Berlin (ots)
- Wenn alle Sektoren und Staaten ihre Emissionsreduktionen im selben Maß verschleppen wie der deutsche Verkehrssektor, erhitzt sich die Erde um mehr als 3 Grad
- Verkehrssektor überzieht sein 1,5-Grad-kompatibles Restbudget bis 2030 um fast das Vierfache, kein anderer Sektor kann die riesige CO2-Lücke kompensieren
- Bei 3 Grad Erderhitzung drohen globale Hungersnöte, häufige tödliche Hitzewellen, Dürren und andere Extremwetterereignisse und kollabierende Ökosysteme
- DUH verurteilt andauernden Rechtsbruch der Bundesregierung und fordert von Bundeskanzler Scholz und seinem Minister Wissing ein umfassendes Klimanotfallprogramm für den Verkehrssektor
Mit seiner Klimablockadepolitik ist Verkehrsminister Volker Wissing auf einem Kurs zu 3,1-Grad-Erderhitzung. Das zeigt eine neue Studie des NewClimate Institute im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Sie berechnet, um wie viel Grad sich die Erde erhitzen würde, wenn alle Sektoren und Staaten ihre Emissionsreduktionen im selben Maße verschleppen würden wie der deutsche Verkehrssektor. Dieser sprengt sein klimaverträgliches CO2-Restbudget bis 2030 so radikal wie kein anderer Sektor in Deutschland: Mehr als 1.100 Millionen Tonnen Treibhausgase wird der von Wissing verantwortete Verkehrssektor nach aktueller Prognose allein in diesem Jahrzehnt noch verursachen – fast viermal so viel, wie mit der überlebenswichtigen 1,5-Grad-Grenze vereinbar ist.
Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer: „Porsche-Verkehrsminister Wissing macht Politik für die Klimahölle. Wenn andere Sektoren und Staaten ihr CO2-Budget genauso maßlos überziehen wie Wissing, dann wird der Planet zu einem lebensfeindlichen Ort. Statt mit aller Kraft die Mobilitäts- und Antriebswende voranzutreiben, blockiert der Verkehrsminister selbst minimale Klimaschutzmaßnahmen und forciert mit seinem Autobahn- und Verbrenner-Fanatismus aktiv die Klimazerstörung. Die für Menschen und Ökosysteme tödliche 3-Grad-Politik entlarvt alle Bekenntnisse der FDP und der Ampelkoalition zur 1,5-Grad-Grenze und zu den gesetzlichen Klimaschutzverpflichtungen als dreiste Lügen. Seit über einem Jahr sieht Bundeskanzler Scholz dabei zu, wie Wissing alle Klimaziele pulverisiert. Anstatt jetzt das Klimaschutzgesetz auszuhöhlen, muss er endlich das rechtlich zwingend nötige Klimasofortprogramm von Wissing einfordern.“
Die Studie zeigt auch, dass das Totalversagen des Verkehrsministers nicht von anderen Sektoren kompensiert werden kann. Selbst der Energiesektor, der in Deutschland von allen Sektoren die Emissionen bisher am stärksten reduziert hat, hat keinerlei übriges Treibhausgas-Budget abzugeben. Wissing kann also nicht mit Verweis auf die Klimaschutzbemühungen anderer Sektoren untätig bleiben.
Niklas Höhne, Studienautor vom NewClimate Institute: „Alle Ampelparteien haben fest versprochen, ihre Klimapolitik an 1,5 Grad auszurichten, sind davon aber weit entfernt. Unsere Studie zeigt, dass der Verkehr mit dem aktuellen Kurs im Zeitraum von 2023 bis 2030 fast viermal so viel klimaschädliche Treibhausgase verursachen wird als mit der 1,5-Grad-Grenze noch vereinbar wäre. Es ist völlig ausgeschlossen, dass andere Sektoren das wettmachen können. Nachdem die Emissionen im Verkehr in über drei Jahrzehnten nicht gesenkt wurden, muss nun innerhalb kürzester Zeit ein radikaler Umbau des Verkehrssystems erfolgen, der nicht noch weiter aufgeschoben werden kann. Wir haben jetzt noch die Möglichkeit, den Wandel aktiv zu gestalten und sozial abzufedern – je mehr wir die Klimakatastrophe eskalieren lassen, desto mehr schrumpfen unsere Handlungsspielräume.“
Die DUH fordert Bundeskanzler Scholz auf, das Klimaschutzgesetz zu schärfen anstatt zu schleifen und sofort ein umfassendes und radikales Klimanotfallprogramm für den Verkehrssektor umzusetzen. Es müssen jetzt alle erforderlichen Maßnahmen beschlossen werden, um den Energieverbrauch und die klimawirksamen Emissionen im Verkehr drastisch zu reduzieren und den Pkw-Verkehr zu halbieren. Dazu zählen unter anderem:
- Tempolimit 100 auf der Autobahn, 80 außerorts und 30 innerorts als allererste Notfallmaßnahme
- sofortige Abschaffung der milliardenschweren klimaschädlichen Subventionen, unter anderem für Dienstwagen, Diesel und Kerosin
- verbindlicher Verbrennerausstieg bei Neufahrzeugen in Deutschland ab 2025
- sofortiger Stopp der Planung und des Baus von neuen Autobahnen und Bundesstraßen
- massive zusätzliche Investitionen in Ausbau, Modernisierung und Elektrifizierung der Bahn
- Umverteilung des öffentlichen Raums mit klarem Vorrang für Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehr
- Umfassende Bemautung von Lkw und Pkw auf allen Straßen und Einführung einer CO2-basierten Neuzulassungssteuer
Erst kürzlich hat der Weltklimarat IPCC bekräftigt, dass das laufende Jahrzehnt entscheidend ist und die Emissionen bis 2030 drastisch sinken müssen, um die Erderhitzung noch auf ein halbwegs verträgliches Maß zu begrenzen. 3 Grad Erderhitzung wären nach Aussage renommierter Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine planetare Katastrophe und existenzielle Bedrohung für die menschliche Zivilisation. Es drohen globale Hungersnöte, tödliche Hitzewellen, immer zerstörerische Extremwetterereignisse wie anhaltende Dürren und lebensgefährliche Stürme, kollabierende Ökosysteme und verheerendes Artensterben.
Hintergrund:
Für die Berechnung wurde zunächst das deutsche CO2-Budget für verschiedene globale Temperaturgrenzen von 1,5 Grad bis 4 Grad auf Basis der Methodik des Sachverständigenrats der Bundesregierung für Umweltfragen ermittelt. Auch Nicht-CO2-Emissionen wurden berücksichtigt. Etwa 20 Prozent dieses nationalen Budgets werden dem Verkehrssektor zugeordnet, entsprechend seines Anteils an den deutschen Gesamtemissionen. Das Ergebnis wird dann verglichen mit den tatsächlich zu erwartenden Emissionen im Verkehr im Gesamtzeitraum von 2016 (Inkrafttreten des Pariser Abkommens) bis 2030. Die Analyse zeigt, dass die Verkehrsemissionen im Gesamtzeitraum 2016 bis 2030 nicht nur das 1,5-Grad-Budget, sondern auch das 2-Grad- und 2,5-Grad-Budget für diesen Zeitraum bei weitem übersteigen und einem Pfad zur 3,1-Grad-Erderhitzung entsprechen.
Als Grundlage für den zu erwartenden Emissionsverlauf im Verkehrs von 2023 bis 2030 dient der letzte Projektionsbericht der Bundesregierung von 2021, der nur geringfügige CO2-Reduktionen im Verkehr prognostiziert. Zudem wird das sogenannte Sofortprogramm des Verkehrsministeriums von Juli 2022 berücksichtigt, obwohl die dort genannten Maßnahmen so vage und unkonkret sind, dass ihr CO2-Effekt nicht seriös beziffert werden kann. Die vom Verkehrsministerium vorgelegte Quantifizierung ist als spekulativ anzusehen. Bisher wurden zudem keinerlei Maßnahmen umgesetzt.
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Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer DUH
0171 3649170, resch@duh.de
Prof. Dr. Niklas Höhne, NewClimate Institute
0173 7152279, n.hoehne@newclimate.org
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