Quitterer kritisiert Stillstand in der Gesundheits-Gesetzgebung

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Bayerische Landesärztekammer (BLÄK)

München (ots)

„Der 83. Bayerische Ärztinnen und Ärztetag, der vom 11. bis 13. Oktober in Lindau stattfindet, fällt in eine politisch unruhige und für die Ärzteschaft herausfordernde Zeit, in der einerseits die demographische Entwicklung und die Zunahme chronischer Erkrankungen, andererseits die ungesteuerte Inanspruchnahme unseres Gesundheitssystems die vorhandenen Ressourcen an die Grenze der Leistungsfähigkeit führt“, sagte Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) im PresseClub München. Die Themen seien vielfältig und seit Jahren bekannt. Irritierend sei dabei, was alles durch eine nicht endende Reihe von Gesetzen geregelt werden soll und dennoch die Ärzteschaft in ihren eigentlichen Anliegen außen vor lässt.

Die blockierte Gesundheits-Gesetzgebung

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat für sein Ministerium jüngst eine Übersicht „Aus- und Rückblick: 2. Jahreshälfte 2024“ vorgelegt, die mit „Woran wir 2024 noch arbeiten“ überschrieben ist. „Doch eigentlich handelt es sich um eine ‚No-Go-Liste‘ der aktuellen Gesundheits-Gesetzgebung: von der blockierten Ausbildungsförderung im Praktischen Jahr bis hin zum einkassierten Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz“, so Quitterer. Wie wichtig einige der Gesetzesvorhaben sind, mögen nur wenige Beispiele aus der Lauterbachschen Liste zeigen:

So sollte es im GVSG durch den Wegfall der Budgets für Hausärztinnen und -ärzte attraktiver werden, wieder mehr Patienten anzunehmen, unnötige Quartalsuntersuchungen sollten entfallen und so überfüllte Wartezimmer vermieden werden. Zudem sollte eine Regulierung investorengestützter MVZ (IMVZ) aufgenommen werden, die mehrfach in Ärztetagsanträgen angemahnt wurde. Oder: Bei der Notfallreform sollten die Notaufnahmen entlastet und eine schnellere Behandlung der Patientinnen und Patienten sichergestellt werden. Stattdessen finden wir einen 24/7 vorgesehenen aufsuchenden Bereitschaftsdienst, zu dem die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte dann qua Sicherstellungaufstellung der Kassenärztliche Vereinigung (KV) verpflichtet sind. In ihrer Stellungnahme zur Notfallreform fordern nun die Länder mehr Handlungsspielräume für sich. Mit Blick auf das Medizinforschungsgesetz (MFG) plädierten fünf Länder für die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Aus all diesen Vorhaben wird wohl nichts werden – Stillstand in der Gesundheits-Gesetzgebung.

Einflussnahme des Staates

Stillstand, nur scheinbar, denn wenn es um die Stärkung anderer Gesundheitsberufe geht, denen per Gesetz Heilkunde übertragen werden soll, wird geliefert. Kooperation in der Gesundheitsversorgung der Zukunft ist wichtig, jedoch sollten dabei die Beteiligten in gemeinsamen Gesprächen eingebunden werden.

Nur scheinbar, wenn es um die Gewinnung von Gesundheitsdaten geht, und dabei völlig außer Acht gelassen wird, welchen bürokratischen Aufwand in Praxen und Kliniken die verpflichtende Befüllung der elektronischen Patientenakte in einer dysfunktionalen Telematikinfrastruktur mit sich bringt. Man denke nur mit Schrecken an das Debakel um die Konnektoren zurück. Nur scheinbar, wenn es um die Förderung von Telemedizinanbietern oder die Implementierung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DIGA) geht, deren Anwendung den von Patientinnen und Patienten uneingeschränkt nachgefragten persönlichen Arzt-Patientenkontakt ersetzen soll.

Nur scheinbar, denn, wenn es um die Einflussnahme des Staates geht, werden unsinnige Gesetzte vorangetrieben, wie beispielsweise das „Gesundes-Herz-Gesetz (GHG). Dieses geplante Gesetz soll gezielt Herz-Kreislauferkrankungen senken und Leben retten. „Mit einer frühestmöglichen und dauerhaften Gabe von Arzneimitteln, so der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), dessen Ansicht ich hier uneingeschränkt teile, stehen jetzt vermeintlich einfache Lösungen im Raum, um diese Zivilisationskrankheiten in den Griff zu bekommen“, sagte Quitterer. „Die allein auf das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung fokussierten Ansätze konterkarieren die eigentliche Zielsetzung, die individuelle Gesundheitskompetenz zu verbessern und für möglichst gesundheitsfördernde Lebensbedingungen zu sorgen“, so Bayerns Ärztepräsident überzeugt. „Die Formulierung eines Rechtsanspruches auf die Verordnung von Lipidsenkern stellt darüber hinaus die brisanteste Entwicklung in der Gesetzgebung dar, stellt dieser doch die Weisungsungebundenheit von Ärztinnen und Ärzten infrage, allein deren Indikationsstellung eine Medikamentenverordnung folgen muss“, so Quitterer weiter. Wörtlich: „Ein Trojanische Pferd sozusagen, das den Weg in die Staatsmedizin ebnet.“

Anerkennung ausländischer Fachärztinnen und -ärzte

Aktuell ist die Einbindung ausländischer Ärztinnen und Ärzte mit einem Facharzttitel aus einen so genannten Drittstaat (außerhalb der EU) eine Herausforderung und immer wieder Thema. Im Gegensatz zu Ländern aus der EU kann die Anerkennung hier nicht automatisch erfolgen, sondern es sind für jedes einzelne Land und jeden Weiterbildungsgang die erworbenen Fähigkeiten und Kompetenzen zu überprüfen und mit denen zu vergleichen, die in Deutschland (in der EU) erworben werden müssen. „Das ist nicht nur im Sinne der Patientensicherheit, sondern auch die Sicherheit für die Kolleginnen und Kollegen, sich kompetent in die Patientenversorgung einbringen zu können“ stellt Quitterer klar. „Die Kolleginnen und Kollegen sind uns willkommen, wir brauchen sie und gestalten Versorgung gemeinsam mit Ihnen. Auch für sie ist die BLÄK Interessensvertretung und aktive Selbstverwaltung“, so der BLÄK-Präsident.

Ziele aus ärztlicher Sicht

Quitterers Fazit: „Was wir dringend brauchen ist eine wirksame Förderung der Niederlassung, Erhalt der ambulanten Versorgung durch Haus-, Kinder- und Fachärztinnen und -ärzte“: Dazu gehöre die Entbudgetierung genauso wie finanzielle Förderung für Aus- und Weiterbildung. Ein Versorgungsstärkungsgesetz wird seinen Ansprüchen nur dann gerecht, wenn es die Rahmenbedingungen für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte wirksam und nachhaltig verbessert statt unnötige parallele Versorgungsebenen zu fördern.

„Was wir dringend brauchen ist die Umsetzung der neuen Approbations-ordnung und vor allem eine wirksame Patientensteuerung im Gesundheitswesen, wie sie auch in einem mit großer Mehrheit angenommenen Leitantrag beim letzten Deutschen Ärztetag gefordert wurde“, so Quitterer. Dies gelinge freilich nur mit einer Förderung von Gesundheitskompetenz der Bürgerinnen und Bürger sowie Prävention. Hier sei der Staat mit Gesetzen wie Werbeverboten für ungesunde Lebensmittel, Rauchverboten oder Gesundheitsunterricht in Schulen, Begrenzung des Medienkonsums und vieles mehr. Gerade für letzteres zeigten aktuelle Untersuchungen eine Zunahme von psychischen Störungen und Depression bis hin zu Suiziden bei Jugendlichen. Das fordere die Ärzteschaft seit vielen Jahren.

Die Keynote des kommendes Bayerischen Ärztinnen- und Ärztetages steht unter dem Motto: „Wie tickt die ‚Gen Z‘. Und wie können wir mit ihr Versorgung gestalten?“ (vom Jugendforscher Simon Schnetzer), wobei wir wieder bei den politischen Entwicklungen angekommen wären. Was bewegt diese Generation, wie steht sie zu den Herausforderungen des Gesundheitswesensoderwiemöchte sie Versorgung übernehmen?

Eines ist sicher: Die BLÄK ist der richtige Rahmen auch und gerade für die Interessen der jungen Genration, für die Begleitung in ihrer beruflichen Tätigkeit wie schon für viele junge Generationen vor ihr, nach dem Motto: wir sind Kammer. Begleiten Sie uns dabei, begleiten sie uns auch bei unserer Strategie: „BLÄK 2028 – Fit für die Zukunft“.

Dringender Verbesserungsbedarf bei der Krankenhausreform: Botzlar fordert die vollständige Abschaffung des Fallpauschalensystems

Im Vorfeld des aktuellen Abstimmungsprozesses über die Krankenhausreform im Deutschen Bundestag fordert Dr. Andreas Botzlar, 1. Vizepräsident der BLÄK, die Abgeordneten zu deutlichen Anpassungen des Kabinettsentwurfs auf. Um Bürokratie zu reduzieren und das Patientenwohl zu gewährleisten, müsse in der Reform unbedingt eine fallzahlunabhängige Finanzierung der Kliniken festgelegt werden.

„Die geplante Einführung einer Vorhaltevergütung für die Kliniken, also einer finanziellen Entschädigung, die Krankenhäuser für die Bereitstellung von medizinischen Kapazitäten und Ressourcen erhalten sollen, begrüße ich. Denn dadurch könnten Krankenhausstrukturen künftig unabhängig von der Leistungserbringung aufrechterhalten werden. Kritisch sehe ich aber, dass

das bisherige Fallpauschalensystem, bei dem die Vergütung für eine Behandlung pauschal anhand der Diagnose und der durchgeführten Prozeduren festgelegt wird, beibehalten werden soll. Es ist lediglich geplant, die Pauschalen zu Gunsten der Vorhaltevergütung abzusenken“, erklärt Botzlar. Auf diese Weise wirkten Fehlanreize weiter, die schon bisher zu massiven Fehlentwicklungen im deutschen Gesundheitssystem geführt haben. Kliniken würden weiterhin dazu animiert, eine möglichst hohe Zahl renditeträchtiger Fälle zu behandeln und weniger den tatsächlichen Versorgungsbedarf von Patientinnen und Patienten zu berücksichtigen. Und das Nebeneinander zweier Finanzierungssysteme würde zu deutlich mehr Kontrollbürokratie führen.

„Um eine patienten- und aufgabengerechte ärztliche Personalausstattung sicherzustellen, braucht es einen vollständigen Ausstieg aus dem Fallpauschalensystem und die komplette Übernahme der von Kliniken für Infrastruktur, Personal und Technik aufgewendeten Vorhaltekosten – ähnlich wie bei der Feuerwehr, die auch Daseinsfürsorge betreibt. Ich appelliere deshalb an die Abgeordneten, in der Krankenhausreform eine fallzahlunabhängige Finanzierung der Kliniken festzulegen.“, so der 1. Vizepräsident der BLÄK.

Widerspruchslösung jetzt: Lessel fordert Reform der Organspende

Dr. Marlene Lessel setzt sich als 2.Vizepräsidentin der BLÄK im Vorfeld des 83. BÄT 2024 in Lindau insbesondere für die Reform der Organspende ein. „Die Einführung der Widerspruchslösung ist dringend notwendig, um die Zahl der Organspenderinnen und -spender in Deutschland zu erhöhen.“, betont Lessel. „Es ist inakzeptabel, dass Patientinnen und Patienten auf lebensrettende Organe warten müssen, obwohl das Potenzial zur Steigerung der Spenderzahlen vorhanden ist.“ Lessel unterstützt die Forderung nach einer Gesetzesänderung, die es zur Pflicht macht, Organspender zu sein, sofern kein ausdrücklicher Widerspruch vorliegt: „Diese Lösung wurde bereits in vielen europäischen Ländern erfolgreich umgesetzt und trägt dazu bei, die Organspenden signifikant zu erhöhen. Deutschland sollte diesem Beispiel folgen, um dem Mangel an Spenderorganen entgegenzuwirken.“ In Bayern warten rund 1.191 Menschen (Stand: 31. Dezember 2023) auf ein Spenderorgan.

Mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Ärztinnen und Ärzte

Die Vizepräsidentin erläutert daraufhin, dass die mangelnden Kinderbetreuungsmöglichkeiten auch für Ärztinnen und Ärzte ein weiteres drängendes Problem seien, um berufstätig sein zu können. „Bei dem bestehenden Ärztemangel ist es nicht einzusehen, dass nach langem Studium und einer Facharztweiterbildung die Berufstätigkeit noch an fehlender Kinderbetreuung scheitert.“, schildert Lessel. Sowohl in der Stadt als auch auf dem Land mangele es an noch flexiblen Betreuungsangeboten, die den Arbeitszeiten von Ärztinnen und Ärzten gerecht werden. Lessel fordert daher den Ausbau flexibler und wohnortnaher Betreuungsangebote für Kinder.

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Dagmar Nedbal
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