Der Jüdische Friedhof ist wieder zugänglich
Gut zwei Jahre nachdem er aus Gründen der Verkehrssicherheit geschlossen werden musste, ist der Jüdische Friedhof wieder für Besichtigungen zugänglich. „Das ist eine Nachricht, auf die viele lange und ungeduldig gewartet haben“, sagte Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez bei einer Begehung im Rahmen der offizielle Wiederöffnung. Gabriel Albilia, Friedhofsbeauftragter der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, bedankte sich bei den Wertheimerinnen und Wertheimern für die Unterstützung: „Ohne euch hätten wir das nie geschafft.“
OB Herrera Torrez wies in seiner Ansprache auf dem Friedhof eindringlich darauf hin, dass kaum 80 Jahre nach dem Ende der Nazi-Barbarei und dem von Deutschen oder im deutschen Namen begangenen Menschheitsverbrechen der Shoa der Antisemitismus in Deutschland längst wieder allgegenwärtig sei. „Wir alle müssen dem entschieden entgegentreten“ forderte er. „Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen, nichts tun“ sei keine Option.
Auch in Wertheim erinnerten Gedenkstätten, Stolpersteine und Gedenktafeln an die Verbrechen, erklärte der Oberbürgermeister. Wenn es immer weniger Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gebe, die aus eigenem Erleben berichten könnten, welche Schrecken sie durchlitten haben, werde eine lebendige Erinnerungskultur umso wichtiger. Dabei sei es von besonderer Bedeutung, nicht nur die Erinnerung an das nationalsozialistische Unrecht wachzuhalten, so Herrera Torrez. „Wir müssen den Menschen immer wieder auch vor Augen führen, in welch bedeutender Weise Jüdinnen und Juden dieses Land – und auch diese Stadt – mitgeprägt haben.“
Der Jüdische Friedhof sei nicht nur ein wertvolles Kulturdenkmal und ein Zeichen früheren jüdischen Lebens in Wertheim. „Er ist vor allem tief in den Herzen vieler Wertheimerinnen und Wertheimer verankert.“ Das hätten die öffentlichen Diskussionen in der Zeit der notwendigen Sperrung gezeigt. Dass der Friedhof wieder zugänglich gemacht werden müsse, darüber sei er sich mit den Vertretern der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden bei deren Besuch im vergangenen Jahr schnell einig gewesen. Der Oberbürgermeister dankte der Organisation dafür, dass sie sich trotz sehr begrenzter Mittel an der Sanierung beteiligt habe.
Ein „wunderbares Zeichen“ für die Verankerung dieser besonderen Begräbnisstätte in der Bevölkerung nannte Herrera Torrez die rund 45.000 Euro, die an Spenden aus der Zivilgesellschaft eingegangen seien. Er würdigte dafür insbesondere die Stiftung Rudolf Brand – Helmut Schöler, die Firma TFA Dostmann, den Verein Pro Wertheim und die Ehepaare Heinz und Maria Dostmann, sowie Professor Stefan und Brigitte Gläser. „Sie alle haben in großzügiger Weise einmal mehr Ihre Verbundenheit mit der Stadt Wertheim und darüber hinaus mit dem Jüdischen Friedhof unter Beweis gestellt.“
Anerkennung gebühre auch dem Land Baden-Württemberg, dem Main-Tauber-Kreis und schließlich dem Gemeinderat. Er machte den Weg dafür frei, dass die Stadt die noch fehlenden Mittel zur Verfügung stellen konnte. Nicht zuletzt habe sich Bürgermeister Wolfgang Stein in Stuttgart mit Nachdruck für die öffentliche Förderung eingesetzt.
Sei schon die Finanzierung ein Kraftakt gewesen, so gelte dies erst Recht für die Sanierung, die weitgehend per Hand und ohne maschinelle Unterstützung erfolgte. Der Oberbürgermeister lobte die Mitarbeiter der Firma Konrad Bau auch dahingehend, dass sie stets mit der erforderlichen Sensibilität zu Werke gegangen seien und dabei die Würde des Ortes wahrten.
Der Friedhofsbeauftragte der Israelitischen Religionsgemeinschaft, Gabriel Albilia, dankte zunächst ausdrücklich OB Herrera Torrez, der vorangegangen sei und eine schnelle Lösung möglich gemacht habe. „Ich hätte nie gedacht, dass so eine Aktion in so kurzer Zeit erledigt werden könnte“, so Albilia. Rund die Hälfte der 96 Friedhöfe in seiner Zuständigkeit stehen vor ähnlichen Problemen wie zuletzt in Wertheim. Trotz der um ein Vielfaches gestiegener Kosten seien die Zuschüsse des Landes seit 20 Jahren nicht mehr erhöht worden.
In diesem Augenblick aber überwog bei Alibilia die Freude. „Ich muss euch alle loben, ihr wart stur und hartnäckig“, stellte er fest. „Wenn wir alle zusammen für das gleiche Ziel kämpfen, haben wir Hoffnung.“ Ein jüdischer Friedhof dürfe nicht dauerhaft geschlossen bleiben, weil die Verkehrssicherheit gefährdet sei. Nachdem dieses Problem beseitigt werden konnte, gelte es nun bei Führungen von Besuchergruppen und insbesondere von Schulklassen, die jüdische Geschichte präsent und lebendig zu halten.