Köln (ots)
Schauderhaft und unfassbar ist das, was sich Jewgeni Prigoschin da herausnimmt. Während liberale Kritik am Angriffskrieg gegen die Ukraine in Russland mit 25 Jahren Lagerhaft geahndet werden kann, präsentiert sich der Chef der Söldnergruppe Wagner per Video vor den Leichen seiner Kämpfer, beschimpft Verteidigungsminister und Generalstabschef in obszöner Form als Verantwortliche für ihren Tod und kündigt im Nachgang den Abzug seiner Kämpfer aus Bachmut an, weil es an Munition fehle. Kurz zuvor hat er einen geschassten Vize-Verteidigungsminister – der übrigens wegen der von Prigoschin beklagten Nachschubprobleme gehen musste – als Wagner-Kommandeur engagiert. Was ist da los?
Ob Prigoschins Leute wirklich die Front in Bachmut verlassen werden, ist noch nicht absehbar. Eigentlich wäre das Desertion. Mit seinen Vorwürfen und Drohungen aber strickt Prigoschin eine Dolchstoßlegende. Wenn es ihm gelingt, anderen die Verantwortung für das Desaster zuzuschieben, an dem er selbst so maßgeblich beteiligt ist, dann kann er hoffen, damit gute Voraussetzungen für das Rennen um die Macht in Moskau zu schaffen. Dass er an der Nachfolge von Präsident Wladimir Putin interessiert ist, hat er ja schon erklärt.
Ein Schwerverbrecher, der eine Privatarmee kontrolliert, nimmt den Kampf um die Führung Russlands auf. Bei allen Risiken, die diese Krise eines verfallenden Imperiums birgt, steckt für die Ukraine eine gute Nachricht drin: Prigoschin und seine Gegner werden sich einen feuchten Kehricht für Mariupol und Berdjansk interessieren, wenn es um die Macht im Kreml geht. Die Spaltung im Lager der Aggressoren erhöht die Chancen der Verteidiger.
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