Berlin (ots)
Niemand weiß, wie lange der Krieg in der Ukraine noch dauert. Umso wichtiger ist es, sich zu Beginn des noch jungen Jahres ein klares Bild zu machen. Deutschland braucht einen ungeschminkten Blick auf die Wirklichkeit. Und es braucht Stärke – politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und militärisch.
Falsch wäre es, sich Wunschdenken hinzugeben. Friedensinitiativen wie die von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich fallen in diese Kategorie. Seine Forderung, Verhandlungsangebote an Wladimir Putin zu machen, sind von einem romantisierten Russland-Bild geleitet, dem Teile der Sozialdemokratie noch anhängen.
Der Unterschied: Die Sowjetführer waren im Kalten Krieg berechenbar und achteten die Grenzen in Europa. Putin hat hingegen seit Beginn seiner Amtszeit einen Fußabdruck der Gewalt hinterlassen. Auf die Kriege in Tschetschenien und Georgien folgten die Krim-Annexion, die Aufrüstung der Separatisten im Donbass, die Militärintervention in Syrien und zuletzt der Einmarsch in der Ukraine.
Der Präsident hat sich zum Ziel gesetzt, die Ukraine als unabhängigen, pro-westlichen Staat auszulöschen und Russland einzuverleiben. Er wähnt sich auf einer historischen Mission, hinter der neoimperiale und nationalistische Motive stecken. Doch der Krieg in der Ukraine ist mehr als ein regionaler Konflikt.
Das Land im Osten Europas verteidigt derzeit Demokratie und Freiheit gegenüber einem brutalen Aggressor, der auch die Zivilbevölkerung voll ins Visier nimmt. Kommt Putin damit durch, bekommen seine imperialen Ambitionen neue Nahrung. Und er bietet allen Autokraten dieser Welt die Blaupause für eine Annexionspolitik nach Gusto. Das „Gesetz des Dschungels“ würde triumphieren, das Völkerrecht wäre am Ende.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat dies in seiner „Zeitenwende“-Rede am 27. Februar 2022 klug analysiert. Aber er ist den Weg nicht konsequent zu Ende gegangen: Das Sondervermögen der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro nimmt nur langsam Formen an. Das Heer leidet unter einem blamablen Munitionsmangel. Der jüngste Totalausfall der Puma-Panzer sorgte international für Gespött und ließ die Streitkräfte für viele als Pleiten-, Pech- und Pannenverein aussehen.
Scholz muss immerhin zugutegehalten werden, dass er sich nach einer Phase der Zögerlichkeit zur Lieferung schwerer Waffen an Kiew durchgerungen hat. Die Verschickung moderner Luftabwehrsysteme wie Iris-T war richtig und hat der Ukraine bei der Verteidigung geholfen.
Der Kanzler muss aber noch einen Schritt weiter gehen: Die direkte Lieferung von Leopard-Kampfpanzern würde das Land besser gegen den russischen Raketen- und Drohnenhagel schützen. Dies sollte nicht im deutschen Alleingang geschehen – hier hat Scholz recht -, sondern im Verbund mit den Nato-Partnern. Deutschland muss mehr Härte wagen.
In Bezug auf die Wirtschaft hat die Bundesregierung bereits einen bemerkenswerten Schwenk zu mehr Robustheit hingelegt. Nach der fatalen Energieabhängigkeit von Russland setzt sie nun auf Diversifizierung. Viele Unternehmen begreifen die Russland-Falle als Weckruf und fahren ihr China-Geschäft zurück. Militärische Stärke ist kein Selbstzweck. Sie sendet ein Stopp-Signal an Aggressoren. Und erst durch sie eröffnen sich mehr Spielräume für Gespräche und Verhandlungen. Es gilt der alte Satz des früheren US-Präsidenten Theodore Roosevelt: „Speak softly and carry a big stick“ – „Sprich sanft und trage einen großen Knüppel“.
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