Bonn (ots)
Im März 2023 haben die Bundesminister für Gesundheit und Justiz sowie die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin berufen. Die mit der Frage einer möglichen Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchrechts befasste Arbeitsgruppe der Kommission hat ein Anhörungsverfahren eingeleitet. Die deutschen Bischöfe haben sich mit dem Thema in der gestrigen (20. November 2023) Sitzung des Ständigen Rates in Würzburg befasst. In der nun nach den Beratungen im Ständigen Rat seitens des Kommissariats der deutschen Bischöfe (Katholisches Büro in Berlin) abgegebenen Stellungnahme wird auf folgende Aspekte hingewiesen, die bei der Debatte aus kirchlicher Sicht zu berücksichtigen sind:
Zu Recht werden in der gegenwärtigen Debatte um den Schwangerschaftsabbruch die Rechte der schwangeren Frau betont. Die gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs berührt neben dem Selbstbestimmungsrecht der Frau, ihrer Personalität und Würde ein weiteres existenzielles Interesse: das Recht des Ungeborenen auf Leben, das nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls in der Menschenwürde wurzelt.
Eine gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs muss sowohl die Grundrechtsposition der Frau als auch die des ungeborenen Lebens in verfassungsrechtlich gebotener Weise berücksichtigen. Dabei ist die besondere Beziehung von Mutter und Kind in der Schwangerschaft zu beachten: Die schwangere Frau trägt das ungeborene Leben in sich („Zweiheit in Einheit“). Es kann nur mit ihr geschützt werden. Zugleich ist aber auch zu berücksichtigen, dass ein Schwangerschaftsabbruch zum Tod des ungeborenen menschlichen Lebens führt.
Die Befürworter einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts argumentieren, dass die geltende Regelung dem Selbstbestimmungsrecht der Frau nicht hinreichend Rechnung trägt. Sie regen eine Verortung der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts an. Die deutschen Bischöfe haben die große Sorge, dass damit der Anspruch auf gleichen Schutz von ungeborenem wie geborenem menschlichem Leben aufgegeben wird: Beim vorgeburtlichen Leben handelt es sich von Anfang an um individuelles Leben, das nach christlicher Auffassung Anspruch auf den gleichen Schutz seines Lebens hat und dem die gleiche Würde zukommt. Auch das Bundesverfassungsgericht betont, dass spätestens mit der Nidation von einem menschlichen Leben auszugehen ist, das „in seiner genetischen Identität und damit in seiner Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit“ bereits festgelegt ist und dem der verfassungsrechtlich gebotene Schutz unabhängig vom Entwicklungsstadium zu gewähren ist. Es ist nicht ersichtlich, wie nach Entwicklungsstufe und Lebensfähigkeit des Menschen abgestufte Lebensschutzkonzepte diesem ethischen Anspruch und dieser Wertentscheidung unserer Verfassung gerecht werden.
Das Strafrecht ist regelmäßig der Ort, an dem wichtige Rechtsgüter – wie das Rechtsgut Leben – nach der geltenden Rechtsordnung geschützt werden. Die deutschen Bischöfe halten die Einschätzung, dass die geltenden Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch ungewollt Schwangere sowie Ärztinnen und Ärzte kriminalisieren beziehungsweise stigmatisieren, rechtlich nicht für zutreffend. Das geltende Beratungskonzept setzt auf die letztverantwortliche Entscheidung der Frau nach dem Beratungsgespräch und trägt damit ihrem Selbstbestimmungsrecht Rechnung. Der beratene Schwangerschaftsabbruch ist ausdrücklich straffrei gestellt.
Vor diesem Hintergrund halten die deutschen Bischöfe an einer Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch fest. Ein abgestuftes Schutzkonzept eröffnet zudem die Gefahr, die Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens auch in anderen Lebenssituationen abzustufen und damit aufzuweichen. Außerdem betonen die Bischöfe, dass sie nicht erkennen können, dass sich durch die Streichung der §§ 218 ff. StGB die rechtliche und tatsächliche Situation von ungewollt schwangeren Frauen verbessert. Hierfür bedarf es anderer Anstrengungen der Gesellschaft und des Sozialstaats, für die es keiner Änderung des Strafrechts bedarf.
In der Stellungnahme des Katholischen Büros wird angeregt, bei der Diskussion um §§ 218 ff. StGB in den Blick zu nehmen, dass die geltende Regelung dem Lebensschutz bei einer vermuteten oder diagnostizierten Behinderung des ungeborenen Kindes nicht hinreichend Rechnung trägt.
Hinweis:
Die ausführliche Stellungnahme des Katholischen Büros finden Sie als PDF-Datei zum Herunterladen unter www.kath-buero.de.
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