Berlin (ots)
Die Verbraucherorganisation foodwatch hat der FDP vorgeworfen, die von Bundesernährungsminister Cem Özdemir geplanten Junkfood-Werbeschranken zu blockieren und damit die Gesundheit von Millionen von Kindern aufs Spiel zu setzen. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie hätten offensichtlich versagt. Es sei Zeit, die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, so foodwatch. Mehr als 40.000 Menschen unterstützen eine foodwatch-Petition an die FDP unter www.foodwatch.org/de/mitmachen/fdp-suesse-profite-kranke-kinder. Aktivist:innen versuchten am Mittwoch die Unterschriften im Rahmen einer Protestaktion mit einem Christian Lindner-Double und zwei lebensgroßen Werbemaskottchen der Lebensmittelindustrie vor der FDP-Parteizentrale zu übergeben. Die Partei lehnte die Gesprächsanfrage von foodwatch jedoch ab.
„Der FDP sind die Profitinteressen der Junkfood-Industrie offenbar wichtiger als die Gesundheit der Kinder. Anders ist das Verhalten der Partei nicht zu erklären. Die Liberalen wollen das von Cem Özdemir geplante Kinderschutz-Gesetz bis zur Wirkungslosigkeit verwässern und ignorieren damit die Forderungen von Fachgesellschaften, Ärzteverbänden und Elternorganisationen„, erklärte Luise Molling von foodwatch.
Die FDP torpediert regelmäßig öffentlich das von Cem Özdemir geplante Gesetz. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki ärgerte sich etwa in der Bild-Zeitung über Özdemirs „persönliche Verbotsfantasien“, sein Parteifreund Gero Hocker bezeichnete die Pläne als „Quark-Quatsch des Ministers“. Man wolle nicht „in den Kühlschrank der Bürger hineinregieren“. Werbebeschränkungen würden sogar in den „Erziehungsauftrag der Eltern eingreifen“.
Mit ihrer Kampagne konnte die FDP dem Ernährungsminister offenbar bereits Zugeständnisse abringen: Eigentlich hatte Özdemir geplant, die Werbung für unausgewogene Produkte im TV, Internet und Hörfunk tagsüber zwischen 6 und 23 Uhr grundsätzlich zu untersagen. Auf Druck der FDP beschränkt sich die Regelung nun wochentags nur noch auf die Abendstunden. Auch für Plakatwerbung soll es wegen des Widerstands der FDP nun lediglich eine 100-Meter-Bannmeile um Kitas und Schulen, nicht aber um Spielplätze und Freizeiteinrichtungen geben.
Erst gestern veröffentlichte das staatliche Max-Rubner-Instituts neue Daten zum Nährwertgehalt von Lebensmitteln. So sind gerade Produkte, die sich in ihrer Aufmachung an Kinder richten, besonders ungesund: Trotz der von der Vorgängerregierung eingeleiteten freiwilligen Reduktionsstrategie der Lebensmittelindustrie sei etwa bei Erfrischungsgetränken der Zuckergehalt nach wie vor hoch: Die besonders zuckerhaltigen Kindergetränke sind sogar noch zuckriger geworden. Seit 2019 ist das obere Viertel der Zuckergehalte von 7,4 Gramm auf 8,4 Gramm pro 100 Milliliter gestiegen. Das entspricht umgerechnet fast sechs Zuckerwürfeln in einem 200 Milliliter-Trinkglas. Frühstückscerealien für Kinder enthalten mit 17 Prozent Zucker im Durchschnitt sogar mehr Zucker als der Durchschnitt aller Frühstückscerealien (14,7 Gramm pro 100 Gramm)
Laut einer Studie der Universität Hamburg sieht jedes Kind zwischen drei und 13 Jahren pro Tag im Schnitt 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel. 92 Prozent der gesamten Werbung, die Kinder wahrnehmen, vermarktet Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten. Allein die Süßwarenindustrie hat 2022 knapp eine Milliarde Euro für Werbung ausgegeben.
Kinder essen etwa doppelt so viel Süßigkeiten, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Aktuell sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht und sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht (Adipositas) betroffen. Ihnen drohen im späteren Leben Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. Jeder siebte Todesfall in Deutschland ist laut Daten der OECD auf ungesunde Ernährung zurückzuführen.
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