Menetekel Ölpreis, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

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Ukraine-Konflikt/Medien/Falschinformationen / Behörden in Sachsen-Anhalt warnen vor ...


Börsen-Zeitung

Frankfurt (ots)

Der Preis der Ölsorte Brent Crude hält sich hartnäckig über 120 Dollar je Barrel. Eine wachsende Zahl an Branchenkennern geht derzeit davon aus, dass der Ölpreis noch deutlich weiter steigen könnte. Während die Rohstoffanalysten von Goldman Sachs im weiteren Jahresverlauf 140 Dollar für wahrscheinlich halten, hat Jeremy Weir, Chef des Rohstoffhändlers Trafigura, bereits das Menetekel von 150 Dollar an die Wand gemalt. Damit würde der Ölpreis sein Niveau vom Beginn des Ukraine-Kriegs noch in den Schatten stellen. Andere Analysten bleiben mit ihren Prognosen zwar noch deutlich unter diesem Niveau, passen diese aber in Riesenschritten an die Realität an.

Die westlichen Sanktionen im Energiebereich entfalten also deutliche Wirkung. Die Frage ist nur, wer eigentlich sanktioniert wird. Russland eher nicht: Das Land muss sich zwar neue Kunden wie Indien und China suchen und dabei Abschläge gegenüber dem (stark gestiegenen) Marktpreis in Kauf nehmen. Die Einnahmen Russlands aus den Verkäufen von Energieträgern sind aber seit dem Beginn des Ukra­ine-Kriegs auf Rekordniveau geklettert. Die Sanktionen treffen in erster Linie die westlichen Länder selbst und letztlich die gesamte Weltwirtschaft, die unter der äußerst ungünstigen Kombination von Rezession und hoher Inflation in die Knie gezwungen wird. Daher verwundert es nicht, wenn in Presseberichten von erheblicher Unruhe im Weißen Haus die Rede ist, während der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan süffisant anmerkt, in den Regierungen der EU-Länder herrsche „Panikstimmung“ vor.

Die Sanktionen treffen die Energiemärkte zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die ungenutzten und aktivierbaren Produktionskapazitäten des Kartells Opec plus befinden sich auf einem Rekordtief. Mit weniger als 1 Mill. Barrel pro Tag (bpd) machen sie weniger als 1 Prozent des weltweiten Verbrauchs von 102 Mill. bpd aus. Sie leiden darunter, dass die Investitionen in die weltweite Erdölbranche mit Blick auf die angestrebte grüne Energiewende zurückgefahren worden sind. Dies trifft auch die US-Schieferölindustrie, die trotz des hohen Ölpreises noch weit unter dem bleibt, was sie bereits gefördert hat. Auf der Nachfrageseite befindet sich der Ölmarkt in einer Phase der Erholung, weil die Lockdown-Maßnahmen in den meisten Ländern zu Ende gegangen sind. Nur in China gibt es sie noch, wobei sie der größte Ölverbraucher der Welt unter dem Druck der eigenen Wirtschaft nun ebenfalls auslaufen lässt.

In diesem schwierigen Umfeld würden die EU-Sanktionen dem Ölmarkt – würden sie vollständig wirken – rund 3 bis 4 Mill. bpd entziehen. Für diesen (theoretischen) Fall hatte J.P. Morgan bereits die Schreckensvision eines Ölpreises von 185 Dollar genannt. Nun ist es aber keineswegs so, dass die EU wirklich auf das gesamte russische Öl verzichtet. Jetzt ist die Stunde der Zwischenhändler wie beispielsweise Indien gekommen, die die Herkunft des russischen Öls verschleiern und dafür zusätzlich die Hand aufhalten – ein weiterer preistreibender Effekt. Zudem kommt es zu einer Entflechtung und einem Neuaufbau der Lieferbeziehungen. Russland blickt immer stärker nach Osten, während sich die EU zunehmend in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Westafrika bedient. Eine solche beispiellose Neuorientierung wichtiger Marktteilnehmer in kurzer Zeit zeigt ebenfalls einen preistreibenden Effekt.

Die Folgen des Ukraine-Kriegs wirken sich auch auf andere Rohstoffmärkte aus – insbesondere wenn die militärischen Erfolge Russlands den Druck auf die EU-Regierungen­ erhöhen, die Sanktionen doch noch auf russisches Erdgas auszuweiten. Bereits jetzt muss die Welt wegen der US-Finanzsanktionen weitgehend auf russische und weißrussische Düngemittel verzichten. Und am Mittwoch hat in Großbritannien eine der größten Düngemittelfabriken wegen der hohen Energiekosten den Betrieb einstellen müssen, was als schwerer Schlag für die britische Landwirtschaft gilt. Die durch die Decke gehenden Weizenpreise sind zwar auch auf den Ausfall der ukrainischen Lieferungen zurückzuführen, vor allem aber auf die hohen Energie- und Düngemittelpreise, schlechte Ernten in anderen Teilen der Welt sowie sanktionsbedingte Schwierigkeiten vieler Nachfrager, Getreide vom weltgrößten Exporteur Russland zu beziehen.

Die Krise der Rohstoffmärkte und der Weltwirtschaft zieht immer weitere Kreise. Abhilfe würden nur eine friedliche Beilegung des Ukraine-Konflikts und eine Aufgabe der Sanktionen schaffen.

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