-Vorsitzende Tom Buhrow schon klar sagten, wie enttäuscht und auch wütend man sei angesichts der Affäre Schlesinger mit teurem Dienstwagen, überteuertem Umbau der Intendanten-Etage, der Abrechnung der Abendessen.

Alles ja finanziert vom Gebührenzahler. Der Schaden, den Patricia Schlesinger dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugefügt hat, er ist wirklich immens. Wenn die Affäre Schlesinger dennoch ein Gutes hat, dann, dass jetzt endlich gesprochen wird – über die Aufsichtsgremien beim RBB, die offensichtlich keine Aufsicht geführt haben, über die Strukturen des Senders, aber auch der anderen ARD-Anstalten.

Sie müssen, das zeigt der Fall Schlesinger, dringend professionalisiert werden. Aber es wird jetzt auch gesprochen über die Verwendung des Rundfunkbeitrags, über die Gehälter von Intendanten auf der einen Seite und die der Mitarbeiter auf der anderen Seite. Und wenn alles gut läuft, wird nicht nur darüber öffentlich gesprochen, sondern endlich einmal Konsequenzen gezogen.

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