Berlin (ots)
Der Verbrennermotor in neuen Autos wird in Europa im nächsten Jahrzehnt wohl doch nicht komplett verboten. Zwar darf ab 2035 kein neu zugelassenes Auto mehr mit Benzin oder Diesel fahren – tankt es ausschließlich klimaneutrale E-Fuels, soll eine Zulassung aber möglich sein. Ob es wirklich so kommt, ist auch nach der Einigung zwischen Bundesregierung und EU-Kommission noch nicht verlässlich klar. Und wie viele Fahrzeuge es betreffen würde, ob diese Technologie mehr wäre als eine Nische für Luxus-Autos, ist erst recht ungewiss.
Aber Verkehrsminister Wissing ist es immerhin gelungen, die Chancen für eine solche Technologieoffenheit sehr deutlich zu erhöhen. Gut so. E-Fuels erzeugen zwar beim Verbrennen Kohlendioxid, wegen der CO2-Absorption bei der Herstellung sind sie aber klimaneutral. Sicher, nach jetzigem Stand sind die synthetischen Kraftstoffe keine breite Alternative zum Elektroantrieb: Ihre Klimabilanz ist bisher ungünstiger als die der Stromer, die Herstellung ist energieaufwendig, sie bleiben wohl knapp und für den Durchschnitts-Autofahrer zu teuer. Aber niemand weiß, wie die technologische Entwicklung in den nächsten Jahren verläuft. Es gibt deshalb keinen Grund, die langfristige Nutzung von E-Fuels durch ein De-Facto-Verbot von Verbrennermotoren politisch zu blockieren.
Das war ein Webfehler in dem EU-Gesetz, das die Bundesregierung mit ihrem Veto in letzter Minute aufgehalten hat. Wissing muss sich vorwerfen lassen, das Problem nicht schon während der Gesetzesverhandlungen ausgeräumt zu haben. Er hat sich stattdessen mit einem vagen, rechtlich unverbindlichen Prüfauftrag an die EU-Kommission abspeisen lassen. Der Auftrag war wertlos, was viele Experten von Anfang an entweder mit Hohn oder Kopfschütteln an die Adresse Berlins quittierten.
Die Kommission hatte sich klar gegen E-Fuel-Autos positioniert und aus ihrem Unwillen gegen die verlangte Technologieoffenheit gar keinen Hehl gemacht. Ein fairer Umgang mit den Bedenken aus dem großen Mitgliedsland Deutschland, dessen wirtschaftliche Zukunft auch vom weiteren Erfolg der Autoindustrie abhängt, war das nicht. Wer jetzt über den Vertrauensverlust klagt, den die deutsche Last-Minute-Blockade in einigen EU-Ländern angerichtet hat, sollte sich daher besser an die Kommissionspräsidentin und ihr Team wenden. Der politische Flurschaden in Brüssel, den das ungewöhnlich späte Veto Berlins angerichtet hat, ist ärgerlich, aber im Ausnahmefall tragbar.
Allerdings: Weil das zu Grunde liegende Gesetz selbst nicht mehr zeitaufwendig geändert werden soll, bedarf es nun einiger rechtlicher Winkelzüge, um die Zukunft für E-Fuels zu sichern. Das hat seine Tücken. Dass das EU-Parlament mitspielt, ist nicht garantiert. Wie belastbar das von Wissing erzielte Verhandlungsergebnis wirklich ist, wird sich erst später herausstellen. Aber der Minister hat verhindert, dass von der Leyens Kommission auf Zeit spielt, ohne sich um eine Lösung zu kümmern. Die Behörde muss sich nun redlich bemühen, E-Fuels bei den Zulassungs-Vorschriften eine Chance zu geben – alles andere wäre ein offener Affront gegen die Bundesregierung.
Ob daraus jemals ein Durchbruch für E-Fuels-Autos wird? Eher unwahrscheinlich. Mindestens ungewiss. Aber das zu entscheiden, ist nicht Sache der Politik. Wenn die Tür für technologischen Fortschritt überhaupt offen bleibt, ist das ein Erfolg. Wissing hat erreicht, was jetzt noch zu erreichen war.
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