Mit dem Erfordernis der Wahrung der Grundzüge der Planung setzt § 31 Abs. 2 BauGB eine in jedem Fall zu beachtende Grenze für Befreiungen, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen der einzelnen Befreiungstatbestände der Nrn. 1 bis 3 gegeben sind (vgl. BVerwG Beschl. v. 5.3.1999 – 4 B 5.99 -, BRS 62 Nr. 99 = BauR 1999, 1280 = juris Rn. 4). Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab (BVerwG Beschl. v. 19.5.2004 – 4 B 35.04 -, BRS 67 Nr. 83 = juris Orientierungssatz). Die Grundzüge der Planung werden nicht erst dann i.S.d. § 31 Abs. 2 BauGB berührt, wenn das konkrete Vorhaben städtebauliche Spannungen auslöst, auch wenn in diesem Fall umso eher auf eine Änderung der Planungskonzeption geschlossen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.2.2012 – 4 C 14.10 -, BVerwGE 142, 1 = BauR 2012, 900 = juris Rn. 22). Entscheidend ist, ob ein Vorhaben zwar den Festsetzungen des Plans widerspricht, sich „mit den planerischen Vorstellungen aber gleichwohl in Einklang bringen“ lässt oder ob es – im Gegenteil – „dem planerischen Grundkonzept zuwider“ läuft (Senatsbeschl. v. 6.6.2005 – 1 LA 220/04 -, juris Rn. 6 unter Verweis auf die Zusammenfassung in BVerwG, Beschl. v. 5.3.1999 – 4 B 5.99 -, BRS 62 Nr. 99 = BauR 1999, 1280 = juris Rn. 5 ff.; v. 19.5.2004 – 4 B 35.04 -, BRS 67 Nr. 83 = juris Rn. 3; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 18.11.2010 – 4 C 10.09 -, BVerwGE 138, 166 = BauR 2011, 623 = juris Rn. 37). Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Läuft eine Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider, kann eine Befreiung nicht als „Vehikel“ dafür herhalten, die von der Gemeinde seinerzeit getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben. Eine Befreiung darf – jedenfalls von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind – nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (vgl. BVerwG Beschl. v. 5.3.1999 – 4 B 5.99 -, BRS 62 Nr. 99 = BauR 1999, 1280 = juris Rn. 6; Senatsbeschl. v. 14.4.2020 – 1 LA 115/18 -, juris Rn. 7 und 17 m.w.N.; v. 18.2.2009 – 1 ME 282/08 -, BRS 74 Nr. 182 = BauR 2009, 954 = juris Rn. 38). Befreiungen können daher nur in Betracht kommen, wenn durch sie von Festsetzungen abgewichen werden soll, die das jeweilige Planungskonzept nicht tragen, oder wenn die Abweichung von Festsetzungen, die für die Grundzüge der Planung maßgeblich sind, nicht ins Gewicht fällt (vgl. Söfker, Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Werkstand: 143. EL August 2021, § 31 Rn. 37).
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