Hamburg (ots)
Der Konsum illegaler synthetischer Drogen wie Kokain, Ecstasy und Speed in Mecklenburg-Vorpommern ist offenbar höher als bisher bekannt. Das zeigt eine vom NDR im Juni in Auftrag gegebene Abwasseranalyse der Technischen Universität Dresden. Demnach konnten die Wissenschaftler zum Beispiel im Abwasser von Neubrandenburg überdurchschnittlich viel Amphetamin (Speed) nachweisen. Ähnliche hohe Werte wurden in der Vergangenheit etwa in niederländischen oder belgischen Drogen-Hotspots festgestellt. Damit wäre Neubrandenburg eine der europaweit am stärksten betroffenen Städte. Laut der Studie waren die Amphetaminrückstände auch in Schwerin, Rostock und Greifswald im deutschlandweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, „dass Amphetamin die vordringliche illegale Droge in Mecklenburg-Vorpommern darstellt.“
Kokainkonsum in Rostock deutschlandweit besonders hoch
Der Bericht zeigt auch, dass sich der Kokainkonsum in Rostock seit 2017 um 120 Prozent erhöht hat. Laut den Forschern ist der Konsum der Droge gerade am Wochenende besonders hoch. Björn Helm, Leiter Arbeitsgruppe Siedlungshydrologie an der TU Dresden: „Beim Kokain war ja Rostock der Spitzenreiter unter den Mecklenburg-Vorpommerschen Städten und auch deutschlandweit ist es da in der Spitzengruppe. Und nur der Konsum in Hamburg, Berlin und Dortmund ist höher.“ Auch Amphetamin und MDMA wurde demnach in der Hansestadt immer häufiger konsumiert. Bislang gab es in Mecklenburg-Vorpommern keine vergleichbare Studie. Mit den Ergebnissen durch den NDR konfrontiert, prüft Rostocks Gesundheitssenator, Steffen Bockhahn (parteilos) nun, inwiefern die Stadt ab dem kommenden Jahr eigene Abwasseranalysen in Auftrag geben wird. „Wir wissen dadurch nicht, wer nimmt warum Drogen. Aber wir können genauer wissen, in welchem Umfang der Konsum dieser Substanzen stattfindet. Da können wir in der Prävention zielgenauer arbeiten.“
Ecstasy-Werte ebenfalls hoch
In ihrem Erhebungszeitraum vom 8. bis zum 29. Juni fanden die Wissenschaftler zudem hohe Rückstände von MDMA (z.B. Ecstasy) im Abwasser in Schwerin und Rostock sowie in Neubrandenburg. Dort ermittelt die Staatsanwaltschaft derzeit im Fall einer 13-Jährigen, die im Juni an den Folgen des Konsums einer Ecstasy-Tablette der Sorte „Blue Punisher“ starb. Zwei weitere minderjährige Mädchen aus der Region mussten damals nach dem Konsum von „Blue Punisher“ tagelang im Krankenhaus behandelt werden. Eine der beiden schwebte vorübergehend in Lebensgefahr. Der stellvertretende Bürgermeister Neubrandenburgs, Peter Modemann (CDU) zeigte sich auf Anfrage des NDR besorgt über die Ergebnisse der Studie und sieht Handlungsbedarf: „Wir werden uns mit den zuständigen Behörden sehr eng zusammenschließen, um Prävention und Aufklärung voranzutreiben. Da werden wir mit Sicherheit auch mit Schulen und Jugendeinrichtungen reden müssen.“
Zunahme illegaler chemische Drogen europaweit
Die TU-Dresden führt seit 2016 die deutschlandweiten Untersuchungen zu Drogenrückständen im Abwasser im Auftrag der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) durch. Die EMCDDA lässt regelmäßig in ganz Europa das Abwasser analysieren, um an aussagefähige Daten zu kommen. Diese Studien sind die größten ihrer Art. Über 100 europäische Städte beteiligen sich. Die Wissenschaftler konnten bislang nachweisen, dass immer mehr Menschen in Europa harte Drogen wie Kokain, MDMA, Speed und Crystal Meth konsumieren. Ihre Studien sollen politischen Entscheidungsträgern auch Ansätze zur Drogenprävention geben.
Zahlen für MV fehlten
Für das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern fehlten in der Vergangenheit jedoch aussagefähige Daten über den Konsum harter Drogen. Aus diesem Grund hat die TU Dresden im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks in den vier größten Städten Mecklenburg-Vorpommerns, Rostock, Schwerin, Neubrandenburg und Greifswald, das Abwasser in den Klärwerken der Städte auf Drogenrückstände untersucht. Neben Kokain, Speed und Ecstasy testeten die Forscher die Proben u.a. auch auf Heroin und Crystal Meth. Beide besonders harten Drogen werden in dem Bundesland jedoch ausweislich der Analyse eher kaum konsumiert.
Keine eigenen Untersuchungen der Landesregierung
Auf die Frage, ob die Landesregierung zukünftig selbst solche Studien in Auftrag geben werde, antwortete der für die Polizei und Kommunen zuständige Innenminister Christian Pegel (SPD) im Interview mit dem NDR, dass man solche Analysen bei der Bekämpfung von Drogenkriminalität nicht benötigen würde. „Da werden wir weiterhin andere Ermittlungsmaßnahmen brauchen, die den Zusammenhang zwischen einer Person an einer konkreten Straftat herstellen. Das kann ich eben über das Gesamtnetz des Abwassers nicht.“ Birgit Grämke, Geschäftsführerin von der Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen (LAKOST) hingegen fordert im Interview mit dem NDR solche Studien. Diese seien dringend notwendig, um das Ausmaß des Drogenkonsums überhaupt zu erkennen und daraus Ableitungen für die Präventionsarbeit herzuleiten: „Ich finde es ist wichtig, dass wir auf alle Zahlen schauen und gucken, wo sind die Probleme in Mecklenburg-Vorpommern und wo müssen wir auch unsere Angebote, aber auch die in den Landkreisen dementsprechend anpassen.“
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